Es scheint fast so, als dürfte der Begriff der KI in keiner digitalen Debatte mehr fehlen. Aber was ist eigentlich Künstliche Intelligenz? Dies ist eine intelligente Frage. Dieser Artikel macht sich mit einem Seminarbericht auf die Suche nach einer intelligenten Antwort.
Intelligenz ist, was man darunter versteht
Es ist noch dunkel draußen und nur das Smartphone scheint schon richtig wach zu sein, als ich mich auf dem Weg mache. Zielsicher lotst die digitale Navigation durch den Sonnenaufgang Richtung drei intensiver Tage rund um die „Künstliche Intelligenz in der betrieblichen Praxis“.
Der Titel des Seminars verdeutlicht das einfache wie verheißungsvolle Versprechen der künstlichen Intelligenz. Diese soll unser Leben einfacher, effizienter und angenehmer machen. Viele Aufgaben, die heute mühsam von Menschen getätigt werden, sollen in Zukunft intelligente Algorithmen und Maschinen übernehmen. Aber ist dies wirklich intelligent?
„Intelligenz“, so definiert es das Oxford Dictionary,“ ist die Fähigkeit neues Wissen und neue Fähigkeiten zu erwerben und anzuwenden.“ In anderen Worten, Kern der Künstlichen Intelligenz ist es zu lernen, sowie aus Erfahrungen, sprich Daten, Schlussfolgerungen zu ziehen.
Intelligenz, so scheint es, ist eine Frage, wie man darüber denkt. Verschiedene Denkschulen verstehen unterschiedliches unter dem, was als Künstliche Intelligenz begriffen wird.
Einige gehen vom Turing Test aus, KI sei eine Maschine, die sich wie ein Mensch verhalte. Daher sei es für den menschlichen Beobachter nicht möglich, zwischen Menschen und Maschine zu unterscheiden. Singularität denkt hier bereits weiter. Die Vorstellung ist, das menschliche Gehirn technisch nachzuempfinden, eine Künstliche Intelligenz zu schaffen, welche die menschliche Intelligenz exponentiell übertreffen, vielleicht sogar unterwerfen könnte.
Ob dies alles rationale Annahmen sind, damit beschäftigt sich die Denkschule des „Thinking Rational“. Hierunter ist zu verstehen, dass alle Entscheidungen einer AI letztlich auf rein logischen Schlussfolgerungen basierten. Dies ist ähnlich zur Denkschule des „Rational Agent“, eines Agenten, der auch unter Unsicherheit in einer Situation die „beste“ Entscheidung trifft.
Die Digitalisierung neu (er)finden?
Es vergeht kaum ein Tag ohne neue technologische Entdeckungen. Viele dieser neuen digitalen Möglichkeiten mögen futuristisch wirken, blicken jedoch erstaunlicherweise bereits auf eine lange Geschichte zurück. Als Geburtsstunde der Künstlichen Intelligenz gilt die Dartmouth Conference. Hier trafen sich 1956 in New Hampshire verschiedene Pioniere der Informatik, um über die Möglichkeiten der digitalen Datenverarbeitung, sprich Digitalisierung zu diskutieren. Nur drei Jahre später überraschte Arthur Samuel mit seinem Damecomputer, basierend auf Machine-Learning, die Fachwelt. Knapp sieben Jahre später sorgte Joseph Weizenbaum mit einem der ersten Chatbots mit dem Namen ELIZA noch einmal für großes Aufsehen. Die anfängliche Euphorie wich jedoch bald einer Ernüchterung, dem sogenannten „KI Winter“. Viele große Erwartungen ließen sich aufgrund der begrenzten Möglichkeiten nicht erfüllen.
Die erneute Euphorie für Künstliche Intelligenz lässt sich vor allem mit der digitalen Entwicklung der letzten Jahre erklären. Waren anfangs die Rechenkapazitäten noch begrenzt, trägt heute jeder Besitzer eines Smartphones das vielfache Rechenpotential von Apollo 11 mit sich. Mangelte es zu Beginn noch an ausreichend Daten die Systeme zu trainieren, scheint heute eine kaum mehr zu verarbeitende Datenflut vorhanden zu sein. Schließlich sind viele der Algorithmen heute frei für alle Bereiche zum Experimentieren als Open Source vorhanden.
Probieren geht über Programmieren
Bei der Anmeldung für das Seminar hatte ich automatisch die bekannten Vorstellungen von übermenschlichen Superintelligenzen aus Science-Fiction Filme im Kopf. Allerdings wird im Laufe des Seminars schnell eines deutlich. So einfach wie verheißungsvoll das Versprechen der KI, so einfach ist auch ihre fundamentale Grundidee. Ziel einer jeden KI ist die Suchoptimierung, die Suche nach einer möglichst optimalen Antwort.
Als zentraler Akteur steht ein Agent, in diesem Fall ein digitales Rechensystem. Dieser findet sich in einer bestimmten Umwelt wieder mit der Aufgabe, ein vorgegebenes Ziel zu erreichen. Die verschiedenen Schritte lassen sich in der sogenannten PEAS Formel zusammenfassen. Perfomance beschreibt die Qualitätskriterien, welche bestimmen sollen, ob ein Ziel erreicht wurde und ob es gut erreicht wurde. Environment wiederum gibt Auskunft über die Umwelt, in der sich der Agent befindet. Diese kann entweder vollkommen bekannt sein, wie etwa ein Schachspiel. Hier sind alle möglichen Zustände des Spiels bekannt. Diese Umwelt kann aber auch vollkommen unbekannt sein, wie etwa der Straßenverkehr beim autonomen Fahren. Action gibt die verschiedenen Schritte vor, welche zur Erreichung des vorgegebenen Zieles notwendig sind, anders gesagt die Algorithmen. Je nach Situation können die einzelnen Schritte hier aufeinander aufbauen oder stets unabhängig von vorgegebenen Ereignissen erfolgen. Sensor schließlich ist die Verbindung des Agenten als System zu seiner Umwelt. Durch verschiedene Messinstrumente nimmt der Agent seine Umwelt wahr, agiert dementsprechend. Entscheidend für Künstliche Intelligenz ist es, dass derselbe Prozess nicht einfach wiederholt wird, sondern aus diesem gelernt wird. Der Prozess wird somit stetig aus Daten verbessert.
Eine KI macht noch nicht intelligent
„Computer sind unbrauchbar. Sie können nur Fragen beantworten;“ musste einmal der spanische Maler Pablo Picasso ernüchternd feststellen. Bei immer mehr Lebensfragen führt der erste Weg direkt ins Internet zu bekannten Suchmaschinen. Es sind vor allem die digitalen Begleiter wie Alexa, Cortana oder Siri, die immer häufiger bei wichtigen Antworten helfen. Eine entscheidende Frage ist sicherlich, wie die KI die zukünftige Arbeitswelt verändern wird.
Immer mehr Unternehmen, nicht nur im digitalen Bereich, erkennen die Vorzüge künstlicher Intelligenz. Häufig kommen schon jetzt für einfache Aufgaben Chatbots, Bild- und Spracherkennungssysteme zum Einsatz. Auf diese Weise werden viele Abläufe, welche sonst von Menschen in mühsamer Handarbeit erledigt würden, schneller und effizienter ausgeführt. Es mag verunsichern, einzugestehen, dass Künstliche Intelligenz menschliche Schachspieler oder Quizkandidaten schlagen kann. Es mag verunsichern, zu erkennen, dass Künstliche Intelligenz etwa in der Verarbeitung von Textdateien dem Menschen schon jetzt überlegen ist. Allerdings macht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz per se etwas noch nicht intelligent. Was nützt etwa ein Chatbot, der ein medizinisches Lexikon auswendig aufsagen kann, dem aber die Patienten nicht vertrauen können oder wollen?
Die große Chance, aber auch Herausforderung, wird deutlich, ist es, Künstliche Intelligenz weiter zu denken. Viele Prozesse, die früher in mühevoller Handarbeit erledigt wurden, sind automatisiert worden. Dies per se ist noch nicht intelligent, allerhöchstens ressourcensparend. Algorithmen sind feste Abfolgen, wie ein vorgegebenes Problem zu lösen ist. Diese Algorithmen können aber immer nur so gut sein, wie gut das Problem selbst verstanden wurde. Daher ist es wichtig, mithilfe Künstlicher Intelligenz Prozesse nicht nur zu standardisieren, sondern konkret weiter zu denken. Wo lassen sich diese anwenden? Wie lassen sich diese anwenden? Vielleicht auch zu hinterfragen, ob sich KI manchmal überhaupt anwenden lässt?
Chancen und Risiken verstehen
Nach drei Tagen intensiver digitaler Diskussion rund um Algorithmen, Codierung und Digitalisierung bleibt eine Frage zu beantworten. Was ist eigentlich künstliche Intelligenz? Entsprechend einem alten Spruch gilt. Wer dumme Fragen stellt, bekommt dumme Antworten! Logisch folgernd müsste eine intelligente Frage eine intelligente Antwort liefern. Intelligenz leitet sich vom lateinischen ab, für verstehen, oder zwischen Optionen zu wählen. Anders ausgedrückt, Intelligenz heißt sich zu helfen zu wissen, wie ein Problem zu lösen ist.
Viele Befürchtungen sind damit verbunden, dass KI Menschen in Zukunft ersetzen, gar überflüssig machen könnten. Dieses Verständnis ist jedoch zu kurz gedacht. Eine Maschine denkt anders als Menschen denken. Die Pionierin der Informatik Ada Lovelace stellt einmal fest: „Die Maschine ist kein denkendes Wesen, sondern lediglich ein Automat, der nach Gesetzen handelt, die ihm auferlegt wurden.“ Natürlich muss eingestanden werden, dass Maschinen den Menschen in verschiedenen einfachen Tätigkeiten längt überlegen sind. Allerdings lautet eine Kernerkenntnis des Seminars: Künstliche Intelligenz lebt vom Lernen. Genau diese zentrale Erkenntnis ist es, welche die Menschheit vielleicht wieder zu lernen hat.
Künstliche Intelligenz muss stetig trainiert werden, um sich der verändernden Umwelt anzupassen. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern muss verstanden werden, um diese zu gestalten. Viele einfache Probleme lassen sich durch Maschinen lösen. Darin besteht kein Zweifel. Allerdings bleibt die große Frage, wie mit einer Digitalisierung umzugehen ist, die immer mehr Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen an den verschiedensten Orten verbindet. Ob eine künstliche Intelligenz hierauf eine Antwort liefern kann, ist eher fraglich.
Derzeit werden Mensch und Maschine noch zu sehr als Konkurrenten denn Kollegen gedacht. Eine Maschine ist dem Menschen sicher überlegen, wenn es sich um einfache Tätigkeiten mit klaren Regeln handelt. Allerdings können diese keine Antworten geben, wenn es darum geht, in einem Team zusammenzuwirken, Kreativität, Empathie im Umgang mit Kollegen zu zeigen.
Künstliche Intelligenz braucht gesunden Menschenverstand
Intelligenz bedeutet zu verstehen, wie ein Problem zu lösen ist. Aus diesem Grund wird es in Zukunft immer wichtiger, sich nicht nur auf die Maschinen zu verlassen, sondern zu verstehen, was diese tun. Es wird Aufgabe der Menschen sein, die Maschinen zu trainieren, aber auch zu disziplinieren, zu verstehen, was diese tun, diese ethisch immer wieder neu zu hinterfragen.
Daher gilt: Wie die Maschinen lernen müssen, Aufgaben für Maschinen zu lösen, so müssen Menschen lernen Aufgaben der Menschheit zu lösen, wie das gemeinsame Miteinander zu schaffen. Anders ausgedrückt: Künstliche Intelligenz braucht den gesunden Menschenverstand mehr denn je, oder mit den Worten des französischen Schriftstellers Albert Camus gesprochen:
„Der Mensch ist nichts an sich. Er ist nur eine grenzenlose Chance. Aber er ist der grenzenlos Verantwortliche für diese Chance.“
Wer nun selbst die Chance ergreifen will, die Welt der Künstlichen Intelligenz zu entdecken, dem sei der kostenlose Kurs Elements of AI der Universität von Helsinki empfohlen.
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Rätsel: FiguralRelation via Wikimedia Commons, gemeinfrei
Die Lösung ist “d”.