Weblogs haben sich mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum etabliert. Es funktioniert als Online-Format, das Merkmale der öffentlichen und der interpersonalen Kommunikation verbindet und so neue Praktiken der Selbstpräsentation und des Networking
erlaubt. Jan Schmidt fasst die Ergebnisse seiner Online-Befragung über die Nutzung von Weblogs für politik-digital.de zusammen.

 

Die Aufmerksamkeit, die Weblogs entgegenkommt, ist groß – doch trotz der wachsenden Zahl von Fachtagungen, Workshops und Artikeln in anderen Medien liegen noch vergleichsweise wenig empirische Daten über die tatsächliche Nutzung von Weblogs vor. Die Umfrage „Wie ich blogge?!“ sollte erste Aufschlüsse über die deutschsprachige Blogosphäre geben und eine Grundlage für weitere wissenschaftliche Studien bieten.

Die Studie der Forschungsstelle „Neue Kommunikationsmedien“ der Universität Bamberg entstand in Zusammenarbeit mit den Weblog-Providern twoday.net und blogg.de sowie mit Unterstützung der Anbieter sixapart.de, blog.de und blogigo.de.

Das Untersuchungsdesign

Dazu war im Oktober 2005 ein Online-Fragebogen verfügbar, der über eine Kombination von E-Mail-basierter Ankündigung und einem per „Schneeballprinzip“ kursierenden grafischen Hinweis beworben wurde. Auch wenn durch diese Art der Teilnehmerrekrutierung kein Anspruch auf Repräsentativität im statistischen Sinne beansprucht werden kann, geben die Ergebnisse doch wertvolle Hinweise auf die Nutzungspraktiken und Merkmale der Blogger.

Fast ausgeglichenes Geschlechterverhältnis unter Bloggern

An der Umfrage beteiligten sich 5.246 Personen, darunter 84 Prozent aktive Blogger (die ein oder mehrere Weblogs betreiben), 3 Prozent ehemalige Weblog-Autoren sowie 13 Prozent, die Weblogs „nur“ als Leser verfolgen. Die relative Neuheit des Online-Formats zeigt sich darin, dass 45 Prozent der Befragten ihr Weblog zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht länger als ein halbes Jahr führten. Das soziodemografische Profil der Weblog-Autoren entspricht daher in etwa dem von Pioniernutzern neuer Internet-Technologien: Sie sind mehrheitlich zwischen 20 und 30 Jahren alt, haben eine hohe formale Bildung und befinden sich oft noch in einer schulischen oder studentischen Ausbildung. Bemerkenswert ist jedoch das vergleichsweise ausgeglichene Geschlechterverhältnis von etwa 54 Prozent Männern zu 46 Prozent Frauen. Unter den Weblog-Autoren im Teenager-Alter sind Frauen gegenüber Männern sogar mit 66 zu 34 Prozent deutlich in der Überzahl. Sie entschließen sich vor allem aus selbstbezogenen Gründen, ein eigenes Weblog zu führen: zum Spaß, aus Freude am Schreiben, aber auch um Ideen und Erlebnisse für sich selbst festzuhalten – diese Motive nannten jeweils mehr als 60 Prozent aller Befragten. Etwa die Hälfte führte als Beweggrund allerdings explizit an, mit anderen kommunizieren zu wollen, und verweist damit auf den dialogorientierten Charakter des Weblog-Formats.

Formen und Inhalte

Ein wichtiger Aspekt der Umfrage war, Weblogs als "Social Software" zu begreifen und Aufschlüsse über Strategien des Identitätsmanagements, des Informationsmanagements und des Beziehungsmanagements durch weblog-basierte Kommunikation zu erhalten. Identitätsmanagement geschieht durch die individuelle Gestaltung des eigenen Weblogs und die Auswahl von Themen zur Veröffentlichung, worin sich Aspekte der eigenen Persönlichkeit ausdrücken. Die Mehrheit der Weblog-Autoren schreibt über Episoden und Erlebnisse aus dem Privatleben (75%) bzw. zu Themen wie Arbeitswelt, Schule und Studium (58%). Oft werden die Einträge mit eigenen Bilder und Fotos (64%) und Verweisen auf „Fundstücke“ im Internet (58%) ergänzt. Jeweils etwa 40 Prozent äußern auch Meinungen zu politischen, beruflichen und ausbildungsbezogenen Themen. Neuere multimediale Formate wie Filmdateien (5%) oder Podcasts (3%) werden bislang jedoch nur von ein kleinen Gruppe der Blogger eingesetzt. Etwa drei Viertel der Befragten aktualisieren zumindest mehrmals die Woche ihr Weblog, elf Prozent veröffentlichen sogar mehrmals am Tag neue Beiträge. Der Leitgedanke der persönlichen Authentizität drückt sich auch darin aus, dass 70 Prozent in ihrem Weblog Hinweise auf ihre „reale“ Identität geben, entweder in den Beiträgen selber oder durch eine gesonderte „about me“-Seite mit weiterführenden persönlichen Informationen. Nur 30 Prozent bloggen anonym oder unter einem Pseudonym.

Weblogs als Werkzeug des Informationsmanagements

Als Werkzeug des Informationsmanagements dienen Weblogs insofern, als man über ihre Lektüre an Informationen gelangen kann, die in dieser Form nicht in anderen Medien verfügbar sind (59 Prozent aller Befragten geben an, dass dies einer der Aspekte ist, die sie von Weblogs erwarten). Diese Leistung wird durch zwei Merkmale weblog-basierter Kommunikation unterstützt: Einerseits können durch die hochgradig vernetzte Struktur der Blogosphäre bestimmte Nachrichten und Themen an Aufmerksamkeit gewinnen, die sich quasi epidemisch verbreiten. Dies musste in jüngster Zeit zum Beispiel Jean-Remy von Matt feststellen, dessen Polemik gegen Weblogs („Klowände des Internets“) rasant die Runde durch die Blogosphäre machte. Andererseits sind sie als Ausdruck von interpersonaler Kommunikation zu verstehen und helfen dem Einzelnen, über Ereignisse und Meinungen aus dem eigenen sozialen Netzwerk auf dem Laufenden zu bleiben. Die Informationsfilterung geschieht dabei augenscheinlich in eher kleinen Zirkeln: Nur 20 Prozent geben an, mehr als 20 Weblogs regelmäßig zu verfolgen, während 40 Prozent fünf Weblogs oder weniger lesen.

Weblogs stärken soziale Beziehungen

Damit ist die Brücke zu Weblogs als Werkzeug des Beziehungsmanagements geschlagen: Über Verweise auf andere Quellen, durch Kommentare zu Beiträgen und durch spezielle Linklisten („Blogroll“) setzen Weblog-Autoren nicht nur hypertextuelle Links sondern knüpfen und bestärken auch soziale Beziehungen unterschiedlicher Intensität (zum Beispiel Freundschaften oder geteilte thematische Interessen). Je länger ein Weblog geführt wird, desto umfangreicher sind in der Regel auch diese sozialen Netzwerke: Autoren, deren Weblog älter als ein halbes Jahr ist, erhalten zum Beispiel verhältnismäßig öfter und mehr Kommentare auf ihre Beiträge. Sie haben auch mehr Weblogs in ihrer Blogroll, die vor allem Ausdruck der eigenen regelmäßigen Lektüre (85%) oder freundschaftlicher Beziehungen (60%) zu den verlinkten Autoren ist. Erschwert wird das Knüpfen von sozialen Beziehungen dadurch, dass Leser eines Weblogs zunächst für den Autoren nicht oder nur sehr eingeschränkt sichtbar sind, so lange sie „Lurker“ bleiben und keine Kommentare hinterlassen. 41 Prozent der Befragten können dementsprechend nicht einschätzen, wie viele und welche Personen ihr Weblog lesen. Eine Strategie, um zumindest einen ungefähren Eindruck vom Leserkreis zu bekommen, ist die Analyse der eigenen Server Log Files oder von Zugriffsstatistiken – das machen 66 Prozent der befragten Blogger zumindest gelegentlich.


Weiterführende Links:

Ausführliche Dokumentation der Methode und der Antworten auf die einzelnen Fragen finden sich in:

Schmidt, Jan und Martin Wilbers: „Wie ich blogge?!“. Erste Ergebnisse der Weblogbefragung 2005. Berichte der Forschungsstelle „Neue Kommunikationsmedien“, Nr. 06-01. Bamberg 2006.
Online verfügbar

 

 

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