Am Rande der UNO-Generalversammlung fällt kommenden Dienstag (20.9.) der offizielle Startschuss für die "Open Government Partnership". Eine Beteiligung Deutschlands könnte nach Meinung vieler Experten dem Thema Open Government hierzulande neuen Schwung verleihen. Die Bundesregierung zögert jedoch bisher mit einer Zusage.

Barack Obama ist einer, der an die Idee des Open Government glaubt und dies auch international vertritt. So rief er bei der letztjährigen UNO-Generalversammlung zu einem stärkeren Engagement für Open Government auf und fordert die UN-Staaten zum Handeln auf: "Wenn wir hier nächstes Jahr zurückkommen, sollten wir konkrete Zusagen zur Förderung von Transparenz, der Bekämpfung von Korruption und der Stärkung des bürgerlichen Dialogs mitbringen".  

Genau ein Jahr später startet als Ergebnis des US-Engagements nun die Open Government Partnership (OGP) – mit dem Ziel, eben diese Zusagen umzusetzen. Sich partnerschaftlich und gemeinsam für bessere und transparentere Regierungsarbeit einsetzen, lautet das Credo der multilateralen Initiative: So will man sich unter anderem für eine offenere Regierung und Verwaltung, mehr Bürgerbeteiligung, die Rechenschaftspflicht von Regierenden und Unternehmen sowie für eine stärkere Nutzung technologischer Lösungen einsetzen. Die exakte Definition sowie die Umsetzung konkreter Maßnahmen und Ziele mit sogenannten Aktionsplänen bleibt den einzelnen Mitgliedern überlassen. So jedenfalls sieht es die im Juli 2011 veröffentlichte "Roadmap" (deutsche Übsersetzung hier) der Initiative vor.  

Beim ersten Gipfeltreffen der OGP am kommenden Dienstag in New York sollen nun eine offizielle Deklaration und erste Aktionspläne vorgelegt werden. Auf Einladung der US-amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton und ihres brasilianischen Kollegen Antonio Patriota werden neben den beiden Initiatoren USA und Brasilien auch hohe Regierungsvertreter von Indonesien, Mexiko, Norwegen, den Philippinen, Südafrika und Großbritannien teilnehmen. Diese Länder gehören seit Juli dem Lenkungskreis der Initiative an. Seitdem haben bereits weitere 28 Länder eine formale Beitrittserklärung zu der Initiative abgegeben, darunter auch Spanien, Italien, die Niederlande, Türkei, Israel, Chile und Kolumbien. Deutschland sucht man in der Liste bisher vergeblich. Dabei erfüllt Deutschland, genauso wie 80 weitere Länder, die Aufnahmebedingungen. Doch die Bundesregierung hat bisher noch keine klare Position bezogen. Man wolle abwarten und erst nach Vorliegen der Deklaration über eine mögliche Teilnahme entscheiden, ließ das Bundesinnenministerium auf Anfrage von Zeit Online verlauten. 

Open Government als Chefsache

Eine deutsche Teilnahme an dem Partnership wird derzeit unter Open Government-Experten rege diskutiert und erfährt größtenteils Unterstützung. Die Bertelsmann-Stiftung denkt bereits über den Aufbau eines Lobby-Netzwerkes nach und hat erste Gespräche mit anderen Befürwortern geführt.  

Generell Nachholbedarf in Sachen Open Government sieht Friedrich Lindenberg von der Open Knowledge Foundation für Deutschland. Im internationalen Vergleich sei die Idee bisher eher "stiefmütterlich" bedient worden: "Es fehlt an einem klaren Mandat zu Open Government und an den notwendigen Mitteln, um dies auszuführen", sagte er gegenüber politik-digital.de. Für eine weitere Öffnung von Politik und Verwaltung und die erfolgreiche Umsetzung bereits beschlossener Maßnahmen, wie dem Programm "Vernetzte und transparente Verwaltung", brauche es eine Kanzlerinnen-Initiative, fordert auch Anke Domscheit-Berg, Vorstandsmitglied des Government 2.0 Netzwerk. Ein solches Signal erhofft sich Domscheit-Berg auf Nachfrage von politik-digital.de von einer Beteiligung Deutschlands an der Initiative.  

Auch Frank Frick, bei der Bertelsmann-Stiftung für den Bereich "Good Governance" zuständig, sieht in der internationalen Bewegung großes Potenzial für neue Impulse. Wolle man den breiten Ansatz der OGP konsequent umsetzen, müssten die einzelnen Ministerien ihre Arbeit stärker koordinieren und einige tiefgreifende Veränderungen zulassen: “Als Querschnittsthema braucht Open Government deswegen ein klares politisches Commitment und eine übergreifende Steuerung – unseres Erachtens aus dem Kanzleramt”, so Frick im Gespräch mit politik-digital.de.

Zivilgesellschaft stärker einbinden  

Ein Beitritt hätte nach Ansicht der Experten aber nicht nur symbolische Kraft. Timo Wandhöfer, der derzeit für das EU-Forschungsprojekt WeGov arbeitet, hebt die Möglichkeit für die Teilnehmer, sich international besser auszutauschen und über Best-Practice-Lösungen zu lernen, als großes Plus der Initiative hervor. Anke Domscheit-Berg erhofft sich durch den internationalen Vergleich einen positiven Erfolgsdruck für Deutschland, abgegebene Versprechen auch umzusetzen und die Ziele der jährlichen Aktionspläne ernst zu nehmen.

Viel Hoffnung haben die Befürworter auch hinsichtlich einer starken Einbindung der Zivilgesellschaft, wie von der OGP vorgesehen: und zwar sowohl auf internationaler Ebene, wo diverse Nichtregierungsorganisationen involviert sind, als auch bei der Begleitung des Prozesses auf nationaler Ebene. So besteht innerhalb der OGP die Verpflichtung, einen unabhängigen Bericht zur Umsetzung von Open Government in den Gesamtprozess mit einzubinden. Hier sollten und könnten sich Kräfte aus der Zivilgesellschaft aktiv und reflektierend einbringen, fordert Frau Domscheit-Berg: "Diese Transparenz und Einbeziehung der Zivilgesellschaft wäre ein großer Gewinn für Deutschland und erhöht  die Wahrscheinlichkeit, dass wir schneller aus einer Phase der Theorie in eine Phase der praktischen Umsetzung eintreten." Genau hier sieht Friedrich Lindenberg die Krux einer deutschen Beteiligung. Ein Engagement dürfte nicht als Ausflucht genutzt werden, sich weiterhin in langfristigen Planungen zu ergehen, anstatt konkretes Handeln zu ermöglichen: "Der Action Plan darf nicht zum Ersatz für die Action werden".    

Die Chancen, dass Deutschland beim OGP-Trefffen im März 2012 in Brasilien mit am Tisch sitzen wird, schätzt Sebastian Haselbeck von der Initiative Gläserner Staat als durchaus gut ein. Ein Netzwerk zur Unterstützung formiere sich gerade und werde an verschiedenen Stellen für eine Beteiligung werben. Zudem werde sich Deutschland wohl langfristig dem internationalen Druck beugen müssen, vor allem dann, wenn noch mehr europäische Länder der Partnerschaft beitreten. Für Frank Frick von der Bertelsmann-Stiftung geht es dabei auch um Glaubwürdigkeit. “Es stellt sich die Frage, ob man es sich als demokratischer Staat überhaupt leisten kann, nicht mitzumachen”.