Teil 2
In der analogen Welt waren es die Kassetten, heute lösen "File-Sharing"
oder "Online-Download" bei diesen Branchen Schweißausbrüche
aus. 1965 behalf man sich mit einer "Leerkassetten- und Geräteabgabe",
die nach einem bestimmten Schlüssel von Verwertungsgesellschaften
wie der GEMA und der
VG Wort an die berechtigten Urheber verteilt wird. Diese pauschale
Vergütung ist seit 1985, also seit mehr als 15 Jahren, nicht mehr
erhöht worden. Auf der rechtlichen Ebene wird nun diskutiert, inwieweit
das für physische Medien angewandte Prinzip der Pauschalvergütung
auch für den digitalen Bereich taugt. Ein im Juli vom Bundeskabinett
beschlossener Bericht über die Entwicklung der Vergütungen für
Künstler, Autoren und andere kreativ Tätige sieht vor, dass
moderne Medien in diese Abgabepflicht durch Gerichtsentscheidungen oder
Modernisierung des Urheberrechtsgesetzes einbezogen werden. Die Industrie
zieht diesem Verfahren die Vergabe von Einzellizenzen und individuelle
Abrechnungsverfahren vor.
In der Tat entspricht die Erhebung urheberrechtlich begründeter
Pauschalen kaum dem Stand der Technik. Die Computer- und Internet-Initiative
D21, die eine schnelle
Anpassung des Urheberrechtsgesetzes an die Erfordernisse des Internets
fordert, lehnt eine solche Copyright-Abgabe für digitale Produkte
ab. In einem solchen Vorgehen sieht die aus Wirtschaftsunternehmen und
Institutionen bestehende Gruppe, die mit Bundesjustizministerin Herta
Däubler-Gmelin regelmäßig Lösungen für einen
modernen Urheberrechtsschutz erörtert, eine Sonderbesteuerung, die
im internationalen Vergleich zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen führen
wird.
Deutschland IT-Entwicklungsland?
Politik und Wirtschaft gehen
unterschiedlich um mit der rasanten Entwicklung des World Wide Web. Im
Grunde geht es einmal mehr um das Verhältnis von staatlicher Steuerung
und Marktsteuerung. Die Gesetzgebung steht vor dem Problem, dass sie wenn
sie die digitale Ökonomie zu sehr reguliert, den Fortschritt bremst und
den Nimbus des "IT-Entwicklungslandes Deutschland" niemals los wird. Tut
sie das nicht, läuft sie Gefahr vom neuen Medium überrannt zu
werden.
Die Wirtschaft bevorzugt Selbstregulierung
und -kontrolle. Dafür hakt es noch gewaltig bei den technische Lösungen,
mit denen sie der staatlicher Überregulierung zuvorkommen wollen. Um den
freien Datentausch zu verhindern bzw. das Urheberrecht auch dann zu schützen,
wenn sich der Nutzer das Werk bereits auf seine Festplatte geladen hat,
setzen die Unternehmen auf "Digital Rights Managment"-Lösungen, die
vorwiegend auf Verschlüsselungsalgorithmen und so genannten Wasserzeichen
basieren.
Welcher Schutz ist möglich?
So haben Xerox und Microsoft
gemeinsam das Unternehmen "ContentGuard"
gegründet, das Software zum Schutz von jeglichem urheberrechtlich
gefährdeten Content entwickelt. Der Bundesverband der Phonographischen
Wirtschaft im Hamburg vertraut auf ein System namens "Rights Protection
System" (RPS). Dieses soll Providern helfen, den Zugriff auf illegale,
zuvor in eine Art Negativliste aufgenommene Inhalte zu verweigern, um
sie gleichzeitig in die Verantwortung zu nehmen für den Fall, dass
dann doch illegal kopierte Inhalte verbreitet werden.
Wie viel Schutz ist nötig?
Es ist ungewiss, wie lange
sich die Unternehmen der illegalen Verbreitung von Content mittels digitaler
Grenzkontrollen oder Kopierschutzsysteme erwehren können, wenn sich
erst mal Profis daran setzen, die Programme zu knacken. Fraglich ist allerdings
viel mehr, wer beim RPS die Sperrlisten kontrolliert. Die vermögensrechtliche
Interessen der betroffenen Branchen bestimmen zwar die Diskussion, sind
aber eben nur die eine Seite der Medaille. Ihr stehen Bedenken gegenüber,
dass große Restriktionen die grundgesetzlich geschützte Informationsfreiheit
gefährden und zu einer wirtschaftlichen Monopolisierung führen
werden, die einer staatlichen Zensur in nichts nachsteht. Aus Urheberrecht
und Unternehmenspolitik, so argumentieren die Befürworter eines zensurfreien
Internets, dürfe nicht eine dem demokratischen Charakter und den
vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des Internets diametral entgegenstehende
Handhabung entstehen.
Der Sozialethiker Jeremy Rifkin
erklärt in seinem neuen Buch "Access – das Verschwinden des Eigentums"
eben jenen "Access". Zugriff, Zugang wird hier zur Formel des kommenden
Zeitalters. Materielles Eigentum, bislang Inbegriff ökonomischer
Macht, verliert dabei an Bedeutung, geistiges Eigentum wird zum bestimmenden
Faktor. Dieses wird nicht länger getauscht, verkauft und erworben,
sondern es wird gegen eine Gebühr zur begrenzten Nutzung zur Verfügung
gestellt. Das "Access-Zeitalter" birgt Möglichkeiten – auch für
Urheber und Interpreten geistigen Eigentums – und Risiken. Es ist sowohl
problemlösend als auch problemschaffend. Die Politik steht vor der
Herausforderung, die Interessen der Urheber und Nutzer, der New Economy
und der Öffentlichkeit im Cyberspace unter einen Hut zu bringen, ohne
dass das Internet zu einer von staatlicher Aufsicht oder Geschäftsinteressen
dominierten Technologie verkommt.
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