Das Epos zwischen Hyperraum und Hypertext
Doch
das Star Wars-Prequel schlägt nicht nur auf der Leinwand politische
Wellen: Für einen
kleinen Skandal um die political correctness sorgte die ethnische
Sprachfärbung der Figuren,
die offenbar eine Zuordnung der Charaktere ermöglicht. Auf der bösen
Seite finden sich die mit
leicht französichem Einschlag daherheuchelnden Handlanger der
Handelsföderation (im
Original ein japanischer Akzent), der arabisch-kehlig nuschelnde
Händler (und Sklavenhalter)
Watto auf Tatooine oder natürlich der knappe und befehlshaberische Ton
von Darth Sidious, der nur knappe und befehlshaberische Töne anschlägt.
Auch die Phalanx der "Guten" kennt eine sprachliche Hierarchie, während
die edlen Jedi-Ritter
und auch Königin Amidala in gepflegtem Oxford-Englisch parlieren,
radebrecht der
schlappohrige Tolpatsch Jar Jar Binks ein kreolisches Kauderwelsch.
Grammatikalisch zwar
völlig verstellt, dafür aber geheimnisvoll und würdig untersteicht der
Satzbau von Altmeister
Yoda dessen prominente Position im Rat der Jedis. In den besonders
"pc"-empfindlichen USA
haben die sprachlichen Charakterzuweisungen George Lucas einige
Kritik eingebracht und bereits zu bisweilen haarsträubenden
Reaktionen geführt.
Sicherlich kann man dem an seinem eigenen Mythos krankenden George Lucas noch mehr
vorwerfen, wie z.B. die Dreistigkeit, vier Filme mit identischem Plot abzuliefern, was ihm
jedoch andererseits als Geniestreich ausgelegt wird. Also treffen auch in Episode 1 David und
Goliath aufeinander, sei es in klassischen Schlachtenszenarien zwischen hochtechnisierter
Zivilisation und erdverbundenem Naturvolk oder in Form der obligatorischen Orbitalstation, die
wieder einmal von einem einsamen Raumgleiter zerstört wird, diesmal eher versehentlich als
geplant. Ein anderes religiöses Dauermotiv ist der Kampf zwischen Gut und Böse, diesmal
gegeben von Darth Maul in perfekter Antichrist-Ästhetik und Edel-Jedi Qui-Gon Jinn im
Jesus-Look. Neu im Sortiment ist dagegen die Jungfrauengeburt des Anakin Skywalker –
allerdings orientiert sich Lucas hier weniger an der biblischen Empfängnisgeschichte.
Stattdessen hat er Muster aus asiatischen Religionsverständnissen übernommen, denn
möglicherweise wurde der künftige Superschurke von mikroskopisch kleinen Wesen gezeugt. Laut
Jedi-Lehre existieren die "Midichlorianer" innerhalb der Zellen anderer Lebewesen und stellt
deren Konzentration eine Maßzahl für die Machtfähigkeit des Wirtskörpers dar. Ausführlich
Auskunft gibt Lucas dazu höchstselbst im Rahmen des Gesprächs "Von Mythen und
Menschen", wenig augenzwinkernd diskutiert wird dieses Konzept etwa von James Flint.
Bleibt die Frage, warum man sich immer wieder dieselbe Seifenoper antun muß, was nicht
allein mit den immer neuen und immer perfekteren digitalen Kapriolen zu erklären ist. Aber
warum gehen immer wieder Menschen nach Bayreuth, um nichts als Wagner zu sehen oder
man selbst zu Weihnachten in den Gottesdienst, um immer wieder dieselbe Geschichte zu
hören? Es sind gesellschaftliche Ereignisse, die einen Hauch von Mystik vermitteln ohne die
auch der moderne rationale Mensch nicht auszukommen scheint.
Daß der grundlegende Konflikt um die Besteuerung von Handelswegen ein wenig altbacken
daherkommt, hat gerade die massive Verbreitung von Filmkopien unter Zuhilfenahme des
Internet bewiesen. Nicht wenige der kindlichen Fans der 70er und 80er Jahre sind dabei zu
schonungslosen Saga-Skeptikern mutiert. Allerdings haben sich die vielen CD-ROM-Kopisten
keineswegs vollständig auf digitale Vertriebswege verlassen, so daß die Handelsföderation mit
ihren Kampfrobotern doch das ein oder andere Mal hätte zuschlagen können. Ein Beteiligter
erinnert sich: "Vervielfältigt wurde das 1.5 Gigabyte-Epos meistens mit CD-Brenner und
persönlicher Auslieferung, oder als Päckchen versandt. Das Internet diente da nur zur
Verknüpfung der Menschen zu einem grossen Netz von Freibeutern, die ganz ohne
Gewissensbisse dem eingebildeten Lucas eine reinwürgen, und sich den Film kostenlos ohne
alberne Warteschlangen vor dem Kino reinziehen."
Der Anschluß an das globale Datennetz führte dabei häufig zu Profilierungs-Profiten in der
Peer-Group. Hier zahlte sich die fast schon "klassische" Kombination von Computer-Nerd und
Science-Fiction-Fan als Hauptveranstalter der zahlreichen Undercover Sneak Previews aus.
Die Bestätigung dafür kommt aus den Weiten der Net-Community: "Sobald die Leute den Film
hatten, haben sie ihn gleich sämtlichen unvernetzten Freunden ebenfalls gezeigt, da wird der
teuer erkaufte Pentium mal richtig zum Coolness-Faktor und sozialen Treffpunkt." Aber auch
weniger gut gerüstete Star Wars-Fans kamen auf ihre Kosten, denn es dauerte nicht sonderlich
lange, bis die kostbaren Bits und Bytes auch auf guten, alten Videobändern auftauchten und
somit zu einer weiteren Demokratisierung des Vorschau-Vergnügens beitrugen.
Angesichts digitaler wie analoger Kopienschwemme und dem Ballyhoo der alten
Massenmedien können sich aber inzwischen eher diejenigen glücklich schätzen, die noch keinen
Blick auf die Bilder vom virtuellen Videoplayer geworfen haben und sich damit ein unbelastetes
Kinoerlebnis bewahren konnten. Ob allerdings die massive Vermarktungs-Kampagne um den
angekündigten Jahrtausendfilm auch wirklich funktioniert, muß sich erst noch zeigen – aus der
Lucasschen Werbematerialschlacht könnte statt Merchandising auch ein Märchen-dising
werden. Daß der Umlauf von Raubkopien aus dem Netz plötzlich (die technischen Voraussetzungen
waren schon länger gegeben) auch hierzulande ostasiatische Verhältnisse angenommen hat,
könnte beinahe für eine ausgeklügelte Marketingstrategie der Lucasfilm Ltd. gehalten werden –
wenn damit nicht auch ein anderes Verständnis von Eigentums- und Nutzungsrechten
verbunden wäre. Gerade die Privatvorführer der Pentium-Kinos sehen hier Parallelen zu einer
anderen unterhaltungselektronischen Konfliktlinie: "Es ist durchaus denkbar, daß Hollywood
von derselben "mpeg-Krise" heimgesucht werden wird, wie schon die Musikindustrie durch das
mp3-Format."
Die in den Augen der Kritik recht flache Einstiegsepisode erfährt allerdings eine deutliche
Vertiefung, unternimmt man einen Ausflug in die Weiten der zahlreichen Online-Angebote, die
die Story unverdrossen ergänzen und weiterschreiben. Die offizielle Site unter
www.starwars.com erweist sich als ein reichhaltiger Fundus zu Personal, Schauplätzen und
Technik der bisher vier Episoden. Sehr hilfreich ist auch – zumindest für nicht ganz eingefleischte
Fans – das Angebot der Kinozeitschrift Cinema. Die dort plazierte "Timeline"
zeichnet grob die wichtigsten Events in der kämpfenden Galaxie nach und das
"Online-Lexikon" hilft beim Nachschlagen der
wichtigsten Basics. Wer es etwas genauer wissen will, sollte sich in eine der großen
amerikanischen Fanpages einloggen, dort wird echtes
Expertenwissen zur Schau gestellt und auch die Entwicklung zur "Episode 2" aus nächster
Nähe begleitet. Wem das alles zu virtuell ist, sollte sich überlegen, am großen
"Star Wars Lego-Bauwettbewerb" teilzunehmen.
Geleistet wird hier bereits in Ansätzen eine Verknüpfung der ersten mit den drei späteren
Folgen – quasi ein Vorgriff auf die zuerwartenden Vierfach-Features im nächsten kinematischen
Sommerloch. Daß auch "Episode 2", der insgesamt fünfte Streich der Lucas-Saga, noch in der
gewohnten Form in die Kinos kommen wird, scheint ausgemachte Sache – schließlich haben
die gemeinschaftlichen Film-Erlebnisse vor der "big screen" schon lange den Charakter von
Happenings angenommen. Es könnte aber durchaus sein, dass die Geschichte(n) von Anakin
und Darth, Obi-Wan und Yoda, Leia und Luke, Han Solo und all den anderen in ihrer vollen
epischen Breite in digitalen und interaktiven Medienumwelten besser aufgehoben sind.
To be continued…