Mit dem „Welttag gegen Internetzensur“ macht Reporter ohne Grenzen heute zum fünften Mal auf eingeschränkte Meinungsfreiheit im Internet aufmerksam. Drei Monate vor dem Eurovision Song Contest in Baku setzt sich die Menschenrechtsorganisation mit einer eigenen Internetseite verstärkt für die Menschenrechte in Aserbaidschan ein.
Mit dem Gewinn Aserbaidschans beim letzten Eurovision Song Contest (ESC) rückte das kleine Land im Kaukasus zum ersten Mal stärker in den Fokus internationaler Medien. Die Regierung in Baku will den 26. Mai, an dem der Schlagerwettbewerb ausgerichtet wird, nutzen, um sich der Welt von seiner besten Seite zu präsentieren. Stattfinden wird der ESC in der pompösen „Baku Crystal Hall“, die eigens für die Musikveranstaltung gebaut wurde. Die heruntergekommenen Häuser, die der Veranstaltungshalle weichen mussten und aus denen hunderte Aserbaidschaner vertrieben wurden, wird der Westen wohl genauso wenig zu Gesicht bekommen wie die 60 politischen Gefangenen in der seit 1991 unabhängigen Republik, deren Präsident Ilham Alijew von ROG als Feind der Pressefreiheit bezeichnet wird.
„Seht zu und macht mit“
Aserbaidschanische Menschenrechtler sehen in der Austragung des Wettbewerbs eine Chance, die Aufmerksamkeit der europäischen Länder auf die schwierige Situation der Presse- und Meinungsfreiheit zu lenken. Sie hoffen, Menschen innerhalb und außerhalb des Landes mobilisieren zu können, um sich für die Einhaltung der Menschenrechte in Aserbaidschan einzusetzen.
Mit der Kampagne „Sing for Democracy“ macht der Vorsitzende der Bakuer Menschenrechtsclubs (HRC) Rasul Jafarow seit letztem Sommer auf die Situation der Menschenrechte in seinem Land aufmerksam. Jafarow fordert die Aufklärung der Morde an den Journalisten Elmar Husejnow und Rafik Tagi und setzt sich für die Freilassung inhaftierter Blogger und Journalisten ein. Dazu zählt zum Beispiel Bachtijar Hajijew, der eine zweijährige Haftstrafe absitzt, weil er nach dem Vorbild der arabischen Länder über Facebook zur Revolution aufgerufen hatte. Auch der Blogger Emin Milli hält nach einer 17-monatigen Haftstrafe, die er für sein Satire-Video über Politiker verbüßte, einen Boykott der Musikveranstaltung für das vollkommen falsche Mittel.
Genau drei Monate vor dem ESC hat Reporter ohne Grenzen eine Internetseite „Pressefreiheit für Baku“ gelauncht, auf der aktuelle Informationen zur Situation der Pressefreiheit in Aserbaidschan sowie Interviews mit Journalisten und Bloggern veröffentlicht werden.
Meinungsfreiheit im Internet
Auf der ROG-Länderrangliste der Pressefreiheit befindet sich Aserbaidschan auf Platz 162 von 179. Zwar gibt es keine „offizielle“ Zensur der Medien, aber seitdem Menschen über soziale Netzwerke zu Demonstrationen aufrufen und zahlreiche regimekritische Blogs entstanden sind, wird das Internet verstärkt überwacht. Aktuell können BBC und Radio Free Europe noch über das Internet empfangen werden, doch fraglich ist, wie lange noch.
Die hohen Kosten für einen Internetanschluss hindern viele Aserbaidschaner daran, an Informationen im Netz zu gelangen, berichtet Rasul Jafarow von HRC. Im Rahmen der Kampagne „Sing for Democracy“ wird er eine Woche vor dem ESC eine Musikparty organisieren, um die Menschen wachzurütteln, damit sie sich nicht von der glanzvollen Übertragung des ESC blenden lassen.
Anlässlich des heutigen „Welttags gegen Internetzensur“ sind eine Vielzahl von Bloggern aus Brasilien, Russland, Vietnam, Ägypten, China und Syrien von ROG für den Netizen Preis nominiert worden, der heute Abend in Paris verliehen wird. Im vergangenen Jahr wurde das tunesische Blog Nawaat von der Menschenrechtsorganisation ausgezeichnet.