Der Relaunch von www.spd.de ist kein Hit, aber ein solides Appetithäppchen auf den Bundestagswahlkampf 2002.

Einiges ist besser, aber nicht vieles ist anders im neuen
Internet-Auftritt der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Mit einem seiner “Generalchats” eröffnete SPD-Generalsekretär Franz Müntefering am 31. Januar in der Berliner Wahlkampfzentrale “Kampa02” die überarbeitete Parteiseite spd.de. Neben neuem Design hat sich auch der Aufbau ein wenig verändert. In vorerst vier “Channels” sollen einzelne Zielgruppen direkter angesprochen werden können. So ist neben einem “Presse-Channel” nun auch ein Bereich für die Jugend (“next”) und ein “Netzwerk-Channel” vorhanden. Auch die Hauptseite spd.de zählt als eigenständiger Channel. Nach Informationen der SPD sind zudem rund 1.000 neue inhaltliche Seiten hinzugekommen – vor allem in den Bereichen “Geschichte” und “Politik A-Z”. Im Laufe des Jahres wollen die Wahlkämpfer noch weitere “Channels” einrichten. Die “alte Tante” SPD hat somit ein neues Kleid für den Wahlkampf erhalten.

SPD-Generalsekretär Franz Müntefering beim Chat in der Kampa02Nach wie vor setzt die SPD mit ihrer neuen Homepage auf Inhalte. Anstatt “Effekthascherei” zu betreiben, werde versucht mit einem übersichtlichen Angebot detaillierte Informationen über die Partei und den Wahlkampf zu geben – damit konterte Münteferings Büroleiter Kajo Wasserhövel die von Journalisten geäußerten Einwände, an der Seite habe sich nicht allzu viel verändert. Laut Wasserhövel basiert das Netzherz der SPD auf einer komplett überholten Grundstruktur. Auch wenn dem Besucher die neue Seite nun in kämpferischem Rot – anstatt wie vorher in sachlichem Weiß – entgegenlacht, erinnert der Aufbau sehr an frühere Zeiten. Von der Startseite aus bestehen zudem Links zu den externen Seiten ”
spd-online.de” und ”
nicht-regierungsfaehig.de“, die aber nicht als eigenständige “Channels” in die Hauptseite integriert sind. Mit “spd-online” wendet man sich an die Mitglieder der Partei, die nach der Eingabe ihrer Mitgliedsnummer Zugriff auf die partei-interne Seite erhalten können.

Mit “nicht-regierungsfähig.de” konzentriert man sich auf schlagkräftige Argumente gegen den Hauptkonkurrenten CDU/CSU. Provokant werfen die Kreativen aus dem Kampa02-Team hier ständig Antworten auf die Wahl-Kampagne der Union in die politische Wagschale. Während die Christdemokraten auf ”
rapid-response.de” mit “Wahlfakten” gegen Schröder wettern, wird bei der Regierungspartei Kanzler-Herausforderer Stoiber ins Fadenkreuz genommen. Für den Schlagabtausch mit dem Gegner hat man unter der URL “www.nicht-regierungsfaehig.de” bewusst einen eigenständigen Platz im Netz eingerichtet. Wie Wasserhövel erklärte, soll dadurch die Hauptseite während des Wahlkampfs möglichst übersichtlich bleiben.

Weiterhin wird man auf “spd.de” ein Sammelsurium an Informationen über die Parteistruktur, Grundwerte, politische Programme, Arbeitsgemeinschaften und Partizipationsmöglichkeiten finden. Neu dazu kommt ein großes Datenarchiv über die Geschichte der SPD und der Arbeiterbewegung. Ganze tausend Seiten Inhalts wurden laut SPD neu eingebunden oder verlinkt. Mit dem “next”-Channel sollen vor allem Jungen Leuten angesprochen werden. Hier kommen die “Youngster” der Bundespartei zum Zuge. Vertreten werden sie zunächst von Bundeswissenschaftministerin Edelgard Bulmahn (50) und dem Staatsminister im Kanzleramt, Hans Martin Bury (35). Beide werben mit ihrem Einsatz für die kommende Generation in Deutschland. Mit Hilfe der Navigationsleiste am Rand der Seite muss man nicht lange nach Informationen zu politischen Themen suchen. Unter den Menüpunkten “facts” und “Arbeitspakete” finden emsige Jusos schnell die nötigen Argumentationshilfen zum downloaden für den Stand in der Fußgängerzone oder vor dem Schultor. Wer noch nicht weiß, ob er oder sie als GenossIn taugt, kann sich selbst überprüfen. Unter der Rubrik “fun”, weiter bei “spiele”, gibt’s das
Infostand-Spiel der SPD-Fraktion.

Für die Auswahl der “sozialdemokratisch korrekten” Antworten auf die Fragen der Bürger am virtuellen Wahlkampfstand werden Punkte vergeben. Am Ende kann man sich in einer Ranglliste verewigen. Preise für die Gewinner gibt’s aber leider nicht. Mit ruhigem Gewissen kann die Partei sagen, dass unter dem dritten Channel “netzwerk” für jeden etwas dabei ist. Von Kommissionen bis Konfessionen sollen hier alle gesellschaftlich Aktiven ins Gespräch kommen. “Und wenn Du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis”- diesem alten Wahlspruch folgend, kann nun wer meint, seine Vorschläge in die “E-mail direkt”-Maske eingeben und an alle möglichen Entscheidungsträger der Sozialdemokratie schicken.

Zuletzt will man mit dem “presse”-Channel Journalisten erlauben, schnell auf aktuelle Termine, Fotos und Statements der Parteiprominenz zuzugreifen. Zusätzlich wird ein Presse-Newsletter angeboten. “Wir kennen den Unterschied zwischen Information und Spam-Mails”, versichert Wasserhövel. Der Info-Brief soll nicht zur Last werden, verspricht der Sprecher des Generalsekretärs.

Mit der Überarbeitung der offiziellen SPD-Seiten beauftragte die Partei im letzten Jahr die Internet-Agentur
A&B face 2net. Der Relaunch ging nun einigermaßen unbemerkt und leise über die Bühne. Vermutlich lag das auch daran, dass die CDU/CSU am gleichen Tag mit virtuellem Pomp ihren Wahlkampfauftakt feierte. Nach und nach sollen jetzt auch die Landesseiten der Partei überholt werden. Ein zentral gesteuertes Konzept gibt es bei den Sozialdemokraten freilich nicht, aus Rücksicht auf die Autonomie der Landesverbände. Dazu kommt, dass sie einen solchen Internet-Auftritt aus dem eigenen Säckl’ finanzieren müssen. Dennoch haben NRW und Bayern das Design der neuen Seite der Bundes-SPD bereits übernommen. Für die inhaltliche Seitenpflege stellt die Bundes-SPD außerdem einen Pool von Experten der Partei und der Fraktion bereit.

Zwar wird der sozialdemokratischen Internet-Präsenz im Wahlkampf von den Strategen einiges an Aufmerksamkeit geschenkt. Nach Angabe von Lars Kühn aus der Kampa02 wurden auf “spd.de” im letzten Jahr monatlich eine halbe Millionen visits gemessen – darunter nicht nur eigene Mitglieder, wird vermutet. Jedoch werden die technischen Möglichkeiten zum Stimmenfang noch nicht voll ausgenutzt. Was es zum Beispiel dem viel beschriebenen Wechsel-Wähler bringt, die Parteiseite der SPD zu lesen, bleibt auch nach dem roten Relaunch mit Fragezeichen versehen.

Erschienen am 01.02.2002