Das ist schon ein seltsames Gefühl, wenn Deine Kollegen gebräunt und fröhlich aus dem Sommerurlaub kommen – und Du sitzt immer noch da. Wenn Du jeden Morgen diese Müdigkeit fühlst, die Du nie spüren wolltest, als Du Dich für Deinen Beruf entschieden hast.
Es hat sich was verändert in den vergangenen Jahren. Vor einigen Jahren gab es – wirklich – mal eine Sommerpause. Dann wanderte Helmut Kohl um den Wolfgangsee und Oskar Lafontaine gab Interviews in der Toskana. Die BILD Zeitung titelte mit Horrorszenen, die im Süden kühle Schauer über knusperbraune deutsche Wurstwampen jagten.
Das ist inzwischen anders. Die Politik heute geht einfach weiter. Krisen, Chaos, Katastrophen. Die Entscheider im Dauereinsatz und mit ihnen die Journaille. Die Meute hetzt nun auch im Sommer durch die Hauptstadt, mit zunehmend hängenden Schultern, das geht nun schon seit Lehman so. Die Energiereserven reichen grade noch bis Ende November. Danach ist Durchhalten. Der Friseur spricht von dünnem Stresshaar. Clinique Augencreme.
Ich gehöre eigentlich zu denen, die morgens noch im Bett und ohne Brille auf dem iPad die Süddeutsche überfliegen. Die nicht aufstehen, ohne einen ersten Blick auf die Emails im iPhone. Die einfach mal 20 Tage durchhauen und dann erst zwei Tage frei nehmen. Doch ich empfinde es nicht als Schwäche, wenn ich in diesen Tagen zu meinen urlaubsgebräunten Kollegen sage: Ich bin müde. Ich bin wirklich müde. Ich bin echt wirklich müde und ich möchte Euch jetzt nicht mehr sehen und Eure Sendung auch nicht mehr und überhaupt gar nichts mehr.
Deshalb werde ich abschalten. Ich werde keine Zeitung lesen und keine Emails checken. Das Telefon lässt nur meine Familie durch, sonst niemanden. Ich werde nicht im Internet sein und nicht posten, twittern, chatten. Ich werde meine Nase in den Wind halten und einen Moment lang davon träumen, wie unerhört leicht und unbeschwert das als Kind war, als das Rauschen der Bäume im Wald einfach nur ein Rauschen war – in das sich nie ein Signalton gemischt hat. Das eine wunderbare Freiheit bedeutete, weil es fern von aller Verpflichtungen war und fern von allem achso dringlichen Zeug.
Ich werde von einem neuen Anfang träumen und einem neuen Lebensabschnitt. Und gleichzeitig weiß ich, wie sehr ich mich auf den Moment freue, wenn der Flieger wieder die Schleife um den Alex nimmt und in Tegel aufsetzt, wenn mein Telefon die Verbindung sucht und wieder Anschluss findet. Wenn ich mit dem Taxi wieder eintauche in diese verrückte, unerträgliche, spannende Welt: in der ich – alles in allem – doch so gern zuhause bin.
Wolf-Christian Ulrich moderiert den crossmedialen Polit-Talk ZDF log in. Auf ZDFinfo präsentiert er darüber hinaus weitere gesellschaftspolitische Formate wie die Reportage-Reihe Ulrich protestiert oder den pop-politischen Talk Verstärker! Er lebt in Berlin.