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Dr.Thomas Zittel untersuchte im Rahmen des TA-Projekts „Analyse netzbasierter Kommunikation unter kulturellen Aspekten“ den Stand der Personalisierten Wählerkommunikation in der Bundesrepublik. Mit dem Begriff wird eine intensivierte Form der direkten politischen Kommunikation zwischen Abgeordneten und ihren Wählern bezeichnet.

Das World Wide Web (WWW) bietet neue Gelegenheiten zur Ausgestaltung der Beziehung zwischen Parlament und Gesellschaft. Durch die Interaktivität, Dezentralität und Bandbreite des Mediums kann die vielfach beklagte Distanz zwischen beiden Sphären deutlich verringert werden. Über welche konkreten Nutzungsformen dieser Zweck erreicht werden kann, wie weit der Bundestag auf diesem Weg vorangekommen ist und was die Zukunft erwarten lässt, sind wichtige Fragen in diesem Zusammenhang.

Personalisierte Wählerkommunikation ist eine zentrale Option in der Ausgestaltung der digitalen Kommunikation zwischen Parlament und Gesellschaft. Mit dem Begriff soll eine intensivierte Form der direkten politischen Kommunikation zwischen Abgeordneten und ihren Wählern bezeichnet sein. Abgeordnete werben in diesem Zusammenhang für ihre politischen Positionen, stellen Informationen zu ihrem parlamentarischen Handeln bereit, bieten Dienstleistungen an, beraten sich mit den Wählern und stellen deren Interessen und Forderungen fest. Im Gegensatz hierzu steht die Kommunikation über Massenmedien und intermediäre Organisationen.

Gesteigerte personalisierte Wählerkommunikation führt zu bedeutsamen Veränderungen im Verhältnis zwischen Parlament und Gesellschaft. Damit geht erstens eine Erweiterung der Chancen zur Bürgerbeteiligung einher. Personalisierte Wählerkommunikation steigert zweitens die Wirkung von Partizipation im Rahmen der Repräsentativverfassung, da Abgeordnete so zunehmend die Rolle der Vertreter ihrer Wähler im parlamentarischen Entscheidungsprozess einnehmen. Drittens hat personalisierte Wählerkommunikation eine integrative Wirkung. Indem sich Politik mit einer Person verbindet, die dem näheren Lebenskontext zugehörig und durch ähnliche regional definierte Eigenarten ausgezeichnet ist, steigert sich die Bindung der Wähler zum politischen Raum.

Eine quantitative Inhaltsanalyse aller persönlichen Webseiten im Deutschen Bundestag, die in zwei Wellen durchgeführt wurde (April 2000 und April 2004), sowie eine Befragung von 28 zufällig ausgewählten Parlamentariern zeigt Licht und Schatten in der Nutzung des WWW zur personalisierten Wählerkommunikation. Die Ergebnisse können folgendermaßen zusammengefasst werden:

  • Die Verbreitung von persönlichen Webseiten ist im Deutschen Bundestag weit fortgeschritten. Die ersten Angebote wurden Mitte des Jahres 1995 eingerichtet. Im April 2000 warben 33,3 Prozent aller Abgeordneten für eine Webseite, im April 2004 lautete die entsprechende Zahl 88,4 Prozent.
  • Die Webseiten der Abgeordneten bieten im Zeitverlauf vermehrte Gelegenheiten zur politischen Information. Die Zahl der Angebote, die eine Mindestmaß an Textinformation bieten und über digitale Broschüren hinausgehen ist deutlich angestiegen. Der Bürger kann vermehrt auf solche Informationen zugreifen, durch die sichtbar eine Positionierung in Sachthemen signalisiert wird und die über das parlamentarische Handeln der Abgeordneten aufklären. Die Aktualität der Angebote ist deutlich gestiegen.
  • Die Anzahl der Abgeordneten, die weitergehende Formen der Interaktion über ein öffentliches Diskussionsforen oder ein Gästebuch anbieten, hat zwischen den beiden Untersuchungszeitpunkten ebenso zugenommen wie die Zahl derjenigen, die elektronische Befragungen zu Sachthemen durchführen.
  • Trotz dieser Entwicklung sind viele Webseiten nach wie vor defizitär gemessen an den Erwartungen, die mit dem Konzept der personalisierten Wählerkommunikation verbunden sind. In vielen Fällen werden z.B. Inhalte von Parteigliederungen übernommen und der thematische Zuschnitt ist stark durch die Arbeitsteilung in den Fraktionen bestimmt und auf wenige Politikfelder begrenzt. Die weitergehende interaktive Kommunikation im WWW stellt nach wie vor die Ausnahme dar. Die bestehenden Angebote werden mehrheitlich nicht aktiv gepflegt, ihnen wird weder als Mittel der Wählerkommunikation noch als Faktor der Willensbildung Bedeutung zugemessen.

Die Zukunft personalisierter Wählerkommunikation ist durch stabile Wirkungsfaktoren beeinflusst, die konkrete Aussagen zulassen. Der Prozess der Medienverbreitung im Bundestag wird sichtbar durch den Generationenwandel im Parlament vorangetrieben. Vor allem jüngere Abgeordnete nutzen das WWW und mit jeder neuen Kohorte steigt der Anteil an persönlichen Webseiten im Parlament. Abgeordnete des Bundestages nehmen zudem verstärkt wahr, dass im Zuge sozialen Wandels Wähler – insbesondere junge Wähler – nicht mehr über die etablierten Kanäle politischer Kommunikation wie etwa Parteiversammlungen oder Bürgersprechstunden erreicht werden können. Die Suche nach Alternativen führt zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit für das WWW und zur Bereitschaft zu seiner Nutzung.

Zwischen der Verbreitung persönlicher Webseiten als Mittel politischer Kommunikation und der Nutzungsform der personalisierten Wählerkommunikation besteht allerdings kein zwingender Zusammenhang. In den Einstellungen der Abgeordneten werden vielmehr alternative Nutzungskonzepte deutlich. Persönliche Webseiten werden z.B. als Mittel der Öffentlichkeitsarbeit betrachtet, durch die die Person und Arbeit des Abgeordneten zeitnah, kostengünstig und in einer gewissen Unabhängigkeit von den Massenmedien dargestellt werden kann. Eine umfassendere Form der Wählerkommunikation und –information wird als Überlastung gewertet – zumal ihr Nutzen für viele Abgeordnete in Frage steht. Das Internet wird als selektives Medium gesehen, durch das nur der kleine Kreis der ohnehin politisch Mobilisierten erreicht werden kann. Auch die Wahrnehmung der eigenen Rolle in einem Fraktionenparlament, das den individuellen Handlungsspielräumen von Abgeordneten Grenzen setzt, begründet die Zweifel an der Nutzungsform der personalisierten Wählerkommunikation.

Der Prozess der Entscheidung zwischen alternativen Nutzungsformen des WWW ist keineswegs abgeschlossen. Die gegenwärtige Situation stellt sich vielmehr als Phase des „muddling through“ dar, in der konkrete Angebote nur selten auf reflektierten Einstellungen und Zielsetzungen beruhen. Aufgrund der Verbreitung und gesteigerten Sichtbarkeit parlamentarischer Webseiten ist jedem Abgeordneten jedoch die baldige Ausbildung einer reflektierten Internetstrategie anzuraten. Auch hier gilt: jede Entscheidung ist besser als keine Entscheidung!

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