Syriens Medienlandschaft, Überwindung des digitalen Grabens, Anonymität in sozialen Netzwerken – dies und mehr in unserer aktuellen Digitalen Presseschau.

Auch am heutigen Freitag hat die politik-digital.de-Redaktion einige sehr lesenswerte Artikel der vergangenen Woche zusammengetragen. Hier folgen unser Favoriten von Platz 1 bis 6:

Die Neuen Medien in Syrien

Sieger dieser Woche ist ein Artikel über die Nutzung von Internet und Medien im zur Zeit arg gebeutelten Syrien. Das syrische Regime geht seit Wochen mit härtester Gewalt gegen Demonstranten vor. Die Bloggerin Marcelle Shewara berichtet dem Deutschland Radio, wie die Neuen Medien in ihrer Heimat zu Leitmedien werden. Nur ihnen würden die Menschen noch trauen, da die syrische Medienlandschaft nur oberflächlich betrachtet breit gefächert sei. Wenn man aber genauer hinschaue, stelle man fest, dass die meisten Medien für die Regierung und nicht für das Volk berichten. Sie sieht die Aufgabe der Blogger darin, eine Öffentlichkeit herzustellen und den Menschen den Glauben an sich selbst zurückzugeben. Dank Internet könne man zum ersten Mal das Land nicht nur von Innen, sondern auch von Außen betrachten und so die tatsächlichen Missstände aufdecken. Ein sehr lesenswerter Artikel zum aktuellen politischen Geschehen.

“Ich wünschte mir, unsere Politiker würden #iminternetgeboren.”

Die CDU-Politiker Uhl und Kauder machten sich unter Netzaffinen durch Aussagen wie: “In Wahrheit wurde diese Tat [Anschlag in Oslo] im Internet geboren.” oder “Es ist Mode geworden, die Freiheitsrechte des Bürgers in den Vordergrund zu stellen” nicht gerade beliebt. Sie ernteten vielerseits Spott durch beispielsweise die Hashtags #iminternetgeboren und #modegeworden auf Twitter. Der Artikel auf sueddeutsche.de beschreibt den Generationskonflikt, der sich an den Reaktionen ablesen lässt, und erklärt, wie dieser vor allem durch die Angst vor dem Fremden ausgelöst werde. Auf dem ZDF-Blog Hyperland wird daher gefordert: „Reißt Euch endlich zusammen!“. Statt die Unwissenden oder Ignoranten in Politik und Wirtschaft mit Hohn zu überschütten und damit deren Meinung über den rechtsfreien Raum Internet zu bestätigen, solle die sogenannte digitale Boheme lieber auf sie zugehen und versuchen, ihnen das Netz näher zu bringen.

Lieber anonym als verfolgt

Jillian C. York beschreibt in ihrem Artikel auf Zeit Online sehr anschaulich, warum Anonymität auf Plattformen wie Facebook und Goggle+ wichtig für freie Meinungsäußerung und Vielfalt ist. Anonymität sei ein „Schutzschild vor der Tyrannei der Mehrheit“, zitiert sie den US-Richter John Paul Stevens. Dies gelte für Revolutionäre in der arabischen Welt genauso wie für Prominente, Politiker, Missbrauchsopfer, Homosexuelle und viele andere Menschen, die Angst vor seelischem oder gar körperlichen Schaden haben, wenn sie ihre Meinungen oder Anliegen öffentlich unter ihrem Realnamen kundtun. Die Direktorin der Electronic Frontier Foundation (EFF) wirft hier die wichtige Frage auf, welche digitalen Bürgerrechte die sozialen Netzwerke ihren Nutzern gewähren sollten. Dafür gibt es von uns in dieser Woche Platz 3.

Die Zukunft des Internet?!

Anlässlich des 20. Geburtstags des Internet bringt Spiegel Online eine dreiteilige Reihe mit dystopischen Zukunftsszenarien für das Netz. Im ersten Teil stellt Ole Reißmann vor, wie die Angst vor Cyberattacken und der Ruf nach mehr Kontrolle zunehmen werden, das Militär die Gelegenheit nutzen und an die Macht gelangen wird und das Internet nur noch aus einzelnen staatlich kontrollierten Ländernetzwerken bestehen wird. Im zweiten Teil malt Reißmann sich aus, wie Online-Konzerne ihre Macht ausweiten und schon bald nicht nur die gesamte On- sondern auch Offlinewelt der Nutzer organisieren werden. Der letzte Teil der Serie entwirft das Szenario von der Stagnation des Marktes, da keine neuen Firmen gegen die bestehenden Online-Monopole werden ankämpfen können. Die Regierungen würden die Großkonzerne zerschlagen und so könnte für einen kurzen Augenblick „alles wieder denkbar sein im Netz der unbegrenzten Möglichkeiten“. Horrorszenarien oder bald schon Wirklichkeit? Interessante Entwürfe, die zum Nachdenken anregen, sind es allemal.

Internet für oder gegen die Demokratie?

Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) schrieb in dieser Woche über die Illusion vieler Internetoptimisten, soziale Netzwerke allein könnten Diktaturen stürzen, und über Freiheitskämpfer, die in Wirklichkeit keine sind. Heribert Seifert erinnert in seinem Artikel daran, dass das Internet neben den nicht von der Hand zu weisenden Erfolgen sozialer Netzwerke im Kampf gegen repressive Regime auch eine Vielzahl an Möglichkeiten für diese Regierungen böte, es für sich zu nutzen. Außerdem geht der Autor darauf ein, dass eine große Zustimmung im Internet nicht ausreiche, um einen Regimewechsel herbeizuführen. Ein „Gefällt mir“-Klick könne eine Demonstration auf der Straße nicht ersetzen. Auch sollte man das Engagement von Staaten wie den USA kritisch hinterfragen, fordert Seifert, schließlich beschnitten diese selbst die Freiheiten ihrer Bürger im Netz.

OpenPetition.de und der neue Personalausweis

Ebenfalls zu unseren Favoriten der Woche gehörte ein Artikel über das Portal openPetition.de, auf dem man seit einigen Tagen mit Hilfe des neuen E-Personalausweises verbindliche und verifizierte Unterschriften im Internet abgeben kann. Spiegel Online berichtet, dass sogenannter „Slacktivism“ – also die Bereitschaft, sich nur bei solchen Aktionen zu engagieren, die wenig Anstrengung wie einen Klick erfordern – damit verhindert werden soll. Allerdings werde die Plattform bislang nur unzureichend genutzt und zeichne sich eher noch durch die Quantität als die Qualität der Beiträge aus. Auch an den Bundestag soll man auf der neuen Plattform Petitionen richten können. Dieser hat zwar eine eigene Petitionsplattform im Internet, nutze für diese aber aus Angst vor Datenklau nicht die elektronische Ausweisfunktion.