Die Parlamentswahlen in Italien stehen vor der Tür. Carlo Campani hat sich den Online-Wahlkampf der großen Parteien in Italien für politik-digital.de angesehen und die Ergebnisse zusammengefasst.
Die Parlamentswahlen in Italien stehen vor der Tür. Carlo Campani hat sich den Online-Wahlkampf der großen Parteien in Italien für politik-digital.de angesehen und die Ergebnisse zusammengefasst.
Die italienischen Parlamentswahlen am 9. April 2006 stellen die knapp 51 Millionen Wahlberechtigten vor dieselbe Alternative wie 1997. Wie damals kandidieren der Medienmogul Silvio Berlusconi und der frühere Chef der Europäischen Kommission, Romano Prodi, für das Amt des Ministerpräsidenten. Wie vor 9 Jahren führt Berlusconi das Mitte-Rechts Wahlbündnis ”
Casa delle Libertà” (Haus der Freiheiten) und Prodi das Mitte-Links Wahlbündnis
„L’Ulivo“ (Olivenbaum) an. Beinahe unverändert ist auch die Zusammensetzung beider Koalitionen, wobei die herkömmliche Zersplitterung der italienischen Parteienlandschaft weiter zugenommen hat, so dass hinter der scheinbar einfachen Alternative zwischen zwei Lagern eine kaum überschaubare Zahl an politischen Gruppierungen steht. Zur Wahl treten insgesamt mehr als 170 Gruppierungen an. Die Mehrzahl davon hat zwar lokalen oder regionalen Charakter, trotzdem die rekordverdächtigen Ausmaße des diesjährigen Wahlzettels haben diesem den Spitzname “das Bettlaken” („il lenzuolo“) verschafft. Die Wahlkampfangebote der größeren Parteien werden hier vorgestellt.
Negative Campaigning als Element des Netzwahlkampfes
Die Website von “Forza Italia” (FI, Hurra Italien), der Partei von Ministerpräsident Berlusconi, stellt das Durchschnittsniveau der Websites italienischer Parteien exemplarisch dar. Sie brilliert weder durch ihr Design noch durch technische “features oder Dialogangebote, ist aber einfach zu navigieren und dient mit zahlreichen Informationen und Bildmaterial zur Begleitung und Unterstützung des Wahlkampfes. Die Parteifarben Hellblau und Weiß beherrschen den Bildschirm ebenso wie die Bilder und die Worte eines stets lächelnden Berlusconi. Besonders groß ist die Auswahl an Wahlkampfmaterial, das man downloaden oder als eCards versenden kann. Auf der Website werden alle Wahlplakate der „Forza Italia“ und zahlreiche Slogans gegen die Opposition dargestellt. Diese Features werden auch auf den Websites aller anderen Parteien angeboten.
Des Weiteren bietet die Partei „Forza Italia“ verschiedene Satellitenseiten an, die unterschiedlichen Themen gewidmet sind, z.B.
www.menotassepertutti.it, mit dem Wahlverspreiche “weniger Steuer für alle” und
www.sprechirossi.it, was übersetzt soviel wie “rote Verschwendung” bedeutet. Mit dem Steuerrechner von „menotassepertutti“ lassen sich die Entlastungen bei der Einkommen- oder Gewerbesteuer ausrechnen, die bei einem Wahlsieg Berlusconis versprochen werden. Sprechirossi.it ist ein Forum, in dem die Bürger die angebliche Verschwendung öffentlicher Gelder durch die von Parteien des Mitte-Links Wahlbündnisses regierten Gemeinden und Regionen bekannt gemacht werden können – nach den Regionalwahlen Anfang 2005 werden nunmehr 17 von den 20 Regionen Italiens von Mitte-Links-Parteien regiert.
Wahlthemen sind Terrorismus und innere Sicherheit
Der Wahlkampf der Regierungsparteien stütz sich auf Themen wie innere Sicherheit, internationalen Terrorismus (3.000 italienische Soldaten sind im Irak stationiert), Steuersenkung und auf die Erfolge der Regierung Berlusconi, die nach Angaben der Website 36 wichtige Reformen umgesetzt habe. Die Gefahren eines Wahlsieges der “Linken” spielen eine zentrale Rolle. Dabei werden regelrechte Schreckenszenarien aufgebaut und das “Gespenst des Kommunismus” regelmäßig herbeigerufen. Der verbale Extremismus, der seit mindestens einem Jahrzehnt die politische Auseinandersetzung in Italien kennzeichnet, hat in diesem Wahlkampf eine beispiellose Stufe erreicht. Dies spiegelt sich – allerdings weniger virulent als im Fernsehen – auch auf den Websites der Parteien wider. Auf der Homepage der Website zweitstärker Kraft der Regierungskoalition “Alleanza Nazionale” (AN), der Partei vom Außenminister Gianfranco Fini, wird Prodi als Pinocchio, also als Lügner und Marionette abgebildet. Zum Download bereit steht auch ein Dossier mit dem Titel „Romano Prodi – l’antiitaliano“ (der Antiitaliener).
Als Antwort darauf befinden sich lange Listen mit den Lügen Berlusconis auf den Websites der zwei wichtigsten Parteien der Opposition: der „
Democratici di Sinistra“ (Linksdemokraten) und der „
Margherita“ . Diese Parteien betreiben seit Mitte März zusätzliche, ausschließlich dem Wahlkampf gewidmete Internetauftritte
dsonline.it und
elezioni.margheritaonline.it. Die Website der „Margherita“ hat das umfangreichste Angebot an aktuellen Informationen und Foren zu den unterschiedlichen politischen Themen, wobei es manchmal an Übersichtlichkeit fehlt.
Besonders „multimedial“ geben sich die „Linksdemokraten“ (DS), die neben der Partei- und der Wahlkampfwebsite zwei zusätzliche Seiten betreiben. Die erste ist eine „
Web-TV-Plattform“, auf der Interviews mit Politikern und Kurzvideos abgespielt werden können. Die zweite bietet Raum für die Alltagsgeschichten der „
Famiglia Spera“. Die „Familie Hofft“ soll eine italienische Durchschnittfamilie darstellen, die unter den Auswirkungen der Politik der Berlusconi-Regierung besonders leidet und daher in den Wahlsieg der Opposition hofft. Auf der gleichnamigen Website sind mehrere TV-Spots abspielbar, in denen die verschiedenen Mitglieder der Familie agieren und die politische Botschaft der DS darstellen. Darüber hinaus bietet die Website den Besuchern die Möglichkeit, ein eigenes Drehbuch für neue Episoden der Serie „Famiglia Spera“ selber zu schreiben.
Die Oppositionsparteien sind stärker als die Regierungsparteien bemüht, das Internet für den Wahlkampf zu nutzen. Gerade am Beispiel der Partei
Democratici di Sinistra wird deutlich, dass das Internet als Ausgleich für eine mangelnde Präsenz im Fernsehen benutzt wird. Das Fernsehen ist in den Augen aller größeren Parteien auch in diesem Wahlkampf das unangefochtene Leitmedium. Dem Web kommt dabei lediglich eine Integrations- bzw. eine Ersatzfunktion zu.