Wahlkampf in einer geteilten Nation: Der USA-Experte Prof. Filzmaier kommentiert die Ausgangslage. Was brauchen Clintons Erben, um Bush ins Weiße Haus zu folgen?
Wahlkampf in einer geteilten Nation: Der USA-Experte Prof. Filzmaier kommentiert die Ausgangslage. Was brauchen Clintons Erben, um Bush ins Weiße Haus zu folgen?
Noch nie waren die USA politisch so tiefgehend gespalten wie im Wahljahr 2004. Alle Wahlergebnisse der letzten Jahre ergaben einen nahezu ausgeglichenen Stimmenanteil der Republikaner und Demokraten. In den Präsidentschaftswahlen 2000 entschieden 0,0005 Prozent der Stimmen. Die Mehrheiten im Kongress stützen sich seit 1998 auf wenige Sitze. Sogar eine Addition aller Wahlen für den einzelstaatlichen Kongress in 50 Einzelstaaten ergibt eine Pattstellung.
Lagerbildung und ideologischer Graben
In Meinungsumfragen deklarieren sich jeweils etwa ein Drittel der Bevölkerung als Anhänger der Republikaner, der Demokraten oder als unabhängige Wähler. Bemerkenswert ist, dass auch ideologisch eine starke Grenzziehung zwischen der Republikanischen Partei als konservativ und der Demokratischen Partei als relativ liberal festzustellen ist. Das führt zu heftigen Konfrontationen und weniger Zusammenarbeit im Kongress, vom republikanischen Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Clinton nach der Lewinsky-Affäre bis zu demokratischen Protesten gegen den von Bush errichteten Ordnungsstaat auf Kosten individueller Freiheiten.
Die Empfindungen in der Bevölkerung sind ähnlich. Die Zustimmungsraten für die Politik von Präsident Bush betragen bis zu 60 Prozent. Unter Republikanern erzielt er aber Werte von über 90 Prozent, mehr als Ronald Reagan je erreichte. Zugleich befürworten unter 25 Prozent der Demokraten seine Amtsführung. Das ist weniger als Richard Nixon am Höhepunkt des Watergate-Skandals aufwies.
Dieselbe Kluft prägt alle Politikbereiche von Wirtschaft bis Außenpolitik. Republikaner begrüßen die Wirtschaftspolitik des Präsidenten und sehen sich subjektiv in einer gegenüber 2000 verbesserten ökonomischen Situation. Demokraten glauben sowohl an eine allgemeine Wirtschaftskrise des Landes als auch empfinden sie eine persönliche Verschlechterung. 82 Prozent der republikanischen Wähler und weniger als 50 Prozent der demokratischen Anhänger sprechen sich für präventive Militärschläge im Ausland aus.
Zur verschärften Polarisierung der Parteien und in der Bevölkerung kommt eine regionale Spaltung der Einzelstaaten. All das führt dazu, dass die Kongress- und Präsidentschaftswahlen 2004 richtungweisenden Charakter haben, weil wenige Stimmen einen grundsätzlichen Politikwechsel der USA bewirken würden.
Wer gewinnen wird?
Es laufen die Vorwahlen der Demokraten, wer George Bush im Präsidentschaftswahlkampf herausfordern soll. In Wahrheit ist das egal. Weil sich der Amtsinhaber einer Wiederwahl stellt, zählt für die Bevölkerung nur eine Frage: „Verdient es Bush, Präsident zu bleiben?“
Die demokratischen Vorwahlkandidaten sind fast der Hälfte der Amerikaner noch unbekannt. Das ändert sich erst im Sommer 2004, wenn die Bundesparteitage stattfinden und am Labor Day der Intensivwahlkampf beginnt.
Aber auch dann gilt: Nur wer die Frage nach den Verdiensten von Bush verneint, ist neugierig genug, um mehr über den Herausforderer zu erfahren. Das gab es zuletzt 1980 und 1992, als die Präsidenten Carter und Bush senior unerwartete Schwächen zeigten, und die Wähler sich plötzlich für die späteren Wahlsieger Ronald Reagan und Bill Clinton interessierten.
Die aktuellen Meinungsumfragen sind irrelevant. Es besteht bis Juli kein Zusammenhang zwischen der Beliebtheit des Präsidenten und dem Wahlergebnis. Frühestens dann lässt sich sagen, ob Zustimmungsraten von über 55 Prozent eine Wiederwahl von Bush wahrscheinlich machen, oder er in Schwierigkeiten ist.
Wer fordert George Bush heraus?
Die Wahl des Herausforderers verläuft allerdings überraschend. Howard Dean müsste chancenlos sein, weil er trotz des Hurra-Patriotismus seit dem 11. September stets den Irak-Krieg kritisierte und das Partei-Establishment ihn nicht mag. Als Gouverneur des kleinen Vermont verfügt Dean aber über den Vorteil, eine radikale Protestrolle gegen die offizielle Politik in Washington D.C. glaubhafter zu vertreten als langjährige Kongressabgeordnete wie Senator John Kerry.
Entscheidender Nachteil eines rebellisch von außen antretenden Kandidaten sind meistens unzureichende Wahlkampfmittel. Nicht zuletzt durch die Nutzung des Internets als Fundraising-Instrument könnte Dean jedoch bald einen dreistelligen Millionenbetrag in seiner Kriegskasse haben. Das ist das meiste Geld, das jemals einem Herausforderer in den Vorwahlen zur Verfügung stand.
Die Eigendynamik der Unterstützung von Favoriten führte dazu, dass immer mehr Geldgeber sich frühzeitig für Howard Dean aussprachen. Die Gefahr ist, dass seine Popularität zu früh einen Höhepunkt erreichte. An sich achtbare Ergebnisse in der einen oder anderen Vorwahl könnten als Niederlage interpretiert werden, die sein Siegerimage in Frage stellt. Umgekehrt verschafft jeder Teilerfolg gegen Dean den anderen aussichtsreichen Kandidaten der Demokraten (Clark, Edwards, Gephardt, Kerry und Lieberman) ebenfalls den Flair von Gewinnern, so dass jeder Ausgang noch möglich ist.
Unabhängig davon wird aber jeder Herausforderer von Bush nur Erfolg haben, wenn eine Mehrheit dessen Sicherheitspolitik im Inland und das militärische Vorgehen im Ausland als Affront empfindet. Ist das nicht der Fall, wäre auch Franklin D. Roosevelt chancenlos. Kippt die Stimmung gegen Bush, hätte sogar Donald Duck gute Chancen.
Der Autor Prof. Peter Filzmaier ist Politikwissenschaftler an der Universität Klagenfurt.