Während 1998 von Internet noch kaum die Rede war, finden sich im aktuellen Koalitionsvertrag verschiedene Initiativen und Projekte, die das digitale Deutschland auf dem Weg in die Informationsgesellschaft weiter vorantreiben sollen.

Die Lektüre des
Koalitionsvertrages offenbart, dass die rot-grüne Koalition das Internet für Verwaltung, Bildung, Arbeit und Bürgerbeteiligung ausgiebig zu nutzen gedenkt. Die Bundesregierung knüpft in ihren Koalitionspapieren an bereits begonnene Projekte an und formuliert Absichtserklärungen für einige neue Initiativen. Die Pläne der rot-grünen Koalition orientieren sich dabei an dem Leitgedanken, Deutschland weiter in die Informationsgesellschaft zu führen. Dies soll unter anderem mittels der Förderung von Zukunftstechnologien geschehen, da „[e]in dynamischer, zukunftsgerichteter Unternehmenssektor … Garant für neue Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum …“ sei.

Laut dem Koalitionsvertrag ist eine Spitzenposition Deutschlands in diesem Bereich unerlässlich, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Mit Hilfe des Programms „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“ möchte man den Prozess aktiv gestalten. Die Initiative soll hierbei gewährleisten, dass existierende „Chancen der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien“ gewinnbringend genutzt werden können. Man erhofft sich hiervon Impulse für Arbeitsmarkt und Wirtschaft.

Der Koalitionsvertrag bietet einige Ansätze, die das Fundament für eine solche Entwicklung weiter ausbauen könnten.

Ganz konkret ist die schnelle Einführung von UMTS und die Förderung des digitalen Rundfunks geplant.

Digitale Grundversorgung

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk fällt weiterhin die Rolle des informationellen Grundversorgers zu. Bemerkenswert ist hierbei die Positionierung der Koalitionspartner für den Ausbau des öffentlich-rechtlichen Internetangebots, da die Bundesregierung hiermit das Prinzip der informationellen Grundversorgung auf digitale Dienste ausweiten würde. Eben dieser Punkt ist schon seit längerem
heiß umstritten, da sich die Online-Expansion der Rundfunkanstalten nur schwer mit der verfassungsrechtlichen Definition des öffentlich-rechtlichen Informationsauftrags vereinbaren lässt. Hauptkritiker des öffentlich-rechtlichen Webangebots sind die Verbände des
privaten Rundfunks und der
Zeitungsverleger. Während diese im Fall des staatlich geförderten Internetdienstes auf den Tatbestand der Wettbewerbsverzerrung pochen, beharrt beispielsweise ARD-Intendant
Fritz Pleitgen auf die Notwendigkeit eines nicht kommerziellen „Mittlers von verlässlichen Informationen“. Sofern das Vorhaben ausgeführt wird, sind weitere Konflikte vorprogrammiert.

Nichtsdestotrotz ist dieser Plan als Teilaspekt im Kampf gegen eine
digitale Spaltung der Gesellschaft zu verstehen. Das Problem ist von Seiten der Bundesregierung erkannt. Nicht umsonst betonen die Koalitionspartner die Bedeutung des „chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugangs zu den neuen Medien“. In diesem Kontext wird jedoch auf die Vorreiterrolle der EU-Kommission hingewiesen, welche mittels Richtlinien den nationalen Rahmen vorgeben.


Verwaltungsmodernisierung

Ein weitere Initiative, welche die Koalitionspartner fortsetzen wollen, ist das Programm „
Moderner Staat – Moderne Verwaltung“. Ziel des laufenden Projekts ist die Modernisierung der Verwaltung und der Abbau von Überregulierung. Bereits im März 2001 hatte die Regierung einen 80 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog vorgelegt und begonnen diesen zu verwirklichen. Die noch ausstehenden Schritte sollen nun in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt werden. Auch in Sachen e-Government geht’s weiter. Im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung hatte sich die Regierung mit dem Projekt „
BundOnline 2005“verpflichtet, 350 internetfähige Dienstleistungen ins Netz zu stellen.

Zusätzlich zu den internen Aufräumarbeiten und dem Ausbau des Onlineangebots, soll die Verwaltung für den Bürger transparenter werden. Die Koalitionspartner beabsichtigen erneut den Erlass des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG). Mit Hilfe des Gesetzes könnten Bürger freien Zugang zu öffentlichen Daten und Akten erhalten. An internationalen Vorbildern mangelt es nicht. Sogar hier zu Lande existieren bereits IFGs in
Berlin,
Brandenburg,
Nordrhein-Westfalen und
Schleswig-Holstein. Trotz Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag von 1998 gelang es der Regierung nicht, das Gesetz auf den Weg zu bringen.

Bekannt als Prestigeobjekt von Bündnis90/Die Grünen
scheiterte das IFG nach zahlreichen Überarbeitungen am Widerstand der sozialdemokratisch geführten Bundesministerien für Inneres, Finanzen und Wirtschaft. Nun steht das IFG erneut auf der Agenda der Koalition.

Onlinewahlen

Rot-Grün plädiert für eine stärkere direkt-demokratische Teilhabe der Bürger. Aus diesem Grund möchte man, wie schon 1998 zu lesen war, Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene einführen. Doch diesmal wird auch das Internet berücksichtigt. Passend zu dem Versuch, Deutschland in eine e-Demokratie zu verwandeln, wird der alte partizipatorische Traum von Online-Wahlen angedacht.
e-Voting soll jedoch erst ein mal unterhalb der Bundesebene „ausprobiert“ werden.

Datenschutz

Die Reform der Medien- und Kommunikationsordnung wird genauso wie die Neugestaltung des Datenschutzrechts fortgesetzt.

Im Bereich des Datenschutzes will man sich stärker auf selbstregulative Modelle verlassen. Die Umsetzung der zweiten umfassenden Datenschutznovelle stützt sich offenbar auf ein
Expertengutachten, wie aus Fraktionskreisen zu verlauten war. Stärker als bisher sollen die Daten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Form eines eigenen Gesetz geschützt werden.

Die Bundesregierung will zum Thema Datenschutz noch überprüfen, ob und inwiefern eine institutionalisierte Koordinationsplattform geschaffen werden kann.

Bildung

Neben dem flächendeckenden Internetangebot in Schulen, welches im Zuge der Initiative „Jugend ans Netz“ aufgebaut wurde, sind nun auch Netzzugänge für alle Einrichtungen der Jugendhilfe geplant. Da die digitale Grundversorgung prinzipiell gegeben ist, will die Regierung zukünftig die Internetnutzung von Jugendlichen mit dem Ziel steuern, sie aktiv an informationelle Bildungsangebote heran zu führen. Als zentrale Anlaufstelle soll hiefür eine digitale Bildungsplattform entstehen.

Jugendmedienschutz

Obwohl seit dem 27. September der
Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMDStV) vorliegt, wird das Thema Jugendschutz auch im Koalitionsvertrag erwähnt. Um Jugendliche und Kinder vor der Darstellung von Gewalt in allen Offline- und Onlinemedien zu bewahren, liegt das Hauptaugenmerk auf der Förderung von Medienkompetenz. Auf diesem Weg will man den verantwortungsvollen Umgang mit den Medien anerziehen. Als rechtlicher Schutz ist die Einrichtung eines Systems der „regulierten Selbstreguliertung“ geplant. Hierbei steht die Kodifizierung einheitlicher Bewertungskriterien für die freiwillige Selbstkontrolle von medialen Anbietern im Vordergrund. Letztlich verweist der Vertrag jedoch auf die internationale Komponente des Problems, welche eine nationale Gesetzgebung ohne die Durchsetzung von weltweiten Mindeststandards für Jugend- und Medienschutz nahezu wirkungslos macht.

Ausbildung und IT-Branche

Im Bereich Weiter- und Ausbildung von Jugendlichen streben die Koalitionspartner ein Modell ähnlich dem der IT-Branche an. Hierbei stehen e-Learning-Methoden im Vordergrund.

Für die IT-Branche selbst erklären die Koalitionspartner die Absicht, das Defizit an weiblichen Fachkräften abzubauen. Bis 2005 soll der Anteil von Frauen in diesen Studien- und Ausbildungsgängen auf 40 Prozent anwachsen. Ohne diesen Schritt, wäre das „Projekt Informationsgesellschaft“ in seiner gesamtgesellschaftlichen Tragweite wohl auch nicht zu bewältigen.

e-Business

Im Bereich e-Business ist vor allem die Anpassung des Urheberrechts auf die Praktiken einer „digitalen Welt“ zu vermelden. Der Ausgleich zwischen Urhebern und Nutzern soll gewährleistet und der Schutz vor Raubkopien erweitert werden.

Zusätzlich erhalten Verwertungsgesellschaften die Möglichkeit, Teile ihrer Einnahmen wieder für die Förderung von Kunst und Kultur einzusetzen.

Ergänzend wird in diesem Rahmen auf die Unterstützung von Open-Source-Produkten hingewiesen. Parlament und Verwaltung sind hierbei federführend.

Am 14. März 2002 entschloss sich der Ältestenrat des Deutschen Bundestages für die
Einführung des Betriebssystems Linux.

Wie bereits erwähnt, wendet sich der Koalitionsvertrag den Themen Internet und Informationsgesellschaft wesentlich stärker zu als noch 1998. Trotzdem sucht man vergebens nach näheren Informationen zur Förderung der Informationsgesellschaft in Ostdeutschland, der Einführung der elektronischen Signatur oder der Verwendung des Internets im Gesundheitswesen. Das kontrovers diskutierte Thema „
Daten-Vorratsspeicherung“ findet ebenfalls keine Beachtung. Als Schlupfloch könnte das angekündigte Programm „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“ dienen. Hier ließe sich Nichtgenanntes nachträglich miteinfließen lassen.

Der Koalitionsvertrag berücksichtigt stärker als zuvor die Verwendung des Internets. Dennoch wäre ein zusammenfassendes „Kapitel Informationsgesellschaft“, das alle diesbezüglichen Pläne vorstellt, ein deutlicheres Zeichen für die Relevanz des neuen Mediums.

Erschienen am 24.10.2002