Digitaler Aufholbedarf in deutscher Politik, JMStV reloaded, das trojanische Pferd des Leistungsschutzrechts, das Netz als Massenvergewisserungswaffe, Übergriffe auf Online-Journalisten und das GuttenPlag-Wiki – dies und mehr in der Linkliste.
Digitaler Aufholbedarf in deutscher Politik
Im Online-Debattenmagazin The European fordert Gunnar Sohn die Einführung eines Informationsministeriums. Er befürchtet, dass Deutschland den Anschluss an die Zukunft des Internet verpasse. Die Datenautobahn müsse ebenso umfangreich wie das Autobahnnetz in den 60er Jahren (Stichwort: Wirtschaftswunder) ausgebaut werden. Die Altherrenriege in den Ministerien agiere viel zu statisch.
Der Sozial- und Medienpädagoge Jürgen Ertelt setzt sich im Blog Medienpädagogik mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) auseinander. Dabei entwickelt er Perspektiven und Strategien für den nächsten Anlauf zur Neufassung des JMStV. Konkret fordert Ertelt u.a. mehr Lobbyarbeit für demokratische Netzinteressen und eine frühzeitige Einbindung aller Interessensgruppen in den Novellierungsprozess. Auch re:publica und Politcamp sollten sich des Themas verstärkt annehmen.
Das trojanische Pferd des Leistungsschutzrechts
In NZZ Online setzt sich Philipp Otto kritisch mit dem von deutschen Pressehäusern geforderten Leistungsschutzrecht auseinander. Die Verlage fordern darin eine staatlich sanktionierte Abgabe für die gewerbliche Nutzung ihrer gratis zur Verfügung gestellten Online-Texte. Auch der Dienst “Google News” sei ihnen ein Dorn im Auge. Dabei werde über “Google-News” ein Großteil des Traffics auf Verlagsseiten generiert und die Verlage könnten durch Paid-Content-Modelle oder Werbung beachtliche Einnahmen erzielen. Statt auf ein Leistungsschutzrecht zu pochen, sollten die Verlage vielmehr auf zukunftsfähige Geschäftsmodelle setzen.
Interview: Open Data in der EU
In einem Interview mit Werner Reiter von thegap bekennt sich Neelie Kroes, EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, klar zu eGovernment und OpenData. Sie legt dar, dass beiden Themen viel Raum in der Digitalen Agenda der EU gegeben wurde. OpenData werde laut Kroes bereits praktiziert: z. B. in punkto statistischer Daten via Eurostat oder einer Online-Datenbank mit allen EU-Gesetzen. Entsprechende Datenkataloge und Portale würden aufgebaut und erweitert werden.
Das Netz als Massenvergewisserungswaffe
Die Aufstände in Ägypten und Tunesien zeigen das Internet als Massenvergewisserungswaffe, meint Jörg Wittkewitz im Magazin Telepolis. In diesem Zusammenhang fragt er sich, ob Journalisten damit überfordert seien, das Netz und seine politische Sprengkraft richtig einzuschätzen oder sich vor allzu trivialen und reduzierenden Modellen scheuen würden. Wittkewitz nimmt vor allem Bezug auf Theorien von Clay Shirky (= funktionale Betrachtung) und Peter Kruse (= Systemtheorie). Das Volk nehme sich im Netz als eigenständige Realität wahr, die neben den offiziellen Wahrheiten zumeist ein ganz anderes Leben führe.
E-Partizipation in Politik & Verwaltung
In einem Beitrag bei eGovernment Computing sprechen sich Giordano Koch und Maximillian Rapp für einen verstärkten Einsatz von E-Partizipation in Politik und Verwaltung aus. Die zunehmende Verbreitung von Internet, Social-Media- und Web-2.0-Anwendungen eröffne neue Möglichkeiten der Interaktion zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern. Diese Online-Instrumente müssten von staatlicher Seite weitaus mehr als bisher genutzt werden, um Bürger in politische Entscheidungen einzubinden. Der Einbezug der “Wisdom of the Crowd”, der Intelligenz der breiten Masse, ermögliche neue Wege, die zuvor versperrt gewesen wären.
Attacken auf Online-Journalisten anno 2010
Danny O’Brien analysiert in einem Artikel bei CPJ die Übergriffe auf Online-Journalisten im Jahre 2010. Dabei nimmt er auch bestimmte Länder in den Fokus, in denen Zensur und Schikane gegen den Online-Journalismus besonders ausgeprägt seien. So würden z. B. in China Journalisten traditionell von der Regierung beobachtet, sei es bezüglich ihrer elektronischen Aktivitäten, Telefonate oder Bewegungen. Die staatliche Praxis landesweiter Sperrungen von Medien-Websites, wie in Iran oder China, greife laut O’Brien nun auch auf Länder wie Ruanda über, in denen die Internetnutzung noch nicht sonderlich verbreitet sei.
Bei Focus Online stellt Claudia Frickel das GuttenPlag-Wiki vor. Die Plagiatsverdachtsfälle in Guttenbers Doktorarbeit nahmen bisher unbekannte Internetnutzer zum Anlass, eine Wiki-Seite zu erstellen. Im Stile der Kollaboration kann dort jeder Interessierte vermeintliche Plagiate aus der Doktorarbeit von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg veröffentlichen. Frickel verweist darauf, dass diese Aktion ein Vorbild in Großbritannien habe, wo der Guardian britische Leser darum bat, bei der Auswertung von 400.000 Spendenquittungen britischer Parlamentarier mitzuhelfen.