Kunst auf CD
Nach dreijähriger Sanierung wurde die Alte Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel Ende 2001 neu eröffnet. Zur Einweihung haben die Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (SMPK) einen Gesamtkatalog sowie eine CD-ROM herausgegeben. Anstatt sich also den langen Warteschlangen vor der Alten Nationalgalerie auszusetzen, kann man während des ersten großen Ansturms gemütlich vom Desktop zu Hause in den Genuß der wunderbaren Kunstsammlungen gelangen.
Mit über 2000 Bildern und 900 Kurzbiographien der Künstler ist die CD ein hervorragendes multimediales Nachschlagewerk zur Kunst des 19. Jahrhunderts, von der Romantik bis zum Sezessionsstil.
“Mit einer Datensammlung von dieser Größe stehen wir im internationalen Vergleich gut da”, erklärt Dr. Andreas Bienert von der Abteilung Information und Kommunikation der SMPK. Das Pariser Louvre oder das Metropolitan Museum of Art in New York verfügt jedenfalls nicht über derartiges Angebot. Möglichst komplett sollte die CD sein, heißt sein Credo. Gemeinsam mit dem deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte in Marburg habe man sich auf ein puristisches Layout geeinigt. Der Vorteil dabei sei, dass die Benutzeroberfläche verschiedenen Bedürfnissen gerecht werde. So können Kunstexperten und interessierte Laien gleichermaßen davon Gebrauch machen. Zwar sollen mit der CD-ROM gerade junge Leute angesprochen werden, so Anne Wagner-Junker von der Alten Nationalgalerie. Auf interaktive Elemente wurde jedoch bewusst verzichtet. Bienert betont: “Unser Anspruch war es, die schiere Masse der Sammlung zu dokumentieren”.
Wer noch nicht die Möglichkeit hatte, den Tempel der vornehmlich deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts zu betreten, kann sich mit der CD-Rom einen Vorgeschmack verschaffen. Dabei verrät sie mehr über die ursprüngliche Originalsammlung als die Ausstellung selbst. Auf der CD vertreten sind nämlich alle Werke, die einst im Besitz des Museums waren, also auch die in Kriegswirren verschollenen oder zerstörten 628 Gemälde der ursprüngliche Kollektion.Die CD-Rom ist gut strukturiert und bietet eine verständliche, benutzerfreundliche Navigation. Neben allgemeinen Informationen zur Geschichte der Alten Nationalgalerie und ihrer Sammlung kann der Anwender die Bilder, nach Künstlern oder nach Themen geordnet, auf den Bildschirm rufen. Diese zwei unterschiedlichen Arten der Kategorisierung haben einen entscheidenden Vorteil: Wer sich zum Beispiel nach dem Besuch der Ausstellung nur noch an ein Motiv erinnern kann, nicht aber an der Künstler oder Titel des Bildes, der kann über thematische Indizien das Bild wiederfinden. In neun Fächern sind die Gemälde nach Themen unterteilt, die im weitesten Sinne mit Natur, Geschichte, Literatur oder der Bibel in Verbindung gebracht werden könnten. Natürlich kann man auch die Suchmaschine der CD bemühen. In eine leicht bedienbare Maske gibt man Stichworte zur Art des Werks, Entstehungsort oder -datum ein. Relativ schnell wird dann auf ein Objekt der Sammlung verwiesen. Die Suche ist zwar nicht immer von sofortigem Erfolg gekrönt, man kann aber am Ende viel Zeit sparen, wenn man nicht alle 2471 Werke der Bestandsdokumentation einzeln durchgehen will.
Eine große Bereicherung bedeutet die CD-ROM in jedem Fall für alle Kunstschüler- und studenten. Neben einer kurzen Beschreibung und Ausstellungshinweisen zu jedem Bild, finden sich Biographien und jede Menge Literaturquellen zu den jeweiligen Meistern und ihren Werken. Der pädagogische Mehrwert für faule Studenten: Die eingebaute Kopiersperre verhindert das Schreiben von Haussarbeiten nach der Copy & Paste Methode. Natürlich sind alle Texte und Bilder urheberrechtlich geschützt, die Rechte liegen zum größten Teil bei der SMPK.
Ein originelles, wenn auch nicht unbedingt notwendiges Spielzeug sind außerdem das Lichtpult und die Sammelmappe, in die man Bilder und Textdokumente nach Wahl ablegen und dann in dieser Konstellation wieder aufrufen kann. Dies erlaubt zum Beispiel den Vergleich mehrer Werke, die aufeinander Bezug nehmen oder in gemeinsamer Tradition stehen.
Die Systemvoraussetzungen der CD-ROM sind Standard; allerdings funktioniert der Datenträger nur auf PCs und nicht auf Macintosh-Computern. Aus Kostengründen wurde auf eine Version für den Mac verzichtet. Eigentlich ist am falschen Ende gespart, wenn man bedenkt, dass ein Großteil der User, die sich professionell oder in der Freizeit mit Kunst und Bildverarbeitung beschäftigen, den Mac bevorzugt. Wer die CD-ROM auf seinem PC abspielen möchte, muss mindestens mit Windows 98 ausgestattet sein. Gefordert sind außerdem 30 MB freier Festplattenspeicher und 800x 600Pixel/16 BIT.
Da die CD-ROM auf XML basiert, ist sie inkompatibel mit dem Netscape Communicator. Allerdings befindet sich der Internet Explorer mit auf der CD und kann nachinstalliert werden.
Alles in allem ist die CD-ROM eine echte Bereicherung zur Ausstellung. Sie bereitet den Museumsbesuch inhaltlich interessant vor, eignet sich auch sonst als umfangreiches Nachschlagewerk und vor allem macht sie Lust auf mehr Kunst. Beim Kauf des Silberlings sollte der Kunstbegeisterte sich jedoch kein X für ein U vormachen lassen. Der Ausstellungskatalog zusammen mit der CD-ROM kostet deutschlandweit im Buchhandel stolze € 35. Wer jedoch direkt im Museumsshop zuschlägt, kann das gleiche Packet für € 19,90 ergattern. Die CD-ROM ist dort auch einzeln zum Preis von € 12,90 erhältlich. Und wenn man dann schon einmal da ist, lohnt es sich sicher, die Bilder auch im Original anzuschauen.