Die Entstehung Freier Software entzieht sich den typischen Wertschöpfungsprozessen des Kapitalismus – vom 1. bis 3. November wurde auf der zweiten „Oekonux-Konferenz“ in Berlin unter dem Motto „Wertfrei und Spass dabei“ diskutiert, ob dies der Ursprung einer freien Gesellschaft sein könnte.



Kein Gebäude Berlins könnte wohl die Oekonux-Forderung nach einer freien Gesellschaft besser untermauern als der labyrinthartige Betonklotz des Mathematikgebäudes der TU-Berlin. Doch trotz des etwas unwirtlichen Veranstaltungsortes konnte sich zwischen Wegweisern zum Fachbereich Diskrete Mathematik und „gemütlichen“ Sitzbereichen aus Beton und orangenen Plastikstühlen eine anregende Diskussion entwickeln.

Das Projekt
Oekonux (Oekonomie & GNU/Linux) beschreibt sich selbst als “Diskussionsprozess zum Thema freie Software und Gesellschaft”. Entstanden ist Oekonux aus einer
Mailingliste, die nach der ersten
„Wizards of OS“-Konferenz im Juli 1999 gegründet wurde. Der Kongress soll in drei Veranstaltungsschienen mit Workshops, Vorträgen und Projektvorstellungen einen Überblick über den Stand des Oekonux-Projektes geben.

„Frei im Sinne von Freiheit“


Freie Software ist nicht gleichbedeutend mit kostenloser Software – das Attribut “Frei” bedeutet, dass Freie Software im Unterschied zu herkömmlichen Programmen von den Nutzenden durch Änderungen des Quelltexts an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden darf – „Frei im Sinne von Freiheit“ wie es der Mitorganisator der Konferenz, Stefan Meretz, bezeichnet. Beispiele für Freie Software sind Betriebssysteme wie Linux oder Anwendungsprogramme wie Gimp, ein Bildbearbeitungsprogramm. Zentrales Ziel von Oekonux ist aber nicht die Forcierung der Entwicklung Freier Software, sondern die Anwendung der Prinzipien der Entwicklung Freier Software auf die Gesellschaft. Durch die freiwillige unbezahlte Tätigkeit der Software-Entwickler und das kostenlose und dennoch qualitativ sehr hochwertige Endprodukt sieht Oekonux die Ware-Wert-Spirale des Kapitalismus durchbrochen. Zentrales Element der Freien Software ist die
GNU General Public License (GPL), eine Lizenz, die die vier wichtigsten Elemente Freier Software schützt, darunter die Freiheit, ein Programm beliebieg zu verändern und verändert an Andere weiterzugeben.

Wer zahlt für 0 und 1?

Neben einer allgemeinen Einführung ist ein Teil des Kongressprogramms der wissenschaftliche Herangehensweise an die Oekonux-Ideen gewidmet. Der Politologie-Professor Sheen S. Levine kommt in seinem Vortrag „Altruism in Cyberspace? The Voluntary Sharing of Goods On-line“ zu dem Schluss, dass die Kommerzalisierung von Tauschsystemen digitaler Inhalte keine Zukunft hat. Seiner Meinung nach wird „was digital ist (…) geteilt, nicht bezahlt“. Auch Michael Bauwens sieht in seinem Vortrag “Using peer to peer as the metaphor for the next paradigm“ das P2P-Modell als Chance für die Strukturierung einer zukünftigen Gesellschaft.

Beispiele der Anwendung

Bei der Übertragung der Prinzipien der Freien Software auf andere Bereiche, erscheint die Idee der Freien Musik als besonders gelungenes Beispiel. In seinem Vortrag „Die Musikindustrie auf dem Weg der Perversion ihrer Kernkompetenz“ beschreibt Marc Fiedler die Möglichkeit, Musik ohne die Hilfe von Vertriebs- und Verwertungsgesellschaften im Internet zu veröffentlichen und zur Weitergabe und Veränderung frei zu geben. Aufgrund der etwas zu kurz bemessenen Zeit musste leider die Diskussion über die Praktizierbarkeit der
OpenMusicLicense, einer spezielle Form der GPL, und über die Frage nach den Einkommensmöglichkeiten hauptberuflicher Musiker, entfallen.

Der Gedanke, dass freies Wissen die Grundlage einer freien Gesellschaft ist, liegt dem Projekt „
real.-mapping“ von Sebastian Stegner und Matze Schmidt zu Grunde. Für sie ist Wissensaneignung bestimmt durch die gesellschaftliche Wirklichkeit. Real.-mapping, das sich im Moment noch in der Pilotphase befindet, soll gesellschaftliche Diskurse visualisieren und für jeden verständlich und sichtbar machen – Sebastian Stegner spricht von einer „Reappropriation von Wissen“. Wie bei der Entwicklung Freier Software kann ein solches Archiv nur durch die Mitarbeit möglichst vieler Menschen qualitativ hochwertig werden.

Wissen macht frei?

Während die Konferenz ein sehr breites Themenfeld abdeckte und versuchte die Ideen der Freien Software auf unterschiedliche Bereiche anzuwenden, wurde nicht immer klar, inwieweit die freie Verfügbarkeit von Wissen direkten Einfluss auf die Formierung einer freien Gesellschaft hat. Dies wurde vor allem darin deutlich, dass sich die Diskussion vor allem auf die Forderung nach freier Information erstreckte und die Übertragung auf freie Güter in den Hintergrund rückte. Ursache könnte sein, dass der Schritt von Freier Software zur freien Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen weitaus komplexer ist als die Anwendung der Ideen auf geistiges Eigentum.