Kommunikation ist so einfach wie nie. Durch die technische Weiterentwicklung in den letzten Jahrzehnten können wir Smartphones und Social Media nutzen, um Kontakt zu Freunden und Familie zu halten. Große Distanzen und teure Telefonpreise sind kein Hindernis mehr. Freundschaften werden so stärker – nicht schwächer.

Seit jeher ist Kommunikation zwischen Menschen unerlässlich für ein funktionierendes Sozialleben. Doch die Kommunikationswege haben sich in den vergangenen Jahrzehnten enorm verändert. Sie sind einfacher geworden. Facebook, Whatsapp, und Co. sind in unser Leben getreten. Wir benötigen weder Brieftauben, um Kontakt zu Familie und Freunden aufzunehmen, noch 37 Kilo schwere Handys. Aber was bedeutet das für unsere Freundschaften? Es ist fraglich, ob all unsere Facebook-Kontakte tatsächlich unsere Freunde sind, aber womöglich bedeutet Freundschaft von früher auch nicht mehr das, was sie vor ein paar Jahrzehnten bedeutete.

Zeitreise der Kommunikation

Während die Briten im 2. Weltkrieg noch über 250.000 Brieftauben zur Kommunikation miteinander einsetzen, wird 1946 bereits der erste Telefonanruf von einem Handy getätigt. Dass sich die Briten zuvor für die Brieftauben entscheiden, ist vermutlich nicht unklug – das erste Handy wiegt fast 37 Kilogramm. Heute können wir glücklicherweise auf die gefiederten Freunde verzichten. In den USA telefonieren heute über 34.000 Menschen pro Sekunde. 1971 kommt das Internet ins Spiel. Ray Tomlinson verschickt die allererste E-Mail. Auch wenn diese nur die kurze Distanz von einem Meter zu überwinden hat, stellt sie eine Revolution in der Kommunikation dar. Heute werden über 100 Trillionen Mails pro Jahr verschickt. Die Geschichte geht weiter mit der ersten SMS im Jahr 1992. Sie enthält die Nachricht „Frohe Weihnachten“ und geht an den Firmenchef von Vodafone. 2011 wurden 8.000.000.000.000 SMS verschickt. 1995 beobachten wir die Fusion des Internets und der Handy-Telefonie. VocalTec bringt Voice-over IP zur kommerziellen Nutzung auf den Markt und nennt es „Internet Phone“.

Mit TheFacebook setzt Mark Zuckerberg 2004 das Web 2.0 oder auch Social Media durch. Das Sozialleben wird nun nicht mehr allein durch Nachrichten, sondern auch durch Posts, Likes und Selfies aufrechterhalten. 2012 wurden täglich 250 Millionen Bilder hochgeladen und Facebookseiten-Zugriffe machen 20 Prozent des gesamten Webtraffic aus. Endgültig revolutioniert wird die Kommunikation jedoch durch Smartphones. Während es im Jahr 2007 „nur“ 500 Millionen internetfähige Handys gibt, werden sie 2012 bereits von 1.06 Milliarden Menschen genutzt – Tendenz steigend. Mit den Smartphones werden Apps wie der Facebook Messenger, Snapchat und insbesondere WhatsApp populär. SMS sind nun nicht nur zu teuer, sondern auch viel zu spartanisch. Sie verlieren an Bedeutung. Die rapide technische Weiterentwicklung hat die Kommunikationsmöglichkeiten im 21. Jahrhundert revolutioniert. Aber welchen Einfluss haben diese neuen Optionen auf unser Sozialleben? Entstehen Freundschaften so schneller? Halten sie länger? Was ist überhaupt Freundschaft?

Die einzig wahre Freundschaft

Aristoteles zufolge muss zunächst zwischen gleichen und ungleichen Freundschaften unterschieden werden. Letztere beschreiben beispielsweise das Verhältnis zwischen Familienmitgliedern. In gleichen Freundschaften verfügen beide Personen über dieselben Handlungsmöglichkeiten, die den Diskurs relativ herrschaftsfrei ablaufen lassen. Zudem wünschen sie sich beide dasselbe. Letztlich kommt es nach Aristoteles aber auf die Ursache der Zuneigung füreinander an. Hier differenziert er zwischen drei Arten:

Die Nutzenfreundschaft existiert lediglich aufgrund eines Zweckes. Fällt dieser Zweck weg, ist die Freundschaft gefährdet. Ein modernes Beispiel hierfür wären Arbeitskollegen, die sich im Büro sehr gut verstehen, aber außerhalb der Geschäftszeiten praktisch keine gemeinsamen Aktivitäten oder Kontakt pflegen. Die zweite Art ist die Lustfreundschaft. Die Freundschaft wird in diesem Fall durch ein bestimmtes Interesse, wie beispielsweise Basketball spielen, Horrorfilme sehen oder eine gemeinsame Musikrichtung ausgemacht. Beide Freundschaftsarten sind nach Aristoteles leicht lösbar und nur temporär, da sich die Objekte des Nutzens und der Lust für Menschen ändern.

Die einzig wahre und den ersten beiden überlegene ist die die Tugendfreundschaft. Sie fußt auf der Tugendhaftigkeit beider Personen, die nicht nur Nutzen und Lust, sondern auch das Gute im jeweils anderen suchen und finden. Es bedarf Zeit und Gewohnheit des Zusammenlebens zur Bildung eines solchen „Herzensbundes“. Außerdem kann man nicht eher aneinander Gefallen finden, und Freundschaft schließen, bevor durch gemeinsame negative und positive Erfahrungen gegenseitiges Vertrauen und Zuneigung geschaffen wurde.

827 Facebbok-„Freunde“

Böse Zungen behaupten diese dritte Form der Freundschaft könne gar nicht mehr existieren. Denn wie sollten 827 Facebook-„Freundschaften“ tatsächlich auf Tugendhaftigkeit beruhen? Suchen und finden wir das Gute in diesen unzähligen Online-Freunden oder basieren sie nicht vielmehr auf Nutzen und Lust? Nicht nur der moderne Freundschaftsbegriff allein wird oftmals in Frage gestellt, sondern auch die Form der Kommunikation. Wir würden uns in die digitale Welt verkriechen, pausenlos mit unseren Smartphones beschäftigt sein und uns lieber über WhatsApp, den Facebook Messenger oder ähnliche Apps unterhalten, anstatt unsere Freunde in der realen Welt zu treffen, behaupten viele. Beim Drang ständig erreichbar zu sein, nichts zu verpassen und nur ja ein Foto der frisch servierten Pizza beim Italiener auf Instagram hochzuladen, kann das Gegenüber schnell einmal in Vergessenheit geraten. Freundschaften seien oberflächlich geworden und Smartphones würden einsam machen.

Bei all den negativen Aspekten der technischen Weiterentwicklung, werden unzählige positive Aspekte gerne von Kritikern – oftmals selbst digital unerfahren – übersehen. Natürlich sind unsere 827 Freunde auf Facebook nicht unsere tatsächlichen Freunde. Der Ausdruck „Facebook-Freund“ hat vielmehr einen eigenen Status erreicht, der in den wenigsten Fällen als wahre Freundschaft zu verstehen ist. Aber sich immer wieder an der Begrifflichkeit zu stören ändert nichts an der Tatsache, dass Facebook uns den Kontakt zu Menschen ermöglicht, die womöglich auf der anderen Seite der Erde sitzen.

Früher war alles besser?

Die Welt ist globalisiert. „Mal eben“ für ein Jahr durch Neuseeland zu reisen, ist für viele nicht mehr unrealistisch. Auf Facebook können wir Freunde und Familie durch Bilder, Videos oder Standortmittleilungen an unseren Reisen teilhaben lassen. Wer seine Bilder und Videos aber nicht im Netz veröffentlichen will, versendet sie einfach über WhatsApp oder lädt sie auf Snapchat hoch. Hier sind sie sogar nur für 24 Stunden sichtbar. So fühlt es sich für die Familie durch Snapchat fast so an, als wäre sie live bei der Reise dabei. Zusätzlich werden wir unzählige neue Bekanntschaften machen. Aber wie Kontakt halten? Die sozialen Netzwerke machen es uns leicht.

Vor 30 Jahren hätte ein Anruf von Übersee nach Deutschland vermutlich die halbe Reisekasse aufgebraucht. Briefe und Postkarten mussten genügen. Diese hatten mit Sicherheit ihren Charme, aber warum auf kostengünstige Kommunikation in Form von Text-, Voice- und Videonachrichten verzichten?

Geographische Flexibilität ist Grundvoraussetzung, um im heiß umkämpften Arbeitsmarkt der modernen Welt bestehen zu können. Schon während des Studiums ist es nicht ungewöhnlich, wenn Bachelor und Master an unterschiedlichen Orten absolviert werden. Wir müssen uns daran gewöhnen, „neu“ zu sein. Sich dann wieder ein Leben aufzubauen und Kontakte zu knüpfen ist nicht immer leicht. Facebook-Gruppen wie „Neu in Berlin“ ermöglichen uns einen direkten Weg dahin. Einfach der Gruppe beitreten, einen netten Gruß posten und schon werden Leute darauf reagieren. Ein Treffen soll organisiert werden? Kein Problem: Einfach eine Umfrage in der Facebook-Gruppe starten oder gleich Handynummern austauschen, um sich im Gruppenchat bei WhatsApp zu organisieren. Gerne wird gesagt wir würden faul werden durch diesen technischen Fortschritt, wir würden verlernen wie man Kontakte von Angesicht zu Angesicht knüpft und wie man diese pflegt. Naja – warum einfach wenn es auch kompliziert geht?

 Herzensbund

Der Begriff des Facebook-„Freundes“ stiftet Verwirrung. Davon abgesehen hat die technische Weiterentwicklung aber nicht dafür gesorgt, dass die Bedeutung von Freundschaften abnimmt. Im Gegenteil – Freundschaften zu pflegen ist viel einfacher geworden. „Aus den Augen, aus dem Sinn“ zählt nicht mehr. Während wir früher zu faul waren, Kontakte über weite Distanzen durch Briefe und unbezahlbare Telefonpreise aufrecht zu halten, ist es jetzt ein leichtes zu erfahren, wie es der Studienfreundin während ihres Erasmus-Jahres in Budapest ergeht. Mit Apps wie WhatsApp sind wir weder finanziell noch technisch beschränkt.

Aristoteles Tugendfreundschaften sind heutzutage genauso gang und gäbe wie vor 5, 20 oder 50 Jahren. Die modernen Medien machen es uns lediglich leichter, unsere Freundschaften zu pflegen. Das Gute im jeweils anderen suchen und finden, durch gemeinsame negative und positive Erfahrungen gegenseitiges Vertrauen und Zuneigung schaffen, einen „Herzensbund“ bilden – all das verschwindet nicht durch Apps und Soziale Netzwerke. Wir müssen uns nur einlassen auf diese neuen Methoden der Freundschaftsfindung, denn die Welt steht nicht still und wir müssen uns mit ihr drehen.

Weitere Beiträge unserer Sommerreihe “Zusammen im Netz – Beziehungen in Zeiten neuer Medien” lesen Sie hier.

Bild: CC0 ju_sajjad0

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