Gerhard Schröder kann von so etwas nur träumen: Ab Juli hat die australische Regierung die Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments. Viele Gesetzesvorhaben können und sollen mit dieser Machtfülle dann umgesetzt werden: neben tiefgreifenden Änderungen bei den industriellen Beziehungen fallen geplante Änderungen beim Wahlrecht da kaum ins Gewicht – oder?

Bei den Wahlen im vergangenen Oktober errang die konservative Koalition unter John Howards Führung eine deutliche Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments. Ab Juli kann sie diese Machtfülle nun auch im Senat einsetzen und ihre Gesetzesvorhaben nach allgemeiner Erwartung ohne nennenswerten Widerstand durchbringen.

Neben den angekündigten tiefgreifenden Änderungen bei den industriellen Beziehungen geht fast unter, dass es beispielsweise auch Änderungen und Ergänzungen zum
Electoral Act geben soll.

Zum einen sind damit die Regelungen zum Wählerverzeichnis betroffen. Dort muss sich jeder volljährige Australier eintragen lassen, um an der Wahl teilnehmen zu können. Künftig soll die Möglichkeit, sich in das Verzeichnis eintragen zu lassen, mit dem Tag der Bekanntgabe eines Wahltermins enden und nicht wie bisher innerhalb von sieben Tagen. Bedenkt man, dass sich bei der letzten Wahl knapp 80.000 Menschen in der Woche nach Bekanntgabe des Wahltermins einschreiben ließen, handelt es sich um eine nicht unerhebliche Zahl potenzieller Wähler.

Gerade Erstwähler, die sich noch nicht im Verzeichnis haben eintragen lassen, könnten durch die Änderungen benachteiligt sein. Betroffen wären aber auch Wähler in sehr entfernten Gemeinden (nicht ausschließlich, aber überwiegend Australian Aboriginal peoples), die häufig erst mit Verzögerung von einem Wahltermin erfahren. Ebenso sollen alle, die eine Gefängnisstrafe verbüßen, von der Wahl ausgeschlossen werden.

Auch das Internet bleibt von neuen Bestimmungen nicht verschont: Wahlberichterstattung und –kommentierung auf Webseiten, Blogs eingeschlossen, soll ab dem ersten Juli 2005 mit Name und Adresse eines Verantwortlichen versehen sein. Zwar gelten diese Regeln bereits für Fernsehen, Radio und Presse, aber Online-Publikationen schließt das Gesetz in seiner bisherigen Fassung nicht ausdrücklich mit ein.

Dieses Schlupfloch soll nun geschlossen werden. Den Anlass dafür bieten offensichtlich Erfahrungen mit Webseiten wie JohnHowardLies.com <www.johnhowardlies.com> (derzeit nicht erreichbar), die im letzten Wahlkampf für Aufregung sorgten. Anonyme Autoren veröffentlichten hier angebliche Lügen von Premierminister John Howard und die angeblichen Fakten. Die Australian Labor Party wies in einem eMail-Newsletter per Link auf diese Seite hin und distanzierte sich nicht vom Inhalt.

Fraglich ist, ob das Gesetz dann nur für vollständige, einem einzigen Thema gewidmeten Webseiten gelten soll oder auch für einzelne politische Kommentare in Blogs, Diskussionsforen oder auch eMail-Newsgroups? Wer soll bzw. will hier als Verantwortlicher für den Inhalt stehen? Sicherlich gibt es im Einzelfall auch legitime Gründe, anonym zu bleiben. Nicht zuletzt unterscheiden sich Blogs, Diskussionsforen und eMail-Newsgroups auch von traditionellen Medien: durch ihre Schnelligkeit, die ständige Korrektur und Weiterentwicklung des Inhalts und die Möglichkeit der breiten Teilhabe an Kommunikation.

Die geplanten Änderungen beim Wahlrecht sind keineswegs trivial. Bestimmten Wählerschichten wird der Weg zur Wahl weiter erschwert oder gar verweigert und die Wahlberichterstattung im Internet gerät in Gefahr, an Meinungsvielfalt und –freiheit zu verlieren. Unter dem Etikett der Gleichbehandlung aller Medien könnten künftig unerwünschte Webseiten im Wahlkampf aus dem Verkehr gezogen werden. Zu lösen ist da nur noch das Problem, wie dies geschehen soll, wenn der Server im Ausland steht?