Wikis sind offene Content Management Systeme. Wikipedia, das bekannteste Wiki-Projekt, wurde vor wenigen Tagen vier Jahre alt. Wikis eignen sich nicht nur als Werkzeuge für Wissensmanagement und Organisation. Ihr Einsatz schult auch die Medienkompetenz der User.

Im Januar 2005 wurde die freie Online-Enzyklopedie
Wikipedia vier Jahre alt. Seit im Dezemeber 2004 das Schwesterprojekt
Wikinews in deutscher Sprache online ging, ist das Medienfeedback unüberschaubar geworden. Sowohl die Feuilletonisten der Wochenzeitung DIE ZEIT, als auch die Computerfreaks der c’t schätzen das Open Source-Lexikon. Die Zahl der exzellenten Einträge steigt ständig. Mittlerweile erscheint das offene Internet-Nachschlagewerk in über 30 Sprachen. Schwesterprojekte und Arbeitsgruppen zu bestimmten Themengebieten sind dazugestoßen. Im Buchhandel kann man
Wiki-Reader und
CD-Roms zum Selbstkostenpreis kaufen. Wikipedia eröffnet neue Möglichkeiten für Anwendungen im kommerziellen und im Non-Profit Bereich. Gleichzeitig ist das Projekt Vorbild für neue Ansätze im
Wissensmanagement.

Offene Redaktionssysteme, flache Hierarchien

Wikipedia basiert auf dem Prinzip der
Wikis. Das sind offene Redaktionssysteme, die von Usern schnell und einfach gelesen und bearbeitet werden können. Durch die sogenannte „Jedermannsänderbarkeit“ wurde eine ursprüngliche und zuvor nicht verwirklichte Idee des World Wide Web in die Tat umgesetzt. Die Grenze zwischen Verfasser und Leser verschwimmt. Die interne
Machtstruktur von Wikipedia vereint verschiedene Gesellschaftsansätze.

Wikipedia: In der Tradition der Aufklärung

Die Initiatoren von Wikipedia sehen sich selbst in der Tradition der Aufklärung. Mit diesem Ansatz stoßen sie auch auf Sympathie bei den Machern kommerzieller Nachschlagewerke. Die „Wikipedianer“ schufen die Basis für eine zeitgemäße Enzyklopädie der Moderne, in der es die eine, fest „definierte Wahrheit“ nicht mehr gibt. Diese Ansicht teilt auch Kurt Jansson vom Trägerverein Wikimedia e.V.

Natürlich gewachsene Strukturen

„Wikis machen den Nutzern nur wenige Vorgaben. Nicht die Programmierer, sondern die Nutzer passen sie an ihre Bedürfnisse an. Sie wissen am besten, wie sie die Informationen, mit denen sie arbeiten, am sinnvollsten gliedern. Diese Ordnung ist nicht statisch. Sie kann jederzeit an neu entstehende Bedürfnisse angepasst werden. Die Nutzer verhandeln die Gliederung untereinander. Das führt zu besseren Ergebnissen, als würde ein System von vornherein entworfen werden. Das gilt auch für den Inhalt einzelner Seiten.“, sagte Kurt Jansson gegenüber politik-digital.de.

Wissensmanagement mit Wikis

In den vergangenen Jahren wurden diverse Wissensmanagement-Syteme für Unternehmen entwickelt. Nicht immer konnten sie sich im Alltag bewähren. Ein Grund war die vorgegebene Struktur. Der Einsatz von Wikis als Knowledge-Base und Koordinations-Werkzeug ermöglicht ein natürliches Wachsen von Strukturen und verflacht Hierarchien innerhalb eines Unternehmens. Wikis eignen sich optimal zur Organisation und Lösung der Aufgaben von Firmen und Organisationen in schelllebigen und komplexen Systemen.

Wikis in Wirtschaft und NGO’s

Wikipedia eröffnet Anwendungsmöglichkeiten, die vor einigen Jahren noch utopisch erschienen. Sowohl im kommerziellen als auch im non-profit-Bereich stößt man auf originelle Ideen. Bald kann man sich vielleicht mit seinem PDA vor eine kleine thüringische Dorfkirche stellen und sich den dazugehörigen Wikipedia-Artikel als Audiobeitrag anhören. Auch Multimedia-Schultafeln könnten bald Einzug in die Klassenzimmer halten. Webseiten-Betreiber wie die Rhein-Zeitung haben Wikipedia bereits fest in ihr Service-Angebot integriert und ermuntern ihre Besucher zur Mitarbeit.

Upload von freien Bildern, Audio-Beiträgen und Noten

„Ich hoffe sehr, dass wir Projekte und Firmen, die auf Wikipedia zurückgreifen, ermutigen können auch eigene Inhalte unter eine freie Lizenz zu stellen. Dies ist zum Teil schon geschehen. Es gibt eine interessante Software namens
ioda zur Suche in der Wikipedia, die wir aber zur Zeit aus Mangel an Serverkapazität noch nicht einsetzen können.“, ergänzte Kurt Jansson. .

Der Upload von Bildern und Audiodatien ist schon seit einiger Zeit möglich. Durch die freie Software
Lilypond, ist es jetzt auch möglich,
Noten darzustellen. Man kann sich auch per e-mail über geänderte Artikel informieren lassen. Laut Jansson werden viele kleine, aber nützliche Verbesserungen der Software von kaum jemandem bemerkt. „Dass so ein riesiges Projekt wie Wikipedia überhaupt auf einer noch immer recht überschaubaren Anzahl von 39 Servern laufen kann ist der stetigen Optimierung der Software durch die Entwickler zu verdanken.“ In den USA werden Texte, Bilder und Grafiken, die von Steuergeldern finanziert wurden, unter der gemeinfreien
Public Domain Lizenz veröffentlicht. Das ermöglicht, solche Dokumente für Wikipedia weiterzuverwenden.

Das Ringen um den neutralen Standpunkt

Das Wikipedia-Projekt bemüht sich stets um einen
neutralen Standpunkt. Das bringt auch Probleme mit sich. Besonders wenn Extremisten versuchen, die eigene Ideologie unterschwellig oder offensiv in Artikel einfliessen zu lassen. Kurt Jansson sagte dazu: „Es bedarf teilweise erheblicher Anstrengungen, ihnen die Bedeutung dessen nahe zu bringen. Viele geben recht schnell auf, wenn sie merken, dass ihre einseitige Darstellung eines Artikels in der Wikipedia nicht hingenommen wird. Manche binden jedoch über längere Zeit viele Kräfte im Projekt. Ähnlich ist es mit Provokatueren, sogenannten
Trolls. Sie handeln aber nur aus Spass und Zeitvertreib. Leider müssen viele Nutzer, die zum ersten mal mit dem Phänomen in Kontakt kommen, erst mühsam lernen, dass man Trolle nicht füttern sollte. Ich weiß nicht ob jedem Troll bewusst ist, wie sehr er dem Projekt schadet.“

Wikipedia fördert Medienkompetenz

In der heutigen Informationsgesellschaft benötigt man ein gewisses Feingefühl, um zwischen relevanten und unwichgtigen Informationen unterscheiden zu können. Einerseits ist die Stellung der klassischen Wissensautoritäten ist geschrumpft. Andererseits ist Wissen zur Ware geworden. Wikipedia ist ein Werkzeug, mit dem man Medienkompetenz fördern und Informationen allen frei zugänglich machen kann.