Die Ansprüche unterschiedlicher Nutzertypen führen zu bestimmten Standards in der Aufbereitung der Onlineauftritte der Kandidaten. Mario Voigt berichtet den Status Quo der Anforderung, um im Web erfolgreichen Wahlkampf betreiben zu können.
Moderne Kampagnenseiten müssen unterschiedlichen Ansprüche typischer Internetnutzergruppen zufrieden stellen: die inhaltsorientierten sowie die unterhaltungsorientierten Surfer. Untersuchungen haben gezeigt, dass die durchschnittliche Verweildauer auf Kandidaten-Homepages etwa zehn Minuten beträgt; dabei werden im Durchschnitt zehn bis fünfzehn Seiten angeklickt. Die erfolgreichsten Anwendungen von Wahlkampf-Homepages sind so genannte „issue pages“ (http://www.ontheissues.org). Sie stellen Kandidaten mit ihren Themen und Positionen dar. Besonders beliebt sind sie in der Form tabellarischer Positionsvergleiche zwischen der eigenen und der gegnerischen Seite. Ebenfalls populär sind die „bio pages“, die die Biografie und die Lebensleistungen des Kandidaten präsentieren. „Content is king“ gilt also auch für politische Internet-Auftritte; Informationsgehalt und Gebrauchswertorientierung haben Priorität. Dabei ist generell eine interaktive Gestaltung der Anwendungen vorteilhaft – auch wenn es um Themen oder Positionen geht. Zu den Standardelementen fast jeder Webseite gehört mittlerweile eine Option, um sich für einen Online-Newsletter einzutragen, zu spenden und über die eigenen politischen Positionen zu informieren. „Blogs“, „Tell a friend“ (was dem Besucher erlaubt, eine E-mail-Empfehlung an Freunde oder Familie zu senden), Volunteer-Formulare, Video, Fotos und Links zu Treffen organisiert über Meetup.com gehören ebenso zum Standard.
Bestandteile der Homepages:
- Werdegang des Kandidaten.
- Themen und Positionen.
- Reden und Ads, auch als Video- oder Audiofile. (Bsp:
Archiv für amerikanische Wahlkampfspots). - Pressemitteilungen.
- Wahlkampfaktivitäten und ein Terminkalender für bevorstehende Ereignisse- auch über den politischen Gegner.
- Fundraising-Tools.
- Angebote zur Freiwilligenrekrutierung.
- Sonderseiten für bestimmte Gruppen (Kinder, Senioren, ethnische Gruppen, Einzelstaaten, etc.).
- Interaktives/Gimmicks: eigene Umfragen, interactive job calculator (per Staat), downloads.
- Humoristisches: animierte politische Kartoons, freche E-Cards. Bsp.: http://www.gop.com/news/cartoonGallery.aspx
- Benutzeroptionen um zwischen unterschiedlichen Textgrößen zu wählen.
- Hinweise zur Briefwahl und Anleitung für die Wählerregistrierung.
- Suchfunktionen zu regionalen Abgeordneten bzw. Ansprechpartnern für die Kampagne.
Neben den Standardelementen jeder Wahlkampfseite gibt es weitere Neuerungen. Ein Großteil von ihnen zielt darauf ab, Angebote für jeden Nutzer parat zu halten, die dieser individualisieren und lokal vor Ort weiterverwenden kann. Homepages eröffnen so Freiwilligen den Weg zu einer zentral organisierten aber dezentral und individuell verlaufenden Kampagne. Einige Neuerungen sind:
- Vorbereitete Petitionen und Online-Faxen, die nur noch personalisiert direkt an das Büro des zuständigen Senators, der Behörde etc. gefaxt werden.
- „Toolkits“ um eine eigene politische „Grassroots“-Organisation aufzubauen, mit der Möglichkeit Flugblätter herunterzuladen, ein über den Umgang mit der Presse informierendes „press kit“, eine Liste mit interessanten Aktionsvorschlägen, Tipps zum Spendensammeln und auch Sprechzettel, warum man demokratisch/republikanisch wählen sollte.
- Downloads (Bildschirmschoner, Banner-Werbung für die eigene Homepage, Poster und Aufkleber zum Ausdrucken und so weiter).
- Chat-Räume und online-chats mit Kampagnenmitarbeitern.
- Wahlkampf-Shop mit online zu bestellenden Wahlkampfutensilien wie T-Shirts, Kappen, Buttons, Aufklebern und so weiter; Kontaktinformationen. Bsp.: http://www.georgewbushstore.com/
- Inhalte für Handys oder PDAs (Palm, etc.).
- Optionen um Briefe an lokale Redakteure zu schreiben und Hinweise für das gezielte Anrufen von Talkradios mit taktischen und inhaltlichen Hinweisen.
- Direktkommunikation über „Instant Messaging“ (IM)anbieten.
- Recherchierbare Datenbanken wie „GOP Misery Index“, anhand derer man sich über verlorene/bzw. neugeschaffene Jobs, den nationalen Schuldenstand, etc. informieren kann.
- Spezialangebote für Unterstützer: Discount bei Internetanbietern, Telefonunternehmen, Mietwagenfirmen, etc.
Heute schon Post gehabt? E-Mail als Kontakttool
Amerikanische Webmaster empfehlen E-Mails als direkten Kommunikationskanal. Auf allen Online-Angeboten gibt es die Möglichkeit, sich zu registrieren und die Inhalte und Informationen zu personalisieren. Teilweise werden Telefon- oder Postaktionen durchgeführt, um an E-Mailadressen zu kommen. Auf jeder Wahlveranstaltung ist man offensiv darum bemüht, neue E-Mail-Adresse aufzunehmen bzw. die Internetangebote zu bewerben. Anliegen ist es, bei zukünftigen E-Mail-Kontakten ein zielgerichtetes und auf den Benutzer zugeschnittenes Angebot zu schaffen. Dies erfolgt in Anlehnung an das „Costumer Relations Management“, bei der das Internet an eine Datenbank gekoppelt ist und viele Arbeitsabläufe automatisiert werden. Über E-Mail verbreiten amerikanische Kampagnen per (interaktiver) E-Mails die neuesten Wahlkampf-News und Pressemitteilungen, Themen- und Positionspapieren, positive Presse über die eigene und negativer über die gegnerische Seite, Informationen über bevorstehende Kandidatenauftritte und Wahlkampfaktivitäten (vor allem im Postleitzahl-Bereich des Adressaten) oder mit Hinweisen auf neue Bestandteile der Homepage zugeschickt. Es liegt auf der Hand, dass der Aufbau eines E-Mail-Verteilers und die zielgerichtete Zusammenstellung von Newslettern nur zu bewerkstelligen sind, wenn die Homepage mit einer Datenbank gekoppelt ist, sodass viele Arbeitsabläufe automatisiert werden können. Daher sollte jede Seite ein kleines Eingabefeld (Name, E-Mail Adresse, PLZ) haben, um sich auf den E-Mail Verteiler zu setzen („impulse action“).
Am Beginn einer Kampagne steht der Aufbau eines eigenen Verteilers, der alle Interessierten beinhaltet. Amerikanische Webmaster stehen dem Kauf von kommerziellen E-Mailverteilern skeptisch gegenüber. Hierbei spielt der Gedanke eine große Rolle, E-Mails nur an Personen zu verschicken, die sich selbst auf den Verteiler gesetzt haben. Eine Einschränkung machen die Kampagnen bei der Integration von externen E-Mail-Verteilern, die von sympathisierenden Gruppen im politischen Umfeld/Interessengruppen per Tausch erworben werden.
Die Häufigkeit des Kontaktes variiert von Kampagne zu Kampagne. Als Faustregel gilt jedoch: E-Mail-Kontakt mindestens 1-mal pro Woche und immer dann, wenn es etwas „Neues“ zu berichten gibt. Die Frequenz sollte sich zum Wahltag hin steigern und in den letzten Tagen durchaus mehrmals täglich erreichen. Des Weiteren sollten E-Mails konkrete Handlungsanweisungen („Take Action“) enthalten und so spezifisch wie möglich sein (Bsp. „Organisiere am 29.4 um 19 Uhr eine Houseparty für Präsidenten Bush und werde Teil der größten bundesweiten Party. Wenn Du eine Party machst, wird der Vizepräsident Dick Cheney um 20 Uhr per Konferenzschaltung zu allen Parties im Lande sprechen. Dafür benötigen wir deine Kontaktdaten und auch deine Telefonnummer.“).
Um den Erfolg von E-Mails zu überprüfen und auch unterschiedliche Formen der Ansprache zu testen, existiert eine genaues „tracking“ in amerikanischen Kampagnen. Mögliche Fragen sind:
· Öffnungsrate: Wie viele Menschen öffnen eine E-Mail?
· Weiterleitungsrate: Wie viele Menschen leiten eine E-Mail weiter?
· Spenden-Rate: Wie viele Menschen folgen einem Link für Spenden?
· Click-Through: Wie viele Menschen folgen angegeben Links?
- weiter zum
dritten Teil:
Das Internet als Infotainment-Plattform – Zwischen
Kampagnen-TV und Interaktiv-medium
Mario Voigt war Wahlkampfbeobachter der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er arbeitet am Zentrum für Politische Kommunikation Jena und schreibt seine Doktorarbeit ueber den Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Voigt ist Mitbegründer von www.poli-c.de .