Die Wahl des Europäischen Parlaments rückt immer näher. Ende Mai sind rund 375 Millionen EU-Bürger aufgerufen, 750 Mitglieder des Europäischen Parlaments zu bestimmen. Die deutschen Wähler werden mit 96 Politikern und Politikerinnen im Parlament vertreten sein. Doch nach welchen Kriterien sollte man sie aussuchen? Eine neue Kampagne appelliert an die Wähler, ihre Entscheidung von der Positionierung der Kandidaten zum Thema digitale Grundrechte abhängig zu machen. Allerdings passt die Idee nicht ganz zum Wahlsystem der Europawahl.
Mit der Europäischen Union haben die Bürger der EU-Mitgliedsstaaten eine mächtige politische Instanz, die mit ihren Entscheidungen viele Lebensbereiche mitbestimmt. In letzter Zeit wurde dies besonders durch die Finanz- und anschließende Währungskrise deutlich. In einigen Staaten (z. B. Griechenland, Spanien) führte die Euro-Krise zu Staatskrisen. Massive Einschnitte in soziale Sicherungssysteme wurden begleiten von heftigen Protesten. Der Eurobarometer – der versucht, die öffentliche Meinung innerhalb der EU statistisch zu erfassen – hält in einer Umfrage im Herbst 2013 auch ein dementsprechendes Stimmungsbild fest. Auf die Frage, was die beiden wichtigsten Probleme seien, denen die EU derzeit gegenüber steht, werden „Wirtschaftliche Lage“ und „Arbeitslosigkeit“ am häufigsten genannt. Vor allem die Arbeitslosigkeit wurde in den letzten zwei Jahren verstärkt als Problem wahrgenommen. Doch diese beiden Punkte werden schon seit Jahrzehnten als erste genannt – und vermutlich sind sie auch ausschlaggebend für die Wahlentscheidung der meisten (Nicht-)Wähler.
Ein Gegenstand, der auch in Folge der NSA-Affäre mehr Aufmerksamkeit bekommen hat, ist das Internet samt der damit verbundenen Themen wie Datenschutz, Urheberrecht, E-Demokratie und Cyber-Security. Seit Anfang Februar gibt es eine Kampagne, die bemüht ist, genau diesen Themen im Wahlkampf mehr Gewicht zu verleihen. Die Kampagne mit dem Namen WEPROMISE.eu ist ein Projekt von European Digital Rights, einer internationalen Vereinigung von Bürgerrechtsorganisationen. Die Kampagne fordert Wähler dazu auf, mit ihrer Unterschrift das Versprechen abzugeben, für einen Kandidaten zu stimmen, der die Charta der digitalen Bürgerrechte unterstützt. Die Kandidaten setzen sich demnach u. a. dafür ein, für mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung zu sorgen, Gesetze zur Stärkung von Datenschutz und Privatsphäre zu unterstützen und sich gegen flächendeckende, unkontrollierte Überwachungsmaßnahmen einzusetzen. Die Kandidaten sind aufgerufen, öffentlich zu bekunden, dass sie die Charta unterstützen. Am Tag der Wahl können die Stimmberechtigten dann die komplette Liste der Unterstützer einsehen und bei ihrer Wahlentscheidung berücksichtigen. Bisher haben 1075 Wähler das Versprechen abgegeben, ihre Wahl davon abhängig zu machen.
Bemühungen von EU-Mitgliedsstaaten die NSA-Affäre aufzuklären, gehen bisher nicht weit genug und in diesem Kontext sollte die Kampagne verortet werden. Voraussichtlich im April wird ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages endlich seine Arbeit aufnehmen können. Die Opposition fordert eine Zeugenbefragung von Whistleblower Edward Snowden, doch ob die Regierung dem zustimmt, ist noch ungewiss. Das Europäische Parlament hingegen hat bereits einen Untersuchungsbericht, für den Snowden schriftlich befragt wurde, verabschiedet. Dem Bericht zufolge stellen u. a. die Überwachungsmaßnahmen, die von Regierungen mancher EU-Staaten gebilligt wurden, einen massiven Eingriff in die Grundrechte der Bürger dar. Der Bericht enthält auch umfassende Forderungen, wie mit diesen Thema zukünftig umzugehen ist. Die nächsten Jahre werden also ausschlaggebend sein für digitale Bürgerrechte in der EU.
Einen Haken jedoch hat die Kampagne: Die Wähler müssen sich für eine Liste entscheiden und nicht für einen einzelnen Kandidaten. Als Wahlsystem ist in allen Ländern das Verhältniswahlrecht festgelegt. Es ist gut denkbar, dass nicht alle Kandidaten einer Partei die Charta unterstützen. Es bestünde dann die Möglichkeit, dass die für eine Liste abgegebene Stimme letztlich einem Kandidaten ins Parlament verhilft, der von der Charta noch nie gehört hat und sich dieser nicht verpflichtet fühlt.
Bild: Ville Oksanen (CC BY-SA 2.0)
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