Neue Rekorde bei Online-Spenden in Deutschland: Unicef knackt erstmals die zwei Millionen Euro Grenze, was 20 % aller Spenden sind. Das DRK meldet 500.000 Euro übers Internet, die Welthungerhilfe 400.000 Euro. Werden Online-Spenden in Deutschland jetzt doch noch salonfähig?
„Sehr geehrter Spender, sehr geehrte Spenderin, unser Online-Spendenmodul ist zur Zeit nur eingeschränkt nutzbar, da unser System überlastet ist. Wir hoffen, Ihnen diese Spendenmöglichkeit ab morgen wieder zur Verfügung stellen zu können. Vielen Dank für Ihr Verständnis!“
Auf diese Meldung stößt schon seit Silvester, wer versucht, bei der „
Aktion Deutschland hilft“ (ADH), einem Bündnis von zehn deutschen Hilfsorganisationen, online zu spenden. Nicht nur die Spenden in Deutschland insgesamt schlagen alle Rekorde – bis zum 4.01.05 über 50 Mio. Euro allein in Deutschland – sondern auch die Online-Spenden. Noch nie wurde in Deutschland so häufig und so viel im Internet gespendet, wie als Antwort auf diese Naturkatastrophe.
So sind bei der „Aktion Deutschland hilft“ (ADH) zwölf Mio. Euro über den Spendenaufruf und über zehn Mio. Euro durch die Sat.1-Gala am 3.01.05 eingegangen.
Unicef und das
Deutsche Rote Kreuz melden bisher jeweils zehn Mio. Euro und die
Deutsche Welthungerhilfe knappe 7 Mio. Euro an Spenden für ihre wichtige Arbeit in den Katastrophengebieten. Von den Spendeneinnahmen gingen bisher zwei Mio. bei Unicef, eine halbe Mio. Euro beim DRK und 400.000 Euro bei der Welthungerhilfe über das Internet ein. Damit konnte Unicef 20% aller Spenden über das Internet einwerben. Normal sind in der Katastrophenhilfe Größenordnungen von etwa 5%, die über das Internet eingehen. Zusätzlich konnte Unicef durch einen E-Mail-Spendenaufruf über 150.000 Euro einnehmen.
Auch in Österreich wird von Rekordeinnahmen über Online-Spenden
berichtet. So habe die Aktion “Nachbarn in Not” innerhalb von 36 Stunden die Summe von 520.000 Euro über Online Spenden erhalten; allein das Österreichische Rote Kreuz erhielt 80.000 Euro. “So eine Dimension beim Online-Spenden hat es noch nie gegeben”, sagte Michael Opriesnig, Kommunikations- und Marketingchef des Österreichischen Roten Kreuzes. In der Schweiz wurde
berichtet, dass erstmals mehr als 50.000 Menschen bei der „Glückskette“ für die Flutkatastrophe gespendet hätten.
Auch die anderen Hilfswerke berichten über einen starken Anstieg der Zugriffe auf ihre Websites, die mit Online-Spenden einher gehen. So berichtet
Ärzte ohne Grenzen von bis zu fünf Spendeneingängen pro Minute, ohne deren Höhe im Moment quantitativ auswerten zu können.
Auch die Zugriffe auf die Websites der Organisationen steigen stark an. Allein Unicef verzeichnete in sieben Tagen über 180.000 abgerufene Seiten. Dabei kamen 42,5% der Besucher direkt auf die Homepage der Organisation, 42% über Links von anderen Websites und etwa 13,5% von Suchmaschinen.
Das Internet ist somit auch im Fundraising ein immer wichtigerer Kanal geworden. Mittlerweile werden, nachdem die Förderer Transaktionen im Netz immer mehr vertrauen, auch Spenden über die Websites der jeweiligen Organisationen in nennenswerter Höhe eingeworben. Ist dies der Durchbruch im deutschen Online-Fundraising?
Die Frage wird so einfach nicht zu beantworten sein. So unterliegt Fundraising in Katastrophenfällen einer Reihe von Besonderheiten: Menschen werden über die starke suggestive Kraft der Bilder emotional so stark angesprochen, dass sie ein Ventil suchen, um ihrer Emotionalität Ausdruck zu verleihen. Die darauf folgende Spende hat eine wichtige psychische Funktion, zeigt sie doch die Empathie, zu der Menschen fähig sind. In dieser Situation ist das Internet eine einfache und komfortable Möglichkeit, mit diesem emotionalen Druck umzugehen. Die Websites stehen prinzipiell – sieht man von den wenigen Zusammenbrüchen der Webserver aufgrund des hohen Traffics einmal ab – immer zur Verfügung und um eine Spende zu tätigen, muss in der Regel nur ein Formular ausgefüllt und abgeschickt werden. Fertig. Den Rest, d.h. den Einzug der Spende vom Konto der Spender, übernimmt dann die Spendenorganisation.
Wie der TNS Emnid-Spendenmonitor jedes Jahr auf’s Neue aufzeigt, sind Spenden auf Katastrophen der häufigste Spendenanlass. Dabei sind die Hilfsorganisationen auf die Berichterstattung der Fernsehsender und auch der Internet-Medien angewiesen. Sie produzieren und verbreiten die emotionalen Bilder, die notwendig sind, um den Wunsch zur Spende auszulösen. Ob sich Online-Spenden auch für die Aufbau-Projekte durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. Hierfür lassen sich sehr viel weniger Menschen zu einer Spende bewegen, obwohl Aufbauprojekte in den ärmsten Regionen des Katastrophengebiets noch auf Jahre unserer Hilfe bedürfen.
Es gibt noch weitere Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Aufgrund der Beliebtheit der überfluteten Regionen als Reiseziele für Europäer sind neben den Einwohnern auch die Urlauber von der Naturkatastrophe betroffen. Viele Menschen, die heute spenden, waren bereits an den Orten und haben eine besondere Beziehung zu Land und Leuten. Als Urlauber, die wir alle auch sind, haben wir im Grunde genommen Glück gehabt, jetzt nicht betroffen zu sein. Es hätte auch uns, unsere Familien und unsere Freunde treffen können. Dies sind sicherlich Motive, welche zusätzlich Spenden mobilisieren.
Damit ist anzunehmen, dass für die Tsunami-Opfer auch Menschen spenden, die sonst nicht zu den klassischen Spendergruppen gehören. Wie der TNS Emnid-Spendenmonitor zeigt, spenden vor allen Dingen Frauen, Menschen über 60 Jahre und mit einer höheren formalen Ausbildung. Diese Gruppen gelten als nicht besonders internetaffin, auch wenn die Zahl der Internetnutzer in dieser Gruppe überproportional ansteigt. Urlauber in diesen Regionen sind in der Regel jedoch deutlich jünger und verfügen in der Regel über ein höheres Einkommen. Diese eher internetaffine Gruppe kann mit den emotionalen Bildern dieser Katastrophe angesprochen und zum Spenden bewegt werden.
Förderer, welche auf Naturkatastrophen mit Spenden reagieren, binden sich normalerweise nur schwer an eine Organisation. Sie spenden, wenn ein Ereignis eintritt, haben sonst aber kaum Beziehungen zu den Organisationen und deren sonstigen Leistungen.
Somit stellt sich erneut die Frage nach dem Durchbruch des Online-Spendens: Fundraising auf Katastrophen wird zunehmend über das Internet abgewickelt werden. Hier steht mit dem Internet ein einfacher und komfortabler Responsekanal zur Verfügung, der von den Spendern zunehmend auch genutzt wird. Einige Förderer werden hier Erfahrungen machen, die sie auf die Kommunikation mit ihrer Organisation insgesamt übertragen werden. Hieraus jedoch die Schlussfolgerung zu ziehen, dass auch für andere Anliegen Online-Spenden stark zunehmen werden, ist auf Grundlage der derzeitigen Entwicklung verfrüht. Dies wird sich nur dann einstellen, wenn die spendensammelnden Organisationen das Internet als Kommunikationskanal verstehen und in seinen spezifischen Eigenarten zu nutzen lernen.
Kai Fischer ist Geschäftsführer und Marcus Beck freier Mitarbeiter der auf Online-Fundraising spezialisierten Agentur
AMM GmbH in Hamburg. AMM GmbH realisiert seit über sieben Jahren für verschiedene Organisationen Internet-Kommunikation und erstellt Konzepte für Fundraising-Projekte im Internet und zu Multi-Channel-Fundraising. Kai Fischer ist Fachautor und Referent auf verschiedenen Kongressen, Tagungen und Weiterbildungen im Fundraising.