Die europäische Polizeibehörde Europol darf sich nach dem neuen Entwurf für ein SWIFT-Abkommen europäische Banktransaktionsdaten über den Umweg USA beschaffen. Das Parlament soll erneut übergangen werden, sagen die Kritiker – und formulieren Ihre Ablehnung u.a. via Twitter. politik-digital.de erklärt den neuen Entwurf.
Erneuter Streit um SWIFT
Nachdem das SWIFT-Abkommen (nähere Erläuterung unten) bereits im Februar diesen Jahres durch das Europaparlament abgelehnt wurde, droht der EU-Kommission erneut eine Niederlage im Parlament. Die für das Abkommen über die Transaktion von Bankdaten in die USA zuständige EU-Kommissarin Malmström hatte dem Parlament nach der Ablehnung größere Offenheit und Mitwirkung in den Verhandlungen zugesagt. Nachdem die EU-Kommission Parlament und Rat ihr Verhandlungsergebnis vorlegte, machte sich jedoch Ernüchterung breit, denn die inhaltlichen Kritikpunkte des Parlaments wurden kaum berücksichtigt.
Nach wie vor fehlt die Kontrolle der Datenübermittlung durch eine Justizbehörde, weiterhin werden alle übermittelten Datensätze fünf Jahre lang gespeichert und nach wie vor werden ganze Blöcke an Daten übermittelt. In diesen Datenblöcken finden sich auch die Daten von unbeteiligten Personen wieder, die zufällig zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie ein Verdächtiger eine Banktransaktion getätigt haben. Personen, deren Daten an US-amerikanische Behörden übermittelt wurden, bekommen davon nichts mit. Und selbst wenn sie es herausfinden, haben sie keine rechtliche Handhabe, der Speicherung ihrer Daten zu widersprechen. Das US-Datenschutzgesetz sieht keine Klagen von Nicht-US-Bürgern vor.
EuroPol darf sich selbst mit Daten beliefern
Als Fortschritt bezeichnet die EU-Kommission, dass die Datenübermittlung jetzt durch die EU-Polizeibehörde EuroPol kontrolliert werden soll. Doch hierbei wird der Bock zum Gärtner gemacht, denn das Abkommen erlaubt es der Behörde, auf Kontodaten, die in die USA übertragen wurden zuzugreifen, was sie in Europa nicht darf. Eine effektive Kontrollinstanz wird die Behörde somit wohl kaum werden, denn das Eigeninteresse an den Daten dürfte wohl häufig überwiegen.
Zu den Kritikern gehört der Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht (@janalbrecht). Bereits während der Verhandlungen forderte der Grünen-Obmann (Schattenberichterstatter) für das SWIFT-Abkommen, zeitnah ein wirksames, umfassendes Datenschutzabkommen mit den USA zu verhandeln, um grundsätzliche Regeln im Umgang mit übertragenen personenbezogenen Daten festzulegen. „In der Substanz des Abkommens hat sich fast nichts geändert, die wesentlichen Kritikpunkte bestehen nach wie vor“, so Albrecht gegenüber politik-digital.de.
SWIFT Abkommen im Rat durchpeitschen
Die Kritik scheint die Verantwortlichen nervös zu machen, denn das Abkommen soll nun offenbar möglichst schnell und ohne große Debatte vom Rat verabschiedet werden – und das, um das Parlament unter Druck zu setzen. Der spanischen Ratspräsidentschaft ist es offensichtlich ein Anliegen, dass Abkommen noch während ihrer Amtszeit (bis 30.06.2010) unter Dach und Fach zu bringen. Der Vorsitzende des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE-Ausschuß), der Spanier Juan Fernando López Aguilar, übermittelte am 21.06.2010 einen Brief mit Vorschlägen zum Abkommen an den Rat, ohne jedoch die Inhalte mit dem zuständigen Berichterstatter des Parlaments, dem liberalen Alexander Alvarro (@alexalvaro), abzusprechen. Dieser zeigte sich entsprechend brüskiert und machte seinem Unmut unter anderen über Twitter Luft.
Die Zustimmung des Rates gilt in diesem Zusammenhang als sicher.
Debatte in Deutschland
Das deutsche Justizministerium kommentiert den neuen Entwurf auf Anfrage bislang nicht. Es wird lediglich mitgeteilt: Das Abkommen wird auf Grundlage des Koalitionsvertrages abgestimmt. In diesem heißt es:
Bei den Verhandlungen zum SWIFT-Abkommen werden wir uns für ein hohes Datenschutzniveau (strikte Zweckbindung, Löschung der Daten, klare Regelungen bezüglich Weitergabe an Drittstaaten) und einen effektiven Rechtsschutz einsetzen. Ein automatisierter Zugriff auf SWIFT von außen ist auszuschließen. Die Übermittlung der Daten wird an Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft und aufgrund einer Bedrohungs- und Gefährdungsanalyse eingegrenzt. Die Menge der zu übermittelnden Daten ist möglichst gering zu halten. Das Abkommen ist unter Ratifizierungsvorbehalt zu stellen.
Bei der Abstimmung des ursprünglichen Version des Abkommens im November 2009 gab es Uneinigkeit zwischen der Justizministerin und dem Bundesinnenminister, Deutschland enthielt sich letztlich.
Im Video-Interview mit politik-digital.de äußerte sich der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar unter anderem auch zum SWIFT-Abkommen [ab Minute 6:40]
Was ist SWIFT?
Der Name leitet sich ab von einem großen belgischen Finanzdienstleister, der einen Großteil aller internationalen Banktransaktionen technisch realisiert. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA verschafften sich US-Behörden Daten über Transaktionen Verdächtiger, damals noch ohne rechtliche Grundlage – die Server standen in den USA. Zum Jahreswechsel 2009/2010 aber beschloss das Unternehmen, seine Daten nur noch in Europa zu verwalten – der direkte Zugriff war nun nicht mehr möglich. Um US-Terrorfahndern weiterhin den Zugriff zu ermöglichen, war also ein völkerrechtliches Abkommen notwendig geworden.
Zunächst wurde ein Übergangsabkommen beschlossen, welches Ende vergangenen Jahres auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden sollte. Die EU-Kommission ratifizierte das Abkommen am 30. November 2009 – einen Tag später hätte das EU-Parlament (auf Grund neuer Befugnisse nach dem Vertrag von Lissabon) zustimmen müssen. Viele Parlamentarier hatten sich bereits im Vorfeld kritisch geäußert und fühlten sich übergangen. Im Februar lehnte das EU-Parlament das SWIFT-Abkommen schließlich ab, EU-Kommissarin Malmström musste neue Verhandlungen anstrengen.