Zum Tod von Wau Holland, Gründer des "Chaos Computer Clubs", der am 29. Juli 2001 an den Folgen eines Schlaganfalls starb.
Hertwart Holland-Moritz alias Wau Holland | |
"Ich habe Wau nie zuhören oder gar kennenlernen dürfen. Erst jetzt ist mir bewusst geworden, was für ein Mensch mir entgangen ist". Mit diesen Worten erinnert sich jcl im Kondolenzbuch des "Chaos Computer Club" (CCC) an Herwart Holland-Moritz alias Wau Holland, einer der Gründer der legendären Hackercommunity CCC. Am Morgen des 29. Juli 2001 starb die Hackerlegende an den Folgen eines Schlaganfalls.
Wau Holland hatte viele Namen: "Alterspräsident des CCC", "Vorzeigehacker", "lebende Legende" lauten einige der kursierenden Bezeichnungen. In der Community war er vor allem für sein kompromissloses Engagement bekannt. Wie kein anderer vor ihm setzte sich Holland für den unkontrollierten Zugang zum Internet und die Sicherheit des Netzes ein.
Holland wurde 1952 in Kassel geboren und studierte ein paar Semester Mathematik, Politik, Elektrotechnik und Informatik, ohne jedoch einen Abschluß zu machen. Statt dessen verbesserte er sein Englisch durch die Lektüre von Computerbüchern und schrieb seine ersten Programme. Später zog es ihn nach Berlin, wo er für die taz schrieb. In den Räumen der taz war es auch, wo 1981 der "Chaos Computer Club" ins Leben gerufen wurde, dessen Vordenker Holland bald wurde.
Die ersten "Opfer" des Hackerclubs CCC waren Telefonleitungen, die so manipuliert wurden, dass man kostenlos telefonieren konnte, aber erst 1984 landete der CCC seinen ersten großen Coup: Die Computerfreaks hackten sich in das Computersystem einer Hamburger Bank und überwiesen 135.000 Mark auf ihr eigenes Konto. "Wir wollten Lücken im Computersystem aufzeigen", so Holland zu der spektakulären Aktion. Später gaben die Hacker das Geld freiwillig zurück. In den folgenden Jahren war nichts und niemand sicher vor den Angriffen des CCC: Die NASA fiel den Hackern ebenso zum Opfer wie EC- und D2-Karten. Allen Angriffen war gemein, dass Holland und die anderen Mitglieder des CCC damit bewiesen, dass die angeblich sicheren Verschlüsselungsverfahren mit ein bißchen Fingerspitzengefühl genau so leicht zu knacken waren wie eine Erdnuß. Die von Holland hierzulande etablierte Hackerethik bewahrte die heute 1.400 Mitglieder des CCC jedoch davor, kriminell zu werden. Es war Holland immer wichtig zu zeigen, dass "wir weder terroristisch noch kriminell sind". Statt dessen kann man den CCC vielleicht am ehesten mit einer Verbraucherschutzorganisation für Internet-User betrachten.
Holland, der bei Vorträgen mit Jesuslatschen, phantasievollen Kaftanen aus Afrika und Indien und Handy erschien, war ein Idealist, der es schwer hatte, seinen politischen Überzeugungen neben den spektakulären Hacker-Angriffen Gehör zu verschaffen. Erst in den neunzigern, als die Welle der spektakulären Hacks des CCC abebbte, wurde Holland zunehmend auch als Experte für Netzsicherheit und der gesellschaftlichen Gestalltung der Computertechnologie zu Rate gezogen. Zuletzt betreute der Hobbykoch ehrenamtlich den Internetraum eines Jugendzentrums in Jena und lebte von den Honoraren für Vorträge und Lehrerfortbildungen: "Das ist das Zäheste, aber verdammt wichtig."
Holland war ein radikaler Verfechter der Meinungs- und Informationsfreiheit, sein Vorbild war Henrich Stephan, der Erfinder der Postkarte und Generalpostmeister im Kaiserreich, der den Weltpostvertrag über die Regelung des Briefverkehrs zwischen Krieg führenden Staaten verfaßte. Seine anarchistischen Übezeugungen brachten Holland auch Kritik ein. Unter der Prämisse "Freier Zugang zu allen Informationen" trat Holland für ein regel- (und zügel-)loses Internet ein und plädierte unter anderem für Strafffreiheit für Nazi-Seiten im Netz.
Wau Hollands Tod hat die Netzwelt erschüttert. Aber sein Andenken lebt weiter – zum Beispiel auf der Festplatte von asbesto, der im Kondolenzbuch des CCC schreibt: "I remember you from hackmeeting 1998 in Milan, using my computer. Your account is still working, if you need."