Heute startet das Internetportal wefightcensorship.org, mit dem die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen weltweit staatliche Zensur bekämpfen und die individuelle Meinungsfreiheit stärken will. Wie genau soll das funktionieren?
Immer mehr Menschen benutzen das Internet in totalitären Staaten zur Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Auf der anderen Seite arbeiten aber auch die staatlichen Zensurbehörden in diesen Ländern immer effektiver. Wurden zu Beginn des letzten Jahrzehnts nur zwölf Länder gezählt, die das Internet filterten und ungewünschte Beiträge sperrten, so wird die Zahl von Reporter ohne Grenzen heute, kaum zwölf Jahre später, auf 60 geschätzt. Eine Unterschriftenaktion für die Gleichberechtigung von Frauen im Iran? Von der Regierung aus dem Verkehr gezogen. Ein Video, das Polizeigewalt in Weißrussland dokumentiert? Wieder entfernt.
Auf diese Entwicklung reagiert Reporter ohne Grenzen nun mit der Internetseite wefightcensorship.org. Dort werden zukünftig Texte, Bilder und Videos gesammelt, die in bestimmten Ländern nicht in den Medien auftauchen oder für die ihre Urheber verfolgt werden. Schutzmechanismen wie der Internetdienst TOR (The Onion Routing) sollen dafür sorgen, dass Benutzer und Belieferer der Seite unerkannt bleiben. „Diese Seite ist aber kein zweites Wikileaks“, stellt Matthias Spielkamp, Vorstandsmitglied von Reporter ohne Grenzen in einer Presseerklärung klar. „Wir veröffentlichen kein Rohmaterial, wir prüfen die eingereichten Informationen, und wenn wir Artikel oder Videos online stellen, erklären wir den Zusammenhang, in dem sie aufgetaucht sind und warum sie zensiert wurden.
Dass wefightcensorship.org vom ersten Tag an selbst auf den Schwarzen Listen stehen wird, ist den Machern durchaus bewusst. „Wir wissen, dass die Seiten von Reporter ohne Grenzen in vielen Ländern blockiert werden und ich fürchte, wefightcensorship.org wird da keine Ausnahme sein.“, sagte Pressesprecherin Ulrike Gruska gegenüber politik-digital.de. Neben den herkömmlichen Mitteln zur Umgehung von Netzsperren hofft Reporter ohne Grenzen daher vor allem auf die massenhafte Verbreitung der Seite durch das sogenannte „Spiegeln“: Die Seite ist bewusst so gestaltet, dass sie leicht kopiert und auf anderen Servern hinterlegt werden kann. „Je mehr Kopien an unterschiedlichen Orten es gibt, desto schwerer wird es sein, den Zugang zu wefightcensorship.org komplett zu blockieren.“, hofft Ulrike Gruska.
Das ist aber nicht das einzige Ziel: „In Ländern, in denen die Medien frei berichten,“, so die Pressesprecherin, „wollen wir das Bewusstsein dafür stärken, wie viel schwieriger die Situation in anderen Teilen der Welt ist und wie stark autoritäre Regime versuchen, Informationen zu unterdrücken.“ Dadurch soll auch indirekt auf die jeweiligen Regierungen Druck ausgeübt werden, auf Menschenrechtsverletzungen anderer Staaten außenpolitisch zu reagieren. Schließlich hat die UN im letzten Jahr den uneingeschränkten Zugang zum Internet als Teil der Meinungsfreiheit und somit zum Menschenrecht erklärt. Was könnte besser über den wahren Charakter einer Regierung aufklären, als eine Sammlung der von ihr verbotenen Nachrichten?