Gorescore versus Bushpush

Von Frank Paschen & Carolin Welzel

Bush oder Gore? Oder doch lieber Barbecue? In einer Woche wird in den USA an die Wahlurnen gerufen und
allen Erwartungen nach werden viele Amerikaner diese schwierige Entscheidung bis zum nächsten Mal
aufschieben und stattdessen Grillen gehen. Das tatsächliche Wahlvolk wird sich vermutlich sauber in zwei
Hälften scheiden. Der Grund: nicht nur dass sowohl Bush wie auch Gore "four letter words" sind, auch
schafft es keiner der beiden Kandidaten das Land in Enthusiasmus zu versetzen. Der eine ist etwas
langweilig, dafür aber kompetent, der andere weiß zwar nicht wo Slowenien liegt, spielt dafür aber
prima Baseball.

Und während die Analysten noch über den Wahlausgang rätseln und mit Promillepunkten jonglieren, wiegt
sich die politik-digital Redaktion bereits in Gewissheit, denn: die Wahl wird im Netz entschieden!
Und so wissen wir nicht nur wer Präsident wird, wir können sogar sagen, mit wie vielen Prozentpunkten
der Sieger ins Weiße Haus einzieht.

Wir haben die Homepages der Kandidaten unter die Lupe genommen und in den Kategorien Gestaltung,
Interaktivität, Inhalt, Privates und Gimmicks getestet. Je 20 Punkte in jeder Kategorie konnten
die Kontrahenten erringen, maximal also 100. Score für Gore oder push für Bush?
Lesen Sie unsere Website-Analyse:

Gestaltung
Bush
George zeigt Dick seine Vision Amerikas: Das Bild fällt sofort ins
Auge, auf der gediegenen, aufgeräumten, aber eben nicht sonderlich
aufregenden
Einstiegsseite. Übersichtlich am linken Rand befindet sich die ebenfalls aufgeräumte Navigationsleiste, mit deren Hilfe man
sich leicht zurechtfindet.
Auch ältere Konservative sollten so zu den Informationen ihrer Wahl gelangen. Farblich ist der Auftritt schlicht gehalten:
Schwarz und Weiß
dominieren und man fragt sich, in welchem Zusammenhang dies zum Inhalt steht…
Seriös
und staatsmännisch soll das Ganze wohl wirken und gäbe es
die entsprechende Technik, könnte man sicherlich das Geld und die Macht
einer großen Dynastie am heimischen PC schnuppern. So eingeschüchtert
vergebe ich doch gerne
10 BushPushs!
Gore
Da winken sie von der Homepage, die freundlichen Demokraten und sehen
aus wie ein Werbetrailer für Dawsons´s Creek.
Harmlos, amerikanisch und gesetzt. Direkt unter dem weichgezeichneten
all-american-Präsidententeam wartet ein Haufen kleiner Icons zum
anklicken. Das wirkt etwas verwirrend und erinnert an den Grabbeltisch
bei Toys´r us.
Ansonsten ist die staatstragend blau-weiss-rot gehaltene Site in der
Navigation aber einigermaßen übersichtlich, rechts finden sich die
Video- und Audiofiles der letzten Wahlkampfveranstaltungen und Rubriken
wie "Just for kids" und "Family". Das passt zum Spielzeug-shoppen für
die ganze Familie. Auf der linken Seite stehen unter "Take action" die
verschiedenen Möglichkeiten, sich für Al zu engagieren. Insgesamt atmet
die Seite durch und durch den Geist des digitalen Mittelstandes. Und
der soll Gore ja auch wählen. Ich bin zwar auch Mittelstand, mag aber
Beverly Hills 90210 lieber als Dawson Creek und shoppe nie bei Toys`r
us, deswegen bekommt Al Gore für seine Site-Gestaltung nur
7 Gorescores. Sorry Al..
Interaktivität
Bush
Sie wollen nicht nur passive Gehirnwäsche durch unzählige Werbespots?
Sie wollen aktiv sein, sich eigenständig ihren täglichen Schleudergang
besorgen? Auch mal selbst ein paar Seifenblasen loswerden oder
persönlich angesprochen werden? Kein Problem! Durchsuchen sie das
virtuelle Hauptquartier (den Waschsalon) mehr oder minder erfolgreich
nach dem, was sie interessiert. Schreiben sie George, oder wer auch
immer ihre
Mail liest. Wenn überhaupt. Springen sie auf den virtuellen
Kampagnenzug, den eTrain auf
und lassen sie sich die neuesten News über die
Kandidaten ihrer Wahl und deren Meinung zu den Issues, die ihnen auf
den Nägeln brennen, ins Wohnzimmer liefern. Die lobenswerte Möglichkeit
sich online als Wähler registrieren zu lassen, wird die niedrigste Wahlbeteiligung aller Zeiten in der modernen Heimat der Demokratie wohl auch nicht
mehr verhindern. Ach ja, auch Geld kann man hier in Form von Spenden loswerden. Höchst erfolgreiche Strategie. So hört man.
6 BushPushs.
Gore
Sie sind einsam und haben keine Lust auf
Selbsthilfegruppen? Die Rettung ist im Netz. Bei Al Gore gehören sie dazu.
Wenn sie unter 30 sind und auf amerikanische Schwiegertöchter stehen, dann wäre das "Gore net of young Americans"
etwas für sie. Da gehören sie zu einer duften Gruppe, die sich unter der Regie
von Ex-Cheerleader Karenna Gore-Schiff Gedanken macht, wie man junge Leute für Politik interessiert.
Falls sie die Altersgrenze überschritten haben, dann gibt es noch einige andere Möglichkeiten "dazu zu gehören":
das Instant Message Net ist ein Kommunikationssystem, in dem alle
Gore-Fans miteinander chatten, in der "Interaktive Townhall" lauscht
Al ihren Fragen und dann können sie auch noch "Internet-Volunteer"
werden. Dazu bekommen sie eine Ausrüstung mit dem Namen "Online Activist Kit . Das riecht nach
Subversivität und Straßenkampf. Schließlich gibt es sogar die Möglichkeit inhaltliche Akzente zu setzen.
Unter My Election könne sie ihr Kampagnen-Profil erstellen und werden endgültig adoptiert. Und wenn sie nach soviel Gruppenarbeit das Bedürfnis
haben, das Erlebte sauber zu verarbeiten, dann schreiben sie doch ein "Campaign Diary".
Außer Al wird es sicher keiner lesen…
Al Gore bietet wirklich jede Menge demokratische Partizipation. Wenn das keine Hilfe zur Selbsthilfe
ist. Hilft auch Al, nämlich mit saftigen
18 Gorescores.

Privates
Bush
Wer hier Fotos vom letzten Familienausflug
der Bushs, von Laura beim Frisör oder Dick beim Leiten eines Ölkonzerns erwartet, der sollte sich auf eine
Enttäuschung gefasst machen. Abgesehen von ein paar Impressionen
George Dubbeljus` aus etwas wilderen Tagen ist die Ausbeute ausgesprochen mager.
Das eigene Privatleben soll nach Meinung der Familie Bush nicht unnötig in das unbarmherzige Rampenlicht der Politik
geworfen werden. Das zumindest gelingt ihnen hier. Offensichtlich gilt dieser Schutz aber nicht für alle
Mitglieder der Familie: eine herzerweichende Story verrät intime Details über Ernie und – nein, nicht
Bert – Spot. Katze und Hund der Familie Bush. Mein Verlangen nach nicht gnadenlos gestellten bzw. so
wirkenden Bildern, nach pikanten Bekenntnissen wird damit allerdings nicht gestillt.

6 BushPushs sind mehr als genug
Gore
Sein größter Stolz ist nicht die politische Karriere, sondern die Familie. Wo hiesige Politiker höchstens vier
Ehefrauen schaffen, kann Al mit immerhin vier Kindern aufwarten. Die Frau ist immer
die gleiche geblieben und heißt Tipper, ein ungünstiger
Spitzname, der harmlose Gemüter an Delphinfilme erinnert und verdorbenere an böse Geschlechtskrankheiten.
Aber Al ist sauber: Jugend auf dem Bauernhof, Vietnamkrieg,
und jahrzehntelange harte Arbeit für Tennessee und das amerikanische Volk.
Glaube, Treue, Arbeit: der Gore´sche Dreiklang wird mit zahlreichen Photos belegt und liegt auch als Video
vor. Hier erfahren wir auch, dass die Gores Baptisten
sind und ein Herz für Tiere haben. Wer hätte das gedacht. Natürlich dürfen die Liebermanns in diesem Bilderbogen
nicht fehlen: Joseph, "der Kämpfer für Arbeiterfamilien"
und seine mildtätige Frau Hadassah werden vorgestellt,
allerdings mit weniger Photos, denn sie sind ja nur die zweite Garnitur.
Mit Gores und Liebermanns beim Erntedank-Truthahn – das kann sich nach dem Studium des reichhaltigen
biographischen Materials jeder vorstellen, deswegen gibt es hier
13 Gorescores.

Inhalt
Bush
"Running For President Is A Lot Like Playing Baseball" – wundert da noch jemanden etwas? Zugegeben, diese
Erklärung befindet sich auf der Kinderseite, aber würde auch auf den restlichen Seiten nicht fehl
am Platze sein. Wem die permanente Berieselung mit Wahlwerbespots noch nicht aus allen Körperöffnungen
quillt, wem dürstet nach mehr Information, wer Fakten nicht mehr von Fiktion unterscheiden kann:
Rettung ist nahe! Lassen sie sich erklären, was für fiese Lügen Al über George erzählt. Was Al alles
verbockt hat und noch schlimmer machen würde. Und natürlich wie toll die Dinge in Texas wirklich stehen
und in den gesamten USA stehen könnten. In Audio und Video,
Reden und Nachrichten, Umfragen und Meldungen.
Wer rekapitulieren möchte, was George wann und wie wozu gesagt hat, der wird hier locker fündig. Und
Visionen hat der Mann auch. Vom Recht jedes
gesetzestreuen Bürgers Waffen zu tragen, bis zu der sinnvollsten Verwendung des Steuerüberschusses. Wer
dann noch sehen möchte, wie sich Bushs Steuerkürzungen im eigenen Portemonnaie auswirken, der kann sich
gleich des mitgelieferten "tax calculators"
bedienen.

11 BushPushs
Gore
Gore ist kein Schauspieler und auch kein Charismatischer Charmebolzen, deswegen muss er mit sachlicher Seriosität
überzeugen. Aus diesem Grund finden sich auf seinem Webauftritt zahlreich downloads zu seinen
Reden und Berichte
über den Wahlkampf. Mit platten Slogans hält sich Gore ganz staatsmännisch zurück. George Bush kriegt
allerdings sein Fett ab. Am Rande erfahren wir, was bei George in Texas so alles
schief läuft. Vor allem
in der Sozial- Renten- und Gesundheitspolitik kann man dem Kontrahenten nicht trauen, denn
"er ist nicht bereit, Präsident zu sein".
In der Sachpolitik sitzt Al ja sowieso am längeren Hebel. Und das beweist er ganz klar, denn er antwortet
auf dringende gesellschaftliche Probleme, bei denen George nur schweigt. Und da Al kein Mann der leeren
Phrasen ist, beweist er gleich mit vier Szenarien welche
fiskalischen Katastrophen bevorstehen, wenn Bush an den Drücker gerät.
Obwohl der deutsche Wähler ein "richtiges" Wahlprogramm vermisst, überzeugt Gore – übrigens auch auf
Spanisch – als solider Politiker: sozial, praktisch, gut:

9 Gorescores.
Gimmicks
Bush
Yoho! Hier kann der Fan sich mal so richtig austoben. Nerven sie Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen, indem sie
das Konterfei ihres Helden als eCard versenden. Verbringen
sie mehr Zeit mit ihren Kleinen: Basteln mit Bush.
Drucken sie Poster aus, kleben sie diese auf Karton und die perfekte Ausrüstung für Halloween ist da.
Oder für St. Martin (als Laterne). Oder auch einfach für eine Wahlveranstaltung. Immer noch nicht genug?
George Bush als Hintergrundbild für den Computer, als Bildschirmschoner für den Computer, als Bettenbezug…
Ok, das letzte ist gelogen. Aber überrascht hätte es mich nicht! Ich träume mittlerweile nachts von diesem
Mann (nicht was sie jetzt denken!) und dafür gibt es:

18 BushPushs
Gore
Gore hat zwar bestimmt auch Humor, aber den lebt er nicht auf seiner Website aus. Spaß mit Politik gibt
es höchstens für Kinder, aber auch da ist der pädagogische Aspekt
im Vordergrund: wer sich alle Namen der Gore-Familie merken
kann oder weiß aus welchem Staat Al stammt, der hat das
Zeug zu einem guten Demokraten. Für Erwachsene gibt es lediglich die Möglichkeit, Buttons down zu loaden
oder die Seite zu verschicken. Falls sie etwas
Geld übrig haben und es nicht dem Wahlkampf spenden
wollen, können sie sich im Gorestore allerdings lustige T-Shirts
und dämliche Baseball-Kappen bestellen. Da die Amerikaner so was aber ziemlich ernst nehmen, soll dieser
Service wahrscheinlich gar nicht unter Spaß fallen und deswegen können wir in dieser Rubrik nur magere

2 Gorescores verleihen.
Endergebnis: Wie geht die Wahl am 7.11. aus?


Bush: 51 %
Gore: 49 %

Fazit: Bush siegt ganz knapp vor Gore. Vorsprung durch Gimmicks…