Am Freitag veranstaltete Die Zeit eine Konferenz in Berlin über die Auswirkungen der digitalen (R)Evolution auf Wirtschaft und Gesellschaft. Im Zentrum stand die Überlegung, wie wir in Zukunft arbeiten und wie die mobile Kommunikation Arbeitsplätze und Unternehmenskultur verändert.
Die Fragen waren gut gestellt: Vor der zunehmenden Digitalisierung unserer Gesellschaft wollte die Konferenz den Fragen nachgehen, wie Digital Natives in Zukunft leben und arbeiten werden, wie die mobile Kommunikation die Produktivität von Unternehmen beeinflusst und wie sich eine echte Vertrauenskultur im Internet bilden lässt. Dazu wurden zahlreiche Vertreter der Wirtschaft und eine Vertreterin der Gesellschaft eingeladen. Leider standen weder direkt betroffene Mitarbeiter noch so genannte Digital Natives auf der Teilnehmerliste. So unterhielten sich auf der Konferenz Präsidenten, Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführer großer Unternehmen darüber, wie ihre Mitarbeiter die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen – ohne dass diese ihre Perspektive darstellen konnten.

Die Konferenz wurde von Ursula von der Leyen eröffnet, die in ihrer Rede besonders die Chancen betonte, die die Digitalisierung mit sich bringt. Von der Leyens Darstellung moderner Arbeitsabläufe in global agierenden Großunternehmen zeichnete ein äußerst optimistisches Bild des Alltags in deutschen Büros, die Bundesministerin für Arbeit und Soziales sprach aber den Kern der gesellschaftlichen Veränderung an. Für sie ist der Gedanke der Partizipation in die Unternehmenskulturen zu integrieren, damit die positiven Effekte der Digitalisierung genutzt werden können. Im Alltag heißt das für von der Leyen, dass sich zwar die Grenzen zwischen Innen und Außen und zwischen Dauerbeschäftigung und Projektarbeit auflösen, Unternehmen aber eine hochflexible Belegschaft und den Zugang zu einem weltweiten Meer an Fachkräften erhalten.

Ob dies eine Bedrohung oder ein Fortschritt bedeutet, komme darauf an, wie wir als Gesellschaft diese digitale Arbeitswelt gestalten. Im Digitalen lägen zwar die Eintrittsbarrieren niedriger und es gebe einen fast schrankenlosen Zugang zur Arbeitswelt, Unternehmen dürften aber nicht den Fehler machen, im Cloud-basierten Arbeiten vor allem ein Mittel zur Kostensenkung zu sehen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber seien gemeinsam in der Pflicht, eine digitale Arbeitskultur zu entwickeln. Nach von der Leyen soll die Politik diesen Wandel sich ungestört entwickeln lassen, jedoch aufmerksam beobachten. Ihrer Meinung nach ist ein neues und modernes Verständnis von Führung nötig, das Rahmenbedingungen setzt, in denen Menschen und Organisationen sich Veränderungen in der digitalen Welt anpassen können, denn die einzige Konstante in der digitalen Welt sei der Wandel. Deshalb bedürfe es einer Philosophie der Resilienz, des Biegens statt Brechens, und keines Strukturkonservatismus.

Im Anschluss ging der Unternehmensberater und ehemalige Chefredakteur der japanischen Financial Times, Charles Leadbeater, auf seine Vision unserer Arbeitswelt im Jahr 2030 ein. Für ihn ist die Frage entscheidend, ob Technologie für uns als Gesellschaft gedacht ist oder wir Menschen nur noch für die Technologie notwendig sind. Sein Vergleich mit einer Schreibmaschine, einem praktischen Werkzeug, das seine Bestimmung ideal umsetzt, und mit modernen Smartphones, zu denen einige Menschen eine besorgniserregend enge Beziehung entwickelten, verdeutlichte, dass wir schon jetzt Antworten auf die Fragen von morgen finden müssen. In der Zukunft würden wir hoch entwickelte Systeme geschaffen haben, in denen wir einen ebenso hohen Grad an Empathie beherrschen sollten. Hoch entwickelte Systeme, wie soziale Netzwerke als Spiegelbild der Gesellschaft oder eine veränderte Kommunikation , machten einen gewissen Grad an Medien- und Netzkompetenz nötig, die unsere Gesellschaft in öffentlichen Räumen lernen müsste.

In der anschließenden Gesprächsrunde unterhielten sich Ulrich Homburg (Vorstand von DB Mobility Logistics AG), Henning Kagermann (Präsident von acatech), Christian Macht (Groupon Central Europe) und René Schuster (CEO von Telefónica Deutschland) darüber, was die digitale Revolution für die Wertschöpfung bedeutet. Am Nachmittag erörterten Thomas Vollmoeller (Vorstandsvorsitzender von XING), Volker Smid (Vorsitzender der Geschäftsführung von Hewlett-Packard), Thomas Schröder (Geschäftsführer von Microsoft Deutschland) und Sebastian Dettmers (Geschäftsführer von StepStone Deutschland) die Chancen der digitalen Revolution für Unternehmen und Mitarbeiter.

Ohne anwesende Mitarbeiter und nicht frei von Eigenwerbung gegenübr den anderen Wirtschaftsbossen kamen leider nur leere Phrasen heraus wie ″If you got a brain then you are a startup.″ (Schuster), ″Auf Möglichkeiten von Social Media muss man sich als Unternehmen ernsthaft einlassen, sonst wird der Shitstorm immer größer.″ (Homburg), ″Führungskultur wird sich verändern und skandinavischer werden.″ (Vollmer) oder ″Junge Mitarbeiter muss man nicht mehr nach Feedback fragen, die geben es von allein.″ (Schröder). Von praktischen Erfahrungen wurde nicht berichtet und die Eigendarstellungen der Herausforderungen durch die Digitalisierung wirkten oft geschönt. Etwas Praxiserfahrung einer offen darüber erzählenden unteren Angestelltenebene hätte beiden Diskussionsrunden gut getan.

Den Abschluss der Konferenz bildete ein als Generationengespräch titulierte Diskussion zwischen Anke Domscheit-Berg, Gründerin und Inhaberin von fempower.me und opengov.me, und Wolfgang Grupp, alleiniger Geschäftsführer und Inhaber des Textilunternehmens Trigema. Die zwei Gäste hätten mit ihrer Haltung zum Internet und der Digitalisierung unterschiedlicher nicht sein können, doch wurde der Unterhaltungscharakter schnell durch Grupps antiquiertes und sexistisches Weltbild gestört. Zwar lässt Grupp das Internet im Unternehmen nutzen, z.B. für den Betrieb eines Online-Shops oder wenn er E-Mails diktiert bzw. sich ausdrucken lässt, er selbst allerdings möchte sich nicht “vom Internet vergewaltigen lassen” und „mute das auch seinen Mitarbeitern nicht zu“.

Grupp, der für sein erfolgreiches Unternehmen mit einer sozialen Firmenphilosophie bekannt ist (z.B. garantiert Grupp den Kindern seiner Angestellten einen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz), bietet Frauen in seinem Unternehmen sogenannte Mutterschichten für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf an, nicht aber den männlichen Mitarbeitern, denn ″Männer arbeiten doch eh, weil sie dafür sorgen, dass Mutter und Kind Brot und Butter auf dem Tisch haben″. Die netzaffine Unternehmerin Domscheit-Berg wirkte zum Glück von der Existenz derartig extremer Ansichten im Jahr 2012 mehr fasziniert als abgeschreckt, so dass die Diskussion lebhaft zu Ende geführt wurde. Domscheit-Berg betonte anhand des Beispiels Hamburger Transparenzgesetz und persönlich erlebter Mehrwerte durch Social-Media-Kommunikation als positive Beispiele die Chancen der Digitalisierung.

Im Fazit war die perfekt organisierte ZEIT KONFERENZ ein Ort, an dem die richtigen Fragen gestellt, leider aber die ″falschen″ Gäste zur Beantwortung eingeladen wurden. Es ist einer bestimmten Managergeneration nicht zu verübeln, dass sie den digitalen Wandel in ihren Unternehmen zwar noch aus wirtschaftlichen Gründen einführen lassen, ihn aber persönlich nicht so nachvollziehen können, wie jemand, der den Wandel (er)lebt. Gerade angesichts der von der Bundesministerin für Arbeit und Soziales erwähnten Aufwertung externer Projektmitarbeiter wäre die Betrachtungsweise dieser Menschen spannend gewesen, denn sie sind es, die die globale Vernetzung unserer Arbeitswelt am besten repräsentieren und nutzen.

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