Zahlreich sind die Artikel, die Barack Obama als neuen Politiker-Typus darstellen: den Internet Präsidenten. Beinahe ebenso zahlreich die Vergleiche mit dem "TV-Präsidenten" Reagan oder dem PR-Profi Carter. Doch selten wird die Frage gestellt, wie Obama tatsächlich eine neue Medienkultur und – wenn man ehrlich ist, geht es auch darum – eine neue demokratietheoretische Begründung seiner Präsidentschaft mittels der Grassroots im Internet umsetzen will.

 

Barack Obama hat mit seiner Kampagne über das Internet die
politische Welt umgekrempelt. Wahlen und die dazu gehörigen
Medienkampagnen haben sich damit für immer verändert. Obama hat
sich von einer "Internet-Community" ins Amt tragen lassen
und hat ihr versprochen, sie mitzunehmen. Die Online-Kampagne um
Obama war Dialog-Kommunikation in Perfektion. Das hat die Menschen
begeistert und die Erwartungen in die Höhe geschraubt. Die Website
change.gov ist ein erster Schritt zur Umsetzung dieser Strategie auch
während der Präsidentschaft. Ziel des Obama-Teams ist auch, die
klassischen Medien zu umschiffen. So kann der Präsident sich eine
eigene Öffentlichkeit, eben die Netz-Öffentlichkeit, schaffen.
Insbesondere, betonen Obama-Berater, gebe es die Möglichkeit, Input
von Wählern und Unterstützern ungefiltert zu bekommen. Und im Sinne
der Transparenz des Regierungshandelns könne man die Öffentlichkeit
auch wieder über das Internet informieren.

Zehn Millionen Online-Unterstützer vs. 290 Millionen
Amerikaner

Offen bleibt aber, wie groß die Möglichkeiten von Obama
tatsächlich sind. Die klassischen Medien haben ihre Pressevertreter
immer dicht am Präsidenten und sind "the first to know".
Diesen Umstand versuchte bereits Bill Clinton zu ändern und
scheiterte…

Nicht vergessen werden darf zudem, dass die neue politische
Internetbewegung um Obama keineswegs die klassischen Medien
"ausgeschaltet" hat. Zehn Millionen Unterstützern im Netz
stehen immer noch 290 Millionen weitere US-Bürger gegenüber, von
denen dieses Mal auch ein größerer Teil zur Wahl gegangen ist.

Scheitert die neue Medienkultur an der politischen Realität?

Wie lässt sich die eingangs gestellte Frage nach der neuen
Medienkultur dann auch mit Bezug zum politischen Prozess beantworten?
Auch Barack Obama ist Präsident – kein Alleinherrscher. Damit ist er
den politischen Aushandlungsprozessen und Kompromissen ausgesetzt,
die jeder Demokrat eingehen muss – selbst wenn er die mächtigste
Position der Welt bekleidet. Auch hier wird der Einfluss des Internet
an der politischen Realität scheitern.

Präsidentschaft ist keine Kampagne

Was bleibt also am Ende vom Internet-Hype übrig, wenn die
Kampagne vorbei ist und die Präsidentschaft von Obama beginnt? Es
bleibt eine junge und dynamische Präsidentschaft, die im Internet
ein Mittel der Dialog-Kommunikation gefunden hat, eine spezielle
Klientel mit speziellen Bedürfnissen einbinden zu können: Wer Wert
darauf legt vom Präsidenten gehört zu werden, kann dies im Internet
tun. Für alle weiteren sind die bisher vorherrschenden Medienkanäle
weiter da. Damit wird ein Stück weit wieder Normalität einkehren in
Washington. Eine Präsidentschaft ist eben gerade keine Kampagne.

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