Dossier Rechtsextremismus

Die Zeit der plumpen Hass-Seiten rechtsextremer Gruppen scheint zu Ende zu gehen. Provider und Suchmaschinen sind sensibler geworden. Anzeigen, Unterlassungsklagen und die Kontrolle durch den Verfassungsschutz haben die Sprache von Rechtsradikalen im Internet subtiler werden lassen. Sie knüpft an die emotionale Rhetorik der Boulevard-Presse an und appelliert an konservative Wertvorstellungen. Rechtsextreme verwenden nicht nur militärisches Vokabular. Immer wieder tauchen auf ihren Websites Begriffe aus Religion und Esoterik auf. Losungen und Kennwörter der radikalen Linken, der Globalisierungskritiker und verschiedener Subkulturen werden übernommen und neu belegt. Revisionisten zielen mit pseudowissenschaftlichen Gegengutachten auf die Umerziehung der Bevölkerung ab. Nicht die Missionsarbeit steht im Mittelpunkt, sondern die Beeinflussung öffentlicher Diskurse.

“Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbewusst verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.

Das schrieb der Romanist Viktor Klemperer in seinem Werk “LTI. Die Sprache des Dritten Reichs”. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Das Auftreten von Rechtsradikalen im Internet folgt keiner einheitlichen Strategie. Es gibt keine Dachorganisation, die sie verbindet. Netzwerke wie das
Thule-Net, das
Störtebecker-Netz und
Altermedia verbinden stattdessen die dezentralen Zellen. Einzige Gemeinsamkeit ist die gleiche Weltanschauung. Sie imitieren Seiten der
neuen sozialen Bewegung und betreiben Nachrichtenseiten und Online-Shops. Koordiniert laufen jedoch
Angriffe auf Foren und Newsgroups. Man nutzt sie zur Zweitveröffentlichung und Verlinkung von Texten rechter Websites. Foren-User werden
provoziert und beleidigt. Gefährlich sind jedoch nicht einzelne Wörter oder Texte, sondern der Einfluss menschenverachtender Inhalte auf das Alltagsbewusstsein. Mit dem Aufbau von Feindbildern versucht man durch Begriffsbelegung zu polarisieren. Im Mittelpunkt stehen die multikulturelle Gesellschaft, die Antifa, Politiker, Semiten und Zionisten, der Verfassungsschutz und der Rechtsstaat.

Selbstaufwertung durch Abwertung anderer

Fast immer findet sich ein verdeckter oder zynischer Bezug auf Rasse, Nation, das Volk und die Volksgemeinschaft.

“Gegen Multikulti und Hartz IV – Das Volk sind wir”, lautet eine der neueren rechten Parolen. Viele Darstellungen folgen dem Prinzip der Selbstaufwertung durch Abwertung anderer. “Wir” ist stets positiv belegt. Die Wörter zur Beschreibung der “Anderen” rufen beim Rezipienten negative Assoziationen hervor. Die “korrupten” oder “verehrten Politiker” der “etablierten Parteien”, die “rot-grünen Taugenichtse”, die “Punks und deren asoziale Saufkumpanen” sind nur einige Beispiele dafür. “Terror, Gewalt und Mord ziehen eine blutige Spur durch die Geschichte der Antifa”, heisst es auf der Website einer ostdeutschen Kameradschaft. Sach-Symbole wie das
Kopftuch sollen die Rückständigkeit anderer Kulturen versinnbildlichen. Kollektiv-Symbole, wie das
überfüllte Boot oder das „sinkende Schiff“ weisen auf eine Bedrohung hin.

Militärische Sprache suggeriert Bedrohung

Die gleiche Funktion erfüllt auch die Verwendung militärischer Begriffe wie “Führungskamerad” und “Ersatzbürgerkrieg”.
Militärische Sprache weckt Assoziationen zur Kriegsberichterstattung und suggeriert, dass man sich vor einer Bedrohung schützen muss. Auf Termini aus der Sprache der Wirtschaft stößt man bei Computerspielen wie
KZ-Manager. Die Verfasser von Texten auf rechtsradikalen Websites bezeichnen sich selbst oft als
Nationaldemokraten,
Demokraten der rechten Mitte,
Konservative,
Sozialisten,
Freiheitliche,
Nationale oder
Revisionisten. Sie betonen ihre Parteiunabhängigkeit und ihren Hang zu Werten wie Wahrheit, Treue, Schlichtheit und Redefreiheit. Politische Gegner werden als anstandslos oder frech diskreditiert. Mitleid ist ein zentrales Motiv in der Sprache der Rechtsextremisten im Web. “Der Kamerad verlor sein Augenlicht und muss seinen kleinen Laden aufgeben.”; “Der doitsche Michel ächzt.”; “Pfleger und Schwestern arbeiten für einen Hungerlohn.”.

Sonnenräder statt Hakenkreuze

Auch religiöse und esoterische Symbole und Zeichen finden häufig Verwendung. Die Spannbreite reicht von der Arche Noah über den Teufelskreis bis hin zur höllischen Saat. Das Symbol der
schwarzen Sonne oder des
Sonnenrades ist mit der gleichen Codierung wie das
Hakenkreuz belegt. Aus der
Esoterik wurden Begriffe wie Nullpunktenergie, Selbstentfremdung und Entwurzelung entlehnt. Immer wieder taucht der Wolf als Sinnbild für Stärke und Dominanz auf. Gelegentlich vermischen sich auch esoterische und pseudowissenschaftliche Begriffe.
“Die Hauptseele liegt im Blut, aufgrund des 98%-gen Anteils der Wassermoleküle. Der Mensch ist Teil der Natur und ist wie alles in der Natur Materie.” , ist auf einer rechtsradikalen Seite aus Brandenburg zu lesen.

Revisionisten und Rechte Thinktanks

Auf
Horst Mahlers Seite
deutsches-kolleg findet man viele Beispiele für revisionistische Sprache, die sich gern oberflächlich wissenschaftlichen Ausdrücken und Arbeitstechniken bedient. Relativierung, Verschleierung, Mythenbildung und Ausgrenzung sind typische Arbeitstechniken der rechten Revisionisten. Sie erstellen Listen indizierter Bücher und Zeitschriften aus dem Dritten Reich und veröffentlichen diese im Internet. Sie leugnen die Verbrechen der Nazi-Zeit und deuten historische Fakten um. Der 08. Mai 1945 wird oft als
Tag der Ehre bezeichnet. Zeitungsartikel werden verstümmelt zitiert und rezensiert. Fast immer greift man auf eine emotionale Sprache zurück und appelliert an das “Wir”-Gefühl der Menschen. Auffällig oft werden Lehnübersetzungen englischsprachiger Wörter eingeführt. Aus der e-mail wird die
e-Post, aus dem Internet das
Weltnetz und aus Links werden Verweise. Das Copyright wird zum Kopierrecht und eine Band zum Tanzorchester.

Die Neue Rechte gibt sich globalisierungskritisch

Schon seit längerer Zeit bemächtigen sich Rechtsradikale der Sprache der linken Bewegung und verfremden sie. Aus der Parole “Hoch die internationale Solidarität” wurde “Hoch die nationale Solidarität”. Aus Freiräumen wurden nationale Freiräume, als Synonym für national befreite Zonen. In Anspielung auf die Benefiz-Veranstaltung “Rock gegen Rechts” entstand die Website “Rock gegen Zog”.
ZOG ist die Abkürzung für “zionistic occupied government”. Eine in Berlin ansässige Zelle nennt sich “Autonomer Widerstand”. Außerdem wurde ein “Nationaler Ermittlungsausschuss” als telefonischer Rechtsbeistand eingerichtet. Die Abkürzung
ACAB (All Cops are Bastards) oder Bezeichnungen wie
Tag X,
Imperialisten,
Aktivisten,
Repression und Ausgrenzung wurden 1:1 übernommen. Seit 2002 werden Seiten und Strukturen des unabhängigen Nachrichtennetzwerks
Indymedia imitiert. Ein Beispiel hierfür ist die Domain
altermedia.info. Während das Layout der globalisierungskritischen Indymedia-Seiten vollständig übernommen wurde, verzichtet man jedoch auf die dort übliche
Open-Publishing Funktion. Stattdessen werden in erster Linie Beiträge aus dem rechten
Störtebeckernetz zweitveröffentlicht. Tippt man in das Adressfenster eines Browsers Indimedia statt Indymedia, gelangt man auf die Seite der freien
Burschenschaft Saxo-Silesia. Surft man auf Seiten wie keine-Agenda2010 oder gegen-globalisierung, stößt man auf ein “nationales und soziales Aktionsbündnis”. Parolen wie “Unsere Agenda heißt Widerstand” oder “Nein zu Agenda 2010. Ja zu sozialer Gerechtigkeit” sind auf diesen Seiten keine Seltenheit. Der Inhalt wird meist von den Seiten verschiedener Sozialforen übernommen und ergänzt. Auch findet man Aufrufe zur Montagsdemonstration der MLPD und Aktionen der Agenturschlusskampagne.

Unterwandern, Pöbeln, Provozieren

Im Jahr 2003 tauchte auf
democracy online today, einem studentischen Politsimulationsprojekt, eine Partei namens F.U.N. auf. Hinter dem Kürzel verbarg sich jedoch keine Spaßguerrilla, sondern eine rechtlastige Internetpartei. F.U.N. stand hier für “Freiheitlich – unabhängig – national”. Die Initiative um den NPD-Funktionär Winfried Krauß wurde nicht nur von den rechten Parteien NPD, DVU und REP, sondern auch von sogenannten Nationalanarchisten und Christdemokraten unterstützt. Anhänger aus bürgerlichen Parteien werden gelegentlich als “nationale Exponenten” bezeichnet.

Subtile Förderung von Gewaltbereitschaft und Auflehnung

Rechte Sprache im Internet zielt darauf ab, Gewaltbereitschaft und die Auflehnung gegen die Regierung, Migranten und Linke zu normalisieren. Dies geschieht und meist sehr unterschwellig. Inwieweit sie bewusst eingesetzt wird, ist schwer zu beurteilen. Demokratie wird mit sprachlichen Mitteln diskreditiert und eine autoritäre Gesellschaftsentwicklung befürwortet. Kriegs- und Katastrophenrhetorik schaffen ein künstliches Gefühl der Bedrohung. Revisionisten zielen auf eine Umerziehung der Menschen durch pseudowissenschaftliche Gegengutachten ab. Es wird eine abstufende Linie zwischen “Wir” und den “Anderen”, zwischen “Innen” und “Außen” gezogen. Anhänger antisemitischer und rassistischer Ideologien sind sich der Kontrolle durch Behörden und die Öffentlichkeit bewusst. Sie achten darauf, die Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit nicht zu überschreiten. Damit vermeiden sie Strafverfolgung und Repressalien.

G.Türk, Himmler, HaSSan: Rechte in Newsgroups und Foren

In Foren und Newsgroups werden meist Nicknames verwandt, die auf den ersten Blick wie reale Namen aussehen. Gelegentlich enthalten die Spitznamen direkte oder verdeckte Hinweise auf die Gesinnung des Users. Beispiele sind “G. Türk” oder “HaSSan”. Das Auftreten in großen Foren, Communities und Open Posting-Systemen erfolgt meist in kleinen und koordinierten Gruppen. Das massive Auftreten in öffentlichen Foren und die Erwähnung von rechten Websites wird benutzt, um das Ranking der Seiten und Schlüsselwörter in Suchmaschinen aufzuwerten.

Fazit

Rechte Sprache im Internet ist vielfältig. Spätestens beim zweiten Blick enttarnt sie sich jedoch von selbst. Die Texte richten sich in letzter Zeit oft an das breite konservative Bürgertum und jugendliche Lifestyler, die in ihren politischen Ansichten noch nicht gefestigt sind. Anhand der gegenseitigen Verlinkung und Userprofile kann man jedoch erkennen, dass die Nutzer rechtsradikaler Websites bereits in diesen Strukturen fest eingebunden sind. Häufig werden Schlagwörter benutzt, die mit einem einfachen Wort einen komplizierten Sachverhalt erklären. In vielen Fällen erinnern Texte auf rechten Websites an die Berichterstattung der Boulevard-Presse. Die Gefahr der rechten Sprache liegt in erster Linie in der Einwirkung auf das öffentliche Meinungsbild.

Literatur

Armin Pfahl-Traughber: “Rechtsextremismus in der Bundesrepublik.” Beck, München 2001.

Stöss, Richard: “Rechtsextremismus im vereinten Deutschland.” 3., aktualisierte Auflage, Berlin 2000.

Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.): “Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus.” Wien 1994.

Bibliographien zum Thema Rechtsextremismus auf
IDGR und
doew.at

WolfgangNeugebauer: Strukturen rechtsextremer Organisationen und deren Bereitschaft zur Gewalt (DÖW)