(Artikel, 21. September 2006) Rüstungsexport ist nicht gleich Rüstungsexport. Auf der Webseite ruestungsexport.info kann man bequem nachlesen, welchen Ländern Deutschland keine Waffen liefern sollte. Die Bewertungskriterien richten sich nach einem Verhaltenskodex für EU-Mitgliedsstaaten.

 

Grün für „Waffenembargos“, gelb für „Good Governance“, rot für „internationale Konflikte“. So wird beispielsweise das Waffenexportprofil von Bangladesh beschrieben. Dabei steht rot für „problematisch“. Das
Bonn International Center for Conversion („BICC“) hat einen grauen Datenwust zu für die Bewertung einzelner Länder anhand offizieller EU-Kriterien zu Waffenexporten übersichtlich aufbereitet.

In seinem neuen Internet-Projekt
www.ruestungsexport.info hat das BICC Grunddaten zu Rüstung, Militär, Sicherheit, Menschenrechten und Regierungsführung von 170 Ländern zusammen gestellt, um so die Bewertung der deutschen Rüstungsexportpolitik zu ermöglichen.

Grundlage für die Zusammenstellung ist der 1998 von der Europäischen Union beschlossene
Verhaltenskodex für Rüstungsexporte. Dieser Kodex benennt acht Kriterien, die vom jeweiligen "Endbestimmungsland" der Exporte zu erfüllen sind. Darunter fallen neben der Achtung der Menschenrechte auch die innere und regionale Stabilität sowie das "Verhalten des Käuferlandes gegenüber der internationalen Gemeinschaft".

Angelehnt an den EU-Kriterien hat das BICC sieben Kategorien – von "Good Governance" bis Waffenexportkontrolle – erstellt, und für jedes der 170 Länder Informationen in diesen Kategorien gesammelt. Dafür kooperierte das BICC unter anderem mit
Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI), der
Weltbank, den
Vereinten Nationen und
Transparency International.

Ergebnis ist eine umfassende Datenbank, die nach einem übersichtlichen Ampelsystem organisiert ist. Jedes Land bekommt für jede Kategorie eine kleine Ampel, die anzeigen soll, ob für Waffenexporte grünes Licht gegeben werden kann. Wie es sich für ein Forschungsinstitut gehört, hat das BICC umfassend aufgeschlüsselt, auf welchen
Berechnungen die jeweiligen Bewertungen beruhen. So bekommt Thailand, der drittgrößte Abnehmer deutscher Waffenexporte, in den Kategorien „Menschenrechte“ und „Mitgliedschaft in Menschenrechtskonventionen“ eine rote Ampel.

Das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderte Projekt bietet neben der Datenbank auch umfassende Länderporträts von sechzehn ausgewählten Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte außerhalb der NATO. Die rund 30seitigen Berichte umfassen sowohl Datensätze und Grafiken als auch Ausschnitte aus NGO-Dokumenten und wissenschaftlichen Studien. Sie wurden im Frühjahr 2006 erstellt und sollen jährlich aktualisiert werden.

Laut Projekt-Koordinator Marc von Boemcken ist ruestungsexport.info ein weltweit einzigartiges Internet-Projekt. „Meines Wissens gibt es kein anderes Projekt, welches das Verhältnis aller Länder der Welt zu den Kriterien des EU Verhaltenskodex für Rüstungsexporte aufgrund von Datensätzen, die jedes Jahr aktualisiert, systematisch erfasst und bewertet werden.“ Während Michael Brzoska, ehemaliger Forschungsdirektor des BICC und inzwischen Direktor des Instituts für Sicherheit und Frieden an der Universität Hamburg (IFSH), die Datensammlung initiierte, hat von Boemcken die Projektleitung 2006 übernommen und seine eigene Idee einer Länderdatenbank umgesetzt. Gemeinsam mit nur einer wissenschaftlichen Hilfskraft stellte von Boemcken die Informationen zusammen, die technische Umsetzung übernahmen zwei studentische Hilfskräfte.

Aufbau und Design der Seite sind schlicht und übersichtlich gehalten. So wäre es auf der Seite der Länderportraits durchaus interessant zu erfahren, welches Land das größte Empfängerland deutscher Waffenexporte ist. Und unter "allgemeine Informationen" sind lediglich Rüstungsexportberichte herunterzuladen, wo aktuelle kurze Zusammenfassungen einen großen Zugewinn an Nutzerfreundlichkeit bedeuten würden. Auch sucht man vergeblich Informationen über die eigentlichen Akteure: die Unternehmen, die Waffen exportieren. Eine solche Auflistung gemäß des Prinzips des "name and shame" wäre jedoch viel zu aufwändig zu recherchieren, erklärt Projektkoordinator Boemcken. Deshalb beschränkt sich ruestungsexport.info auf das Verhältnis der Länder zu den EU-Kriterien. Es bleibt abzuwarten, inwieweit dadurch die Rüstungsexportpolitiken der Länder beeinflusst werden. Zumindest was die Rolle der Öffentlichkeit anbelangt, gibt von Boemcken eine zuversichtliche Zukunftsprognose ab: „Das Internet hat hier sicherlich ein großes Potenzial, um mehr Menschen für Rüstungsexportpolitik zu interessieren und relevante Informationen verfügbar zu machen.“