intgovforumGestern fand im Roten Rathaus in Berlin das VII. Internet Governance Forum Deutschland statt. Aus aktuellem Anlass waren neben Fragen der Regulierung das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung und der Geheimdienstskandal Thema.

Die Journalistin Lena Kampf vom Rechercheverbund NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung moderierte das Podium, auf dem neben der Bundestagsabgeordnenten der Linken Halina Wawczyniak auch Lars Klingbeil von der SPD (MdB) und der Grünen-Netzpolitiker Malte Spitz zu Gast waren. Thomas Jarzombek von der CDU musste krankheitsbedingt absagen, und so sorgte der Kommentar der Moderatorin, jetzt müsse Klingbeil die Vorratsdatenspeicherung verteidigen, für erste Lacher im Saal.

Doch zunächst einmal ging es um den Geheimdienstskandal. Halina Wawczyniak hält die Forderung ihrer Partei nach personellen Konsequenzen zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht. Zuerst müssten die beteiligten Personen „gegrillt“ werden, um den Skandal in Gänze aufzudecken. Danach könne man immer noch Rücktritte fordern. Auch wenn nach Meinung der Linken „Geheimdienste grundsätzlich abgeschafft gehören“, weiß Wawczyniak doch, dass der gesellschaftliche Konsens ein anderer ist. Deshalb forderte sie, die Befugnisse der Geheimdienste massiv einzuschränken, am besten durch die Abschaffung des G10-Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, welches Eingriffe in Grundrechte unter gewissen Umständen legitimiert.

Ganz so weit will Lars Klingbeil von der SPD nicht gehen, das Problem ist für ihn ein anderes: „Die Geheimdienste haben sich verselbstständigt“. Es gebe ein strukturelles Problem bei der Aufsicht, weshalb man „die Befugnisse der Parlamente massiv ausbauen“ müsse. Die Kontrolle der Geheimdienste durch das Parlament in den USA sei wesentlich besser. Ein „Totalversagen“ wie in Deutschland wäre, so Malte Spitz von den Grünen, mit einer Politik der aktiven Information von Entscheidungsträgern durch die Geheimdienste, wie es sie seit einiger Zeit in den USA gibt, viel unwahrscheinlicher. Der Vorschlag der Bundesregierung, einen Sonderermittler für die Einsicht in die Selektorenliste einzusetzen, sei hingegen nicht nur ein Schritt in die falsche Richtung, sondern laut Spitz nichts anderes als eine „Einschränkung grundsätzlicher Parlamentsrechte“.

Keine zwei Meinungen zur Vorratsdatenspeicherung

Das zweite beherrschende Thema war natürlich der vor einigen Tagen von Innenminister Thomas de Mazière und Justizminister Heiko Maas gemeinsam vorgestellte Referentenentwurf für das Gesetz „zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ – besser bekannt als VDS-Gesetz. Lars Klingbeil kritisierte den Entwurf seines Parteikollegen Maas massiv: Er könne sich per se kein gutes Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorstellen, und davon abgesehen sei das EuGH-Urteil aus dem vergangenen Jahr eindeutig gewesen. Die Eile, mit der das Gesetz nun verabschiedet werden soll, hält Klingbeil für „parlamentarisch bedenklich“.

Moderatorin Kampf kam dann zügig auf eine Klausel zu sprechen, die für sie als Journalistin unmittelbare Folgen hat. Die mit dem Entwurf vorgeschlagene Einführung eines Tatbestandes der „Datenhehlerei“ nach § 202d schließt zwar Handlungen aus, die „ ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher und beruflicher Pflichten dienen“, aber die unspezifische Formulierung hält Spitz für „zu vage und interpretationsfähig“, kurzum für unnötig. Auch Klingbeil bezweifelt, ähnlich wie der Deutsche Anwaltverein in einer Stellungnahme, einen ausreichenden Schutz von Journalisten. Der SPD-Politiker wirft schließlich die entscheidende Frage auf: „Warum muss man Datenhehlerei eigentlich in einem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung regeln?“

Die Antwort liegt für Malte Spitz auf der Hand: „Das [Datenhehlerei und Störerhaftung] sind doch nur Nebelkerzen, die von der Vorratsdatenspeicherung ablenken sollen.“ Störerhaftung, da war doch was. Seit Langem verspricht die Bundesregierung, selbige abzuschaffen. Mit einer neuen Klausel im Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung will man Anbieter öffentlicher WLAN-Netze ebenfalls dazu verpflichten, sämtliche Kommunikationsdaten aufzuzeichnen. Damit torpediert die Regierung ihre eigene Politik. Wer gehässig ist, fragt sich spätestens jetzt, ob Rechtssicherheit für Anbieter öffentlicher Internetzugänge jemals geplant war. Denn welcher Anbieter wird bereit sein, sämtliche Daten aufzuzeichnen? Das Gesetz bietet offensichtlich genügend Angriffspunkte, um alle Podiumsteilnehmer gegen de Mazière und Maas aufzubringen. Ob der demonstrierten Einigkeit quer durch die Parteien bei diesem Thema ließ eine ganz Bemerkung ganz anderer Art aus dem Publikum aufhorchen, die die geringe Resonanz und Beteiligung bei Abgeordneten und Ministerialbeamten am Internet Governance Forum bedauerte. So scheint die Digitalisierungspolitik auch nach dem 7. Nationalen Internet Governance Forum für die meisten Politiker noch immer keine Priorität zu sein.

Bild: DGVN

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