Nur elf Wochen Wahlkampf, doch von Langeweile kann nicht die Rede sein. Der Zustand der FPÖ, Jörg Haider und die prominenten Quereinsteiger der einzelnen Parteien liefern jede Menge spannende Geschichten. Nur ein Gerücht, dass Arnold Schwarzenegger zur Wahl steht?
Der Wahlkampf dauerte vom Bruch der Koalition bis zum Wahltag nur elf Wochen. Von den Kommentatoren wurde die Parteienstrategie bis zum Beginn der „heißen Wahlkampfphase Anfang November oft als „politisches Mikado“ bezeichnet, nach dem Motto: „Wer sich inhaltlich zuerst bewegt, hat verloren“. Bis drei Wochen vor der Wahl war der Wahlkampf daher inhaltlich weitestgehend leer und in den Medien dominierten zwei große Themen die Berichterstattung: der Zustand der
FPÖ und die prominenten Quereinsteigern der einzelnen Parteien.
Haider kommt!… – Oder doch nicht…. – Doch, er kommt wieder! … – Nein, doch nicht…..
Vom Rücktritt Riess-Passers am 9. September bis drei Wochen vor der Wahl gab die FPÖ reichlich Stoff für die Medien ab: Nach dem Rücktritt der Parteispitze um Susanne Riess- Passer übernahm ihr Stellvertreter, Verteitigungsminister Herbert Scheibner für wenige Tage das Kommando bis zum nächsten eilig angesetzten Parteitag. Der Ruf der Partei in der Krise nach der Rückkehr Jörg Haiders an die Spitze wurde immer lauter und Haider erklärte sich nach langem Zögern tatsächlich bereit, die Partei wieder zu übernehmen. Sozial- und Frauenminister Herbert Haupt wurde zum Spitzenkandidaten designiert. Nach einigen Tagen als designierter Obmann erklärte Haider wieder einmal seinen Rücktritt. Der Grund: Bei einer Veranstaltung sei eine dunkle Gestalt an ihn herangetreten und habe ihn davor gewarnt, gegen den beschlossenen Abfangjägerkauf aufzutreten. Außerdem möge er auf seine Familien aufpassen. Geschockt von dieser Drohung gegen Leib und Leben beschloss er, sich zurückzuziehen und verlautbarte Verschwörungstheorien von Waffenlobbies. Laut Ohrenzeugenberichten hat der Mann allerdings eher gemeint, dass er froh sei, dass Haider die Partei wieder übernommen hätte. Er möge doch jetzt auf seine Familien (nämlich die Partei) gut aufpassen. Letztlich ist der Vorgang ungeklärt.
Tatsache ist, dass die Partei innerhalb von 2 Wochen zum dritten Mal auf Obmannsuche war. Nach längerem Beknien ließ sich der bisherige Infrastrukturminister Matthias Reichhold auf das Himmelfahrtskommando des Parteiobmanns und Spitzenkandidaten ein. Um die Entwicklung kurz vorwegzunehmen: Reichhold gab nach 40 Tagen auf! Ihm gelang es immer schlechter, die zwei Strömungen in der Partei, die populistische Oppositions- und die pragmatische Regierungslinie zu vereinen. Als er drei Wochen vor der Wahl mit schwerer Angina ins Krankenhaus eingeliefert wurde und ihm die Ärzte angeblich schwere gesundheitliche Folgeschäden für den Fall seines weiteren Wahlkampfeinsatzes prophezeiten, trat Reichhold zurück. Tatsache war wiederum, dass ihm, von den Medien angefangen bis hin zu Parteifunktionären, keiner eine Zukunft bis zur Wahl zugetraut hat. Die Krankheit war wohl eher der Rücktrittsgrund, nicht aber die Ursache. Nebenbei: Die Kampagne war bei Reichholds Rücktritt bereits auf ihn als Person zugeschnitten. Als Giveaways verteilten die Freiheitlichen kleine Päckchen Taschentücher mit dem Konterfeit des lungenkranken Reichhold und dem Text „Xundheit! Damit sie wieder frei atmen können.“ Seine Nachfolge als Obmann und Spitzenkandidat trat Herbert Haupt an, Sozialminister und Ex- Spitzenkandidat vor Reichhold.
Wer klopft da an die Tür?
Bis drei Wochen vor der Wahl mussten die Kandidatenlisten der Parteien eingereicht werden. Durch die „Mikado- Taktik“ der Parteien wurden keinerlei Themen kommuniziert, um dem Gegner keine Angriffsfläche zu bieten. Die Parteien versuchten, und das bestimmte neben dem turbulenten Zustand der FPÖ die Medienberichterstattung, über ihre Kandidaten bei den Wählern zu reüssieren.
Den ersten Coup landete
SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer, indem er den Diplomaten
Wolfgang Petritsch als potentiellen Außenminister in sein Team holte. Petritsch war Hoher Repräsentant der UNO in Bosnien- Herzegowina und ist in Österreich als kompetenter Außenpolitiker anerkannt. Bereits vor 4 Jahren wollte ihn die SPÖ als Kandidaten gewinnen, was er damals aber ablehnte. Der zweite und wesentlich größere Coup gelang ihm mit Josef Broukal, Moderator der Hauptabendnachrichten des
ORF und beliebtester Fernsehsprecher Österreichs. Von einem Tag auf den anderen schied er überraschend aus dem ORF aus und gab seine Kandidatur bekannt. Broukal ist nicht nur enorm bekannt und beliebt, er ist auch fernsehtauglich und kannte aus seinem früheren Job auch noch das vollständige Konzept der ORF Wahlberichterstattung. Gusenbauers letzter Coup war die Kandidatur der früheren burgenländischen Superintendentin Gertraud Knoll, die bei der letzten Bundespräsidentenwahl angetreten war. Knoll gilt als bürgerliches, linksliberales Aushängeschild und ist somit geeignet, potentielle Grünwähler zu fangen.
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel präsentierte erst relativ spät seine prominenten Kandidaten: Ingrid Wendel, ehemals Eiskunstläuferin und wichtiger, Moderatorin der ORF- Sendung „Seniorenklub“. Der Name war Programm und das Signal an die Zielgruppe sehr deutlich. Immerhin wählten zuletzt 33 Prozent der Senioren die ÖVP. Schüssels strategisches Meisterstück gelang ihm zwei Wochen vor der Wahl. Schüssel kündigte an, den freiheitlichen Finanzminister
Karl Heinz Grasser, seineszeichens österreichs beliebtester Politiker, als parteiunabhängigen Fachmann in einer neuen ÖVP- Regierung wieder in seinem Amt zu übernehmen. Unabhängig davon, ob Grassers Partei an dieser Koalition beteiligt ist oder nicht. Grasser, dem wenige Tage zuvor von Jörg Haider Bestechung in Verbindung mit dem Kauf der Abfangjäger vorgeworfen wurde und der von Haider und Haupt zum Austritt aus der Partei aufgefordert wurde, nahm das Angebot an. Der Schock in der FPÖ saß tief. Nach anfänglicher Ablehnung und zwischenzeitlicher Akzeptanz von Grasser als Finanzminister in einer möglichen neuen Schwarz- Blauen Koalition, scheint sich die Partei nun endlich auf eine ablehnende Haltung Grasser gegenüber geeinigt zu haben.
Schüssel kündigte für die letzte Woche allerdings noch eine personelle Überraschung an. Die Gerüchte reichen von der beliebten steirischen Ministerpräsidentin Waltraud Klasnic als Ministerkandidatin bis zu einem Wahlaufruf des berühmten Auslandssteirers Arnold Schwarzenegger für Schüssel. Am Rande: Schwarzenegger plant selbst eine politische Karriere in den USA und überlegt momentan, für die Republikaner 2006 ins Rennen um den Gouvernor von Kalifornien zu gehen.
Die Freiheitlichen waren mit anderen Problemen geschlagen, als sich prominente Kandidaten zu suchen. Der einzige prominente Quereinsteiger ist der Sportler Elmar Lichtenegger. Bei der letzten Wahl kandidierte für die FPÖ schon einmal ein Sportler, der ehemals sehr erfolgreiche Skifahrer Patrik Ortlieb. In den vier Jahren als Abgeordneter kam er nur mit einem angeblichen Sexskandal in einer Innsbrucker Tiefgarage in die Medien. Über Lichtenegger ist nichts Einschlägiges bekannt. Dafür kann man auf
seiner Homepage Fotos sehen, die ihn athletisch und vor allem hüllenlos zeigen. Auf seine Einstandsrede im Parlament darf man gespannt sein.
Duell im Fernsehzeitalter
Die letzten drei Wochen vor der Wahl waren geprägt von sechs Fernsehduellen, wobei in Zweierdiskussionen jeder Parteichef einmal die Gelegenheit bekommt, mit jedem anderen zu diskutieren. Den Abschluss bildet die so genannte „Elefantenrunde“, bei der alle vier Parteichefs aufeinander treffen. TV- Konfrontationen bestätigen in der Regel die vorhandenen Einstellungen der Zuschauer und sind laut Wahlforschern eher unbedeutend für das Wahlergebnis. Durch die Kürze des österreichischen Wahlkampfes werden den TV- Duellen bei dieser Wahl allerdings großes Wirkungspotential vorausgesagt.
Markant war, wie gut sich wieder Erwarten Wolfgang Schüssel in den ersten beiden Konfrontationen gegen den Chef der Grünen und der FPÖ behaupten konnte. Alle Kommentare sahen ihn als Sieger. Wolfgang Schüssel galt bald als unschlagbar. Mit besonderer Spannung wurde daher sein Duell mit dem Kanzlerkandidaten Alfred Gusenbauer von der SPÖ erwartet.
Gusenbauer, vom Spiegel beschrieben als „ein Hauch von Scharping mit der Ausstrahlung eines spätsowjetischen Kaderleiters“ konnte sich auch überraschend Staatstragend präsentieren, wenn auch bei weitem nicht so gekonnt wie Schüssel. Das Aufeinandertreffen zwischen Schüssel und Gusenbauer wendete das Blatt allerdings zugunsten von Gusenbauer: trat er zuvor als ruhig und über den Dingen stehend auf, präsentierte er sich Schüssel gegenüber als bissiger Oppositionspolitiker. Schüssel, der offensichtlich rund 20 Minuten brauchte, um sich auf den neuen Stil Gusenbauers zu gewöhnen, wirkte natürlich bei weitem nicht so souverän wie in den vorherigen Diskussionen.
Das Rennen ist auch hier offen. Nachdem Gusenbauer in den Medien nie als gleich kanzlerwürdig mit Schüssel gesehen wurde, änderte sich das, nachdem selbst konservative Zeitungen Gusenbauer eindeutig den Sieg zugestanden. Die Elefantenrunde vier Tage vor der Wahl steht noch aus. Und alles ist offen!
Erschienen am 21.11.2002
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