Präsidentschaftskandidat Howard Dean wechselt nach den Vorwahlniederlagen seinen Wahlkampfmanager aus. Eine Niederlage für den Internet-Wahlkampf behaupten Kritiker Deans.
“Entlassen”, “ausgetauscht” oder “vorgesetzt bekommen” berichten deutsche Medien – je nach Auslegung der Tatsache: Joe Trippi ist nicht mehr Wahlkampfmanager von US-Präsidentschaftskandidat Howard Dean. Neuer Chef-CEO-Wahlkämpfer ist Roy Neel, erfahrener Wahlhelfer des letzten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten und ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore. Dean galt lange Zeit als aussichtsreichster Kandidat im Rennen um die Nominierung zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten. Nach den Niederlagen in den Vorwahlen in Iowa und New Hampshire gegen John Kerry soll eine neue Strategie bei den Vorwahlen und Parteiversammlungen am kommenden Dienstag zu dringend benötigten Erfolgen verhelfen. Ein Sieg muss her. Für Simon Rosenberg, Präsident des New Democratic Network, habe Dean mit dem Personalwechsel das “Ende des rebellischen Wahlkampfes” eingeläutet. Das Problem sei, das Dean den Imagewechsel vom rebellischen Aussenseiter zum seriösen Kandidaten nicht geschafft habe. Er sei Trippi sehr dankbar, der entschieden habe, die Kampagne zu verlassen, schreibt Dean in seinem Netztagebuch
blogforamerika.com. Dort bestätigt Trippi, dass er sein Amt aufgegeben habe und fordert die Anhänger auf, Dean die Treue zu halten, “um Amerika zu verändern”.
Masse macht Kasse?
Spiegel Online berichtet, Dean sei in Geldnöten und könne Gehälter nicht zahlen. Das verwundert, wurde doch gerade Deans geschicktes Spendensammeln im Internet als vorbildlich gewertet. Mittels vieler Kleinspenden, der “$ 100 Revolution”, wurden Millionen an Spendengeldern online gesammelt. Das erklärte Ziel ist auch hier Präsident Bush zu besiegen. Der wolle 200 Millionen Dollar sammeln. Wenn also 2 Millionen Amerikaner 100 Dollar spenden, hätten viele Kleinbeträge wenige Großspenden besiegt, heißt es in Deans Weblog. Doch die Niederlagen haben ihn viel Geld und Sympathien gekostet. Dean-Anhänger sind sauer über die schlechte Anzeigenkampagne und über den Umstand, dass der gefeuerte Trippi bis zu 15 Prozent Provision für jeden verkauften Wahlwerbespot bekommen habe. Im Weblog
dailykos.com fragt man sich, warum nur die eCampaigning-Legende Trippi entlassen wurde und nicht der ebenfalls für die schlechten Spots mitverantwortliche Dean-Berater Steve McMahon. Wenn schon ein Austausch der Verantwortlichen, dann aber alle ist der Tenor vieler Kommentare.
Ob die Rechnung der Grasswurzel-Revolution aufgeht, werden die nächsten Wochen zeigen, wenn die Vorwahlen in den bevölkerungsreichen US-Bundesstaaten Kalifornien, Texas, New York und Florida stattgefunden haben. “Der Wahlkampf ist kein Sprint, sondern ein Marathon”, sagt Dean.
Online ins Weiße Haus
In der Startphase des Wahlkampfes der Demokraten zog vor allem Howard Dean die Aufmerksamkeit der Medien auf sich. Besonders über seinen Wahlkampfstil wurde berichtet. Trippi war für den intensiven Einsatz des Internets im Wahlkampf verantwortlich, was nicht zuletzt den Bekanntheitsgrad von Dean vergrößert hat. Deans Kampagne verfügt über eine breit angelegte Organisationsstruktur, gekennzeichnet durch eine hohe Vernetzung vieler Wahlhelfer. Selbstbewusst heißt das im Dean-Jargon: “The largest grassroots campaign in modern era.”
Kritiker Deans sehen in dem Personalwechsel ein Scheitern der Internetstrategie. Die beiden Pleiten in den Vorwahlen hätten gezeigt, dass viele dezentrale Unterstützer nicht zu Stimmen bei den Wählern führen. Die Ereignisse im US-Präsidentschaftswahlkampf der nächsten Monate werden zeigen: Bleibt das Fernsehen das Medium des US-Wahlkampfes und eine traditionelle zentrale Wahlkampfführung der Weg zum Erfolg?
Erschienen am 29.01.2004
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