Durch die vorgezogenen Neuwahlen hatten die Kampagnenmacher wenig Zeit zur Strategieentwicklung. Welches Medium eignet sich in solch einer besonderen Situation am besten? Das Internet, dass für seine Schnelligkeit bekannt ist? Der folgende Artikel berichtet über die Aktivitäten der Parteien im Netz.

Nach dem Scheitern der österreichischen Regierungskoalition am 9. September sahen sich von einem Tag auf den anderen Parteizentralen, Medien und die Bevölkerung mit einem Wahlkampf konfrontiert. Die Kampagnenmaschinerie lief problemlos an: die Medien starteten wahlspezifische Sonderberichterstattung, Meinungsforschungsinstitute publizierten wöchentlich neue Umfragen und gaben gleichzeitig Pressekonferenzen, auf denen sie praktisch die Nichtigkeit ihrer Umfragen erklärten. Die Parteien verstärkten ihre Medienarbeit und plakatierten mehr Plakate als irgendjemand ertragen kann.

Der Wahlkampf im Internet startete jedoch erst wenige Wochen vor der Wahl. Der Grund dafür ist in der Kurzfristigkeit der Wahl zu sehen. Der Ernst der Situation wurde erst Ende August sichtbar und für den Anfang September startenden Wahlkampf war die Zeit zu kurz, für die Parteien, die Medien als auch die „Zivilgesellschaft“, umfassende wahlkampfbegleitende Internetaktivitäten fristgerecht umzusetzen.

Die Parteien

Die Parteien sind naturgemäß die Hauptakteure bei Wahlkämpfen im Netz. Um sie dreht sich alles. Auf den Webseiten der vier im Parlament vertretenen Parteien war lange Zeit vom Wahlkampf nur wenig zu spüren, mit Ausnahme der einschlägigen Presseaussendungen, die bei allen Parteien übers Netz abzurufen waren.

Die Koalitionskrise war bei der
FPÖ als erste Partei im Netz zu spüren. Wer sich über den Machtkampf innerhalb der Partei auf deren Webpage aus erster Hand informieren wollte, musste über drei Wochen hinweg bemerken, dass die Seite der Freiheitlichen fast nie zu erreichen war. Dass die Partei im Internet zu dieser Zeit nicht in der Lage war, mit einer Stimme zu sprechen, war durchaus bezeichnend.

Erst einen Monat vor der Wahl relaunchten
SPÖ und
ÖVP ihre Seiten und richteten sie funktional auf den Wahlkampf ein. Etwas später folgten die Freiheitlichen, deren Seite zwar im neuen Design erstrahlte, aber der man funktional ihren Zweck, nämlich die Verwendung im Wahlkampf, nicht ansieht. Als letzte Partei stellten die Grünen, in Österreich traditionell die innovativen Vorreiter in Sachen Web- Campaigning, ihre neue Seite ins Netz.

Austrian Web Campaigning 2002 – Was ist neu?

Gleich zu Beginn ist zu sagen: viel aufregend Neues oder Innovatives bietet der österreichische Netzwahlkampf 2002 nicht.

Die internationalen Trends lassen sich jedoch auch hierzulande ausmachen: die Seiten werden immer professioneller und im Internet lässt sich verstärkt eine Personalisierungstendenz ausmachen. Bei der SPÖ, den
Grünen und dem Liberalen Forum mehr als bei ÖVP und FPÖ, doch auch hier führen alle Wege früher oder später zum Spitzenkandidaten. Die internationalen Standards finden sich auch in Österreich: E- Cards, Programmatisches in allen Formen, der ausführliche multimediale Presseservice, Wahlkampftagebücher, Rekrutierungstools und die Möglichkeit, der Partei Spenden zukommen zu lassen.

Das ist alles so weit aus anderen Ländern bekannt. Neues lässt sich nur in Bezug auf Österreich feststellen.

Was im Wahlkampf auffällig und für Österreich in dieser Konzentration durchaus neu ist, ist der ausgiebige Gebrauch von Film- und Tondokumenten auf den Homepages der Parteien. Das dürfte zum Teil damit zusammenhängen, dass die Parteien dieses Jahr erstmals massiv mit Fernsehspots werben, die alle im Netz zu sehen sind. Außerdem sind bei den meisten Parteien die Radiospots abrufbar. Massiv wird mit Video- und Audioclips der Kandidaten gearbeitet, die ihre Positionen und Visionen für Österreich vorstellen. Vor allem bei der Volkspartei, die die Verwendung von Sound- und Videoclips auf die Spitze treibt, werden zahlreiche Testimonials für Kanzler Schüssel verwendet, also audiovisuelle Unterstützungserklärungen von namenhaften Politikern aus Österreich (konservative Ministerpräsidenten etc.), aber auch aus anderen Ländern Europas.

Eine weitere kleine demokratische Innovation im Internet für Österreich ist auf der
Homepage der ÖVP zu finden. Alle Kandidaten, die auf einem wählbaren Platz auf der Bundes-, Landes- oder Bezirksliste sind, haben eine eigene Seite auf der ÖVP-Page. Über jeden realistischerweise wählbaren Kandidaten ist mindestens ein Lebenslauf, seine politischen Schwerpunkthemen und natürlich Kontaktsadressen (Email, Telefon, Post) verfügbar.In Österreich, das über ein Listenwahlrecht verfügt und die Wähler dadurch die Kandidaten, die sie ins Parlament wählen, nicht kennen, hat das hoffentlich für die anderen Parteien Vorbildwirkung für die Zukunft, um den politischen Prozess im Parlament anhand seiner Mitglieder den Bürgern näher zu bringen.



Das Innovationsdefizit muss natürlich im Zusammenhang mit der schon oben betonten Kurzfristigkeit des Wahlkampfes gesehen werden. Man muss jedoch allen Parteien zugute halten, dass ihre Kampagnenseiten vom Design, der Benutzerfreundlichkeit und dem Inhalt durchgehend den Seiten, die die Parteien vor dem Wahlkampf im Netz präsentierten, deutlich überlegen sind.

Wenn Österreich dieses Mal zwar international nichts zur Erweiterung des Kanons an Webcampaigning Tools und Ideen beiträgt, ist doch angenehm festzustellen, dass alle Parteien auch kurzfristig in der Lage sind, professionelle Angebote ins Netz zu stellen.

Sind die Österreichischen Parteien schon im Internetzeitalter angekommen?

Aber wie sieht es mit der Internettauglichkeit der Parteien aus? Eine schön designte Webpage bedeutet noch nicht, dass die Parteien tatsächlich schon im digitalen Zeitalter angekommen sind. Nach einem verdeckten Praxistest der „Salzburger Nachrichten“ müssen sich die österreichischen Parteien nicht verstecken. Ein Ergebnis war, dass Kleinparteien das Netz offensichtlich besser nutzen: Eine inhaltliche Anfrage an alle Parteien wurde vom Liberalem Form innerhalb von vier Minuten beantwortet. Die Kleinpartei „
Die Demokraten“, die nur in zwei von neun österreichischen Bundesländern zur Wahl antreten, antworteten innerhalb von 15 Minuten. Zwischen 60 und 90 Minuten benötigten die „Altparteien“ SPÖ und ÖVP. Die Freiheitlichen benötigten drei Stunden und die Kommunisten 24 Stunden. Die Grünen brauchten, und das ist die unerwartete Überraschung, da sie sonst als Vorreiter im Netz gelten, eine zweite Anfrage und danach noch einmal 48 Stunden. Im Wahlkampf 1999 endeten einige verdeckte Mailtests an Parteien noch mit dem Hinweis, dass man von den restlichen zwei Parteien trotz mehrmaliger Nachfrage leider nichts mehr gehört hat. Dagegen stellt das beantworten einer Anfrage in weniger als 24 Stunden eine gewaltige Verbesserung dar.

Erschienen am 21.11.2002