Militär vs. Demokratie in Ägypten, Anonymous ruft zu “Offline-Demo” auf, Plädoyer für bessere Diskussionskultur im Netz, elitärer Hahnenkampf beim CCC – dies und mehr in der Digitalen Presseschau.
Bei unserer wöchentlichen Suche nach lesenswerten Beiträgen der vergangenen Woche stießen wir auf einen Artikel zum Arabischen Frühling, der einstimmig zum Sieger erkoren wurde. Darin geht es um die Verhaftung des ägyptischen Bloggers Maikel Nabil und deren Bedeutung für die Revolution.
“Wir lassen uns die Revolution nicht stehlen”
Anhand der Geschichte eines Einzelschicksals zeigt Annabel Wahba in einer spannenden Reportage bei Zeit Online auf, dass das alte System in Ägypten trotz des Sturzes von Machthaber Mubarak noch nicht am Ende ist. Im Mittelpunkt des langen, aber sehr lesenswerten Beitrags steht das Schicksal des Bloggers Maikel Nabil, der von einem Militärgericht zu drei Jahren Haft verurteilt wurde. Die Autorin besuchte ihn im El-Marg-Gefängnis, wo er seit mehr als vier Monaten einsitzt, weil er das Militär kritisierte. Der Vorwurf: Beleidigung und Falschinformation.
Auf Platz 2 landete ein Beitrag von Patrick Beuth, ebenfalls bei Zeit Online. Der Autor berichtet von einer eher seltenen Aktion der Hackergruppe Anonymous. Diese rief in San Francisco zu einem “physical protest” in Form einer „Offline-Demo“ auf. Der Grund dafür: Die kalifornische Bahnbehörde BART hatte den Mobilfunk-Empfang in Einrichtungen ihres Schnellbahn-Netzes teilweise gekappt, um Proteste gegen ihre eigens beschäftigte BART-Polizei zu verhindern. Diese hatte zuvor einen Betrunkenen in einer U-Bahn-Station erschossen und war dafür massiv kritisiert worden. (Zum selben Thema gibt es hier weiterführende Videos.)
Plädoyer für eine bessere Kommunikationskultur
Der Journalist Frank Patalong bemängelt bei Spiegel Online die verkommene Diskussionskultur im Netz und fordert eine größere Selbstbeherrschung bzw. Selbst-Kontrolle der Nutzer. Dies müsse allein schon deshalb geschehen, um weiterhin frei und ohne Zensur und Aufsicht durch kontrollwütige Politiker agieren zu können. Abschließend verweist er noch auf zwölf vom Deutschen Knigge-Rat verfasste Verhaltensregeln für die Online-Kommunikation.
Freie Meinungsäußerung im Netz
Vor dem Hintergrund des Arabischen Frühlings schreibt Alison Craiglow Hockenberry von der NGO Ashoka in einem Artikel bei der Huffington Post, dass soziale Dienste wie Facebook und Twitter in bestimmten Teilen der Welt überhaupt keine Rolle für die Wahrnehmung freier Meinungsäußerung spielen – solange fünf Milliarden Menschen noch immer auf einen Internet-Zugang warten. Die Autorin berichtet über die Bemühungen zivilgesellschaftlicher Organisationen, diese Situation zu ändern. Zugleich wirbt sie dafür, bis zum 14. September eigene Ideen bei Ashoka einzureichen, um zu Lösungen beizutragen.
Am vergangenen Wochenende hatte der Vorstand des Chaos Computer Club (CCC) den OpenLeaks-Gründer Daniel Domscheit-Berg aus dem Verein ausgeschlossen. Der ehemalige WikiLeaks-Mitarbeiter schade dem Verein, hieß es in einer Presseerklärung. Mit diesem Eklat beschäftigt sich Philip Banse bei dradio.de und hinterfragt die eigentlichen Gründe der Entscheidung. Wer wissen will, warum er diese scheinheilig findet, sollte seinen Artikel lesen.
Geisteswissenschaftler, wacht auf!
Auf den sechsten Platz unserer Digitalen Presseschau schaffte es ein Interview von Julia Siedelhofer mit dem Kulturwissenschaftler Michael Seemann. Dieser hatte im Laufe der Woche in seinem Blog mit einer pauschalen Kritik an der Internetunfähigkeit von Geisteswissenschaftlern eine kontroverse Debatte losgetreten. Im Interview erläutert er seine umstrittene Auffassung.