Afrika fristet in der Berichterstattung westlicher Medien noch immer ein Schattendasein. Anlässlich des heutigen Weltflüchtlingstages 2012 blickt politik-digital.de mit dem afrikanischen Exiljournalisten Itai Mushekwe auf dessen Heimatland Simbabwe. Dabei geht es auch um die Frage, ob die digitale Revolution, die Afrika aktuell erfasst, der dortigen Opposition zum Durchbruch verhelfen kann.
Der politische Journalist Itai Mushekwe (28) schreibt hauptsächlich für die britischen Zeitungen „Daily“ und „Sunday Telegraph“ investigative Artikel über Simbabwe. Seine journalistische Karriere begann Mushekwe im Kulturressort einer Zeitung in Harare, ehe er anfing, sich in Artikeln kritisch mit der Politik in seinem Heimatland auseinanderzusetzen – mit weitreichenden Folgen. Nachdem ihn die Regierung Mugabe auf eine „schwarze Liste“ gesetzt hatte, ging er 2007 ins Exil nach Deutschland. Laut eigenem Bekunden will Itai Mushekwe mit seiner journalistischen Arbeit die Herrschenden zur Rechenschaft ziehen und zu mehr Gerechtigkeit auf der Welt beitragen.
politik-digital.de: Herr Mushekwe, momentan leben Sie in Köln. Sie haben Ihr Heimatland, das autoritär geführte Simbabwe im südlichen Afrika, im Jahr 2007 verlassen. Wie stellte sich damals die politische Opposition gegen den mittlerweile 88-jährigen Diktator Robert Mugabe dar?
Itai Mushekwe: Als ich das Land verlassen habe, war die Situation der politischen Opposition jämmerlich – und leider hat sich daran bis heute nichts geändert. Es gab viele politische Morde und Entführungen, und das war für Teile der Opposition, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten gleichermaßen eine traumatische Erfahrung. Leute wurden dafür inhaftiert, ihre Meinung ausgesprochen oder politische Witze gemacht zu haben. Der Kameramann Edward Chikomba wurde kaltblütig von Geheimdienstagenten ermordet. Das allein war eine klare Botschaft von der Regierung an die Journalisten des Landes: „Kommt uns nicht in die Quere, oder morgen könnte es euch genauso ergehen.“ Organisierter Widerstand gegen Mugabe war nur durch die einzige Oppositionspartei, The Movement for Democratic Change (MDC), möglich. Diese Option ist aber erloschen, als sie 2009 Teil einer Koalitionsregierung mit der Mugabe-Administration geworden ist. Der MDC-Chef Morgan Tsvangirai ist heute Premierminister. Momentan gibt es daher keine aktive politische Opposition in Simbabwe. Einschüchterungsmaßnahmen und politische Gewalt nehmen zu, je näher die nächste Präsidentschaftswahl rückt.
politik-digital.de: Gab es damals schon eine Blogger-Szene?
Itai Mushekwe: 2007 gab es überhaupt noch keine Blogger-Szene und das hatte vor allem damit zu tun, dass der Internetzugang in Simbabwe limitiert war. Bloggen war ganz einfach ein Luxus – und somit eine Angelegenheit für die Eliten. Die Netzwerke der politischen Opposition waren größtenteils auf einige wenige NGOs beschränkt, aber auch die hatten ständig Ärger mit der Polizei – etwa bei Razzien gegen ihre Führer und Mitglieder.
politik-digital.de: 2002 hat Robert Mugabe ein Gesetz erlassen, das die Pressefreiheit in Ihrem Land massiv eingeschränkt hat. Inwieweit sind dadurch Hürden in Ihrem konkreten Arbeitsalltag als Journalist errichtet worden?
Itai Mushekwe: Tatsächlich war es eine ganze Reihe von Gesetzen, die Mugabe erlassen hat, um die Medien mundtot zu machen. Eines davon ist der The Access to Information and Protection of Privacy Act (AIPPA). Das war ein Frontalangriff auf die unabhängigen Medien, da vielen Zeitungen wegen regierungskritischer Berichte die Betriebserlaubnis entzogen wurden und sie daher schließen mussten. Ich selbst wurde mit Folter, Arrest und dem Entzug meiner journalistischen Zulassung bedroht.
politik-digital.de: Zuletzt haben sich die Stimmen gemehrt, die eine digitale Revolution in Afrika verkünden. Halten Sie noch Kontakt mit Freunden und ehemaligen Kollegen in Simbabwe, die das Internet nutzen, um die Meinungsfreiheit zu verteidigen? Was können Sie uns über die Rolle, die das Internet für Journalisten und Oppositionelle in Ihrem Heimatland heutzutage spielt, berichten?
Itai Mushekwe: Ich bin in gutem Kontakt mit Freunden und Kollegen. Die digitale Revolution hat uns noch näher zusammengebracht: Dank Social Media-Plattformen wie Skype oder Blogs kommuniziere ich mit Kollegen in Simbabwe und andere Exilanten in Kanada, Norwegen und Großbritannien. Das Internet ist geradezu magisch – denn es verhilft uns zu mehr politischer Freiheit. Die repressiven Gesetze Simbabwes existieren im Cyberspace nicht.
politik-digital.de: Wie beurteilen Sie Simbabwes politische Situation heute? Robert Mugabe ist nun 88 Jahre alt. Wenn er stirbt, wird es dann nicht die Chance zu einem positiven Wandel in Ihrem Land geben?
Itai Mushekwe: Auf keinen Fall! Die Leute glauben immer, dass sich alles um Mugabe dreht. Mit seinen 88 Jahren ist er aber ganz klar nicht mehr Herr seiner Sinne und eher ein Strohmann, der von militärischen Hardlinern und den Chefs der Sicherheitsbehörden kontrolliert wird. Diese Männer sind gefährlich und werden höchstwahrscheinlich alles tun, um die gegenwärtige politische Ordnung aufrechtzuerhalten. Denn sie haben immensen Reichtum angehäuft. Sie wollen ihre Interessen verteidigen. Momentan übernehmen sie ausländische Firmen, indem sie 51 Prozent Anteile einfordern, und bezeichnen diese Maßnahmen euphemistisch als „Selbstermächtigung der Schwarzen“ oder „Indigenisierung“. Der Durchschnittssbürger in Simbabwe wird immer ärmer und erhält in keiner Firma irgendwelche Anteile. Was die Situation noch verschlimmert, ist die Tatsache, dass Diamanten entdeckt wurden. Mit ihnen können die Herrschenden ihren Machterhalt finanzieren und die Opposition korrumpieren. Wie gesagt: Momentan besteht in Simbabwe eine Koalitionsregierung, und die ehemalige Opposition ist dadurch „geschluckt“ worden. Außerdem gibt es viele Player innerhalb der potentiellen Mugabe-Nachfolgeschaft, und einige davon sind hochrangige Militärs, die sich jetzt am Zuge sehen. Spitzenpolitiker aus Mugabes Partei streiten ebenfalls erbittert um seine Nachfolge. Das „worst case“-Szenario für Simbabwe wäre ein Bürgerkrieg. Aber natürlich hoffe ich, dass es nicht soweit kommen wird.
politik-digital: Was möchten Sie den Lesern zum Abschluss noch mit auf den Weg geben?
Itai Mushekwe: Bitte bringt Afrika mehr Aufmerksamkeit entgegen, denn wir brauchen euch. Es gibt so viel, was die Menschen in Deutschland und im Westen bewirken können, um die Situation in Afrika zu verbessern. Die Europäer haben genügend kritisch denkende Bürger, um die Außenpolitik ihrer Regierungen zu beeinflussen – vor allem gegenüber all den Despotenstaaten auf der Welt.