Jährlich am 3. Mai findet der Internationale Tag der Pressefreiheit statt, um an die Grundprinzipien der Pressefreiheit zu erinnern. Über die Auswirkungen einer eingeschränkten Pressefreiheit auf Journalisten sprach politik-digital.de mit dem iranischen Blogger Kaveh Ghoreishi, der sich zurzeit in Deutschland aufhält.*
Der iranische Journalist und Blogger Kaveh Ghoreishi schreibt über brisante politische Ereignisse im Iran. Zum Journalismus kam er mit 17 Jahren aus reinem Interesse und, wie er sagt, „aus Liebe zum Beruf“. Er hat unter anderem für die zweisprachige kurdisch-iranische Zeitungen "Rojhalat" und "Firwan" geschrieben, zur Zeit arbeitet er für das Blog Rooz Online. Mit seinem eigenem Blog "Rawa News" betreibt der heute 29-Jährige laut eigenen Angaben "ektronischen Journalismus“. Als Kaveh Ghoreishi sein Blog vor vier Jahren startete, hatte er noch kein Verständnis dafür, wie Kontrolle funktioniert, bis er selbst mit der Zeit die Grenzen der Pressefreiheit durch Repressionen des iranischen Regimes kennenlernte. Diese führten aber nicht zu einer Einschränkung seines Tuns, sondern bestärkten ihn vielmehr darin, Einfluss auf die politische Arbeit in seinem Land zu nehmen.
Wen erreichen Blogs? In einem weniger technisierten Land wie dem Iran ist der Zugang zum Internet auf eine kleine Gruppe beschränkt. Für die Informationswelt bedeutet dies, dass klassische Medien wie die Zeitung immer noch eine bedeutende Rolle spielen, aber von der eingeschränkten Pressefreiheit betroffen sind. Dieses Dilemma wird im Iran teilweise durch das persischsprachige ausländische Fernsehen umgangen. Denn einige persischsprachige TV-Sender aus dem Ausland entnehmen einen Teil ihrer Informationen dem Internet. Die Meldungen aus dem Netz müssen also den Umweg über das Fernsehen gehen, um zu den Menschen zu gelangen, erläuterte Ghoreishi.
Seit über 30 Jahren haben iranische Journalisten enorme Probleme, die sich in den letzten drei Jahren unter der Macht von Mahmud Ahmadinedschad weiter zugespitzt haben. In der von Reporter ohne Grenzen (ROG) veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit weltweit liegt der Iran auf Platz 175 (von 178). Ghoreishi selbst bezeichnet den Iran als eine „Hölle für Journalisten“, denn es gibt keine Sicherheit für seine Berufsgruppe. Sicherheit betrifft für Ghoreishi drei Bereiche: die persönliche Sicherheit, also den Schutz vor Verhaftungen; die ökonomische Sicherheit, durch ein regelmäßiges und ausreichendes Einkommen; und die psychologische Sicherheit, durch Vertrauen in den Berufsethos des Journalisten.
Das Internet kann einen gewissen Schutzraum bieten, der es ermöglicht, unter einem Pseudonym zu schreiben. In diesem Zusammenhang erwähnt Kaveh Ghoreishi aber auch die Firmen Siemens und Nokia, welche Technik für Kontrolle und Zensur liefern. Auch das Internet kann also keine hundertprozentige Sicherheit bieten.
Wenn man jedoch in einer Zeitungsredaktion arbeitet, erscheinen die Artikel unter dem echten Namen und müssen zwangsläufig weniger kritisch ausfallen, weil der Chefredakteur sie sonst zensiert, um mögliche negative Folgen für das Blatt abzuwehren. Ähnlich hat Ghoreishi auch selbst die beschränkte Pressefreiheit wahrgenommen. Der von oben ausgeübte Druck führte dazu, dass „man sich selbst zensiert, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen“. Weiterhin beklagt er die Tatsache, dass er nicht wie ein normaler Bürger seiner Arbeit nachgehen konnte, sondern sich verstecken musste und das Internet für die Kommunikation brauchte. Diese Gründe und das Schicksal seiner Kollegen veranlassten ihn, den Iran zu verlassen, um aus dem Teufelskreis auszubrechen.
Doch kann ein iranischer Blogger von Deutschland aus Einfluss auf seine Heimat nehmen? Dies bejaht Ghoreishi, der seit Januar 2011 in Deutschland lebt, auch wenn es einige Einschränkungen gebe. Ein eindeutiger Vorteil seiner Arbeit und der anderer Journalisten, die den Iran verlassen haben ist, dass sie ihrer Arbeit im Ausland frei nachgehen können. Durch Kontakte in den Iran und indem er die iranischen Medien verfolgt und "ihre Lügen entlavt", ist es ihm möglich, weiterhin Texte zu publizieren. Er weist jedoch darauf hin, dass er die Dinge anders wahrnimmt, als wenn er im Iran wäre, weshalb seine Wiedergabe beeinflusst ist. Sein Anliegen und das Anliegen anderer Kollegen ist es jedoch nicht nur, Einfluss auf ihre Heimat zu nehmen, sondern auch auf die Gesellschaft, von der sie aufgenommen wurden: in der Gestalt, dass sie in den Medien veröffentlichen und die iranische Situation darstellen. Darüber hinaus hoffen sie, den Druck auf die internationale Gemeinschaft erhöhen zu können.
In diesem Zusammenhang sind auch die Erwartungen Ghoreishis an die Reporter ohne Grenzen (ROG) zu bewerten. Er und andere Kollegen sind den ROG dankbar, dass sie es ihm ermöglicht haben, in Sicherheit zu leben. Die Journalisten sehen die Verantwortung für ein Weiterkommen jedoch auch bei sich selbst. Hier könnten die ROG noch einmal als Bindeglied funktionieren, indem sie Kontakte zu hiesigen Journalisten herstellen. Dies hat neben dem Erlernen der Sprache den Vorteil, dass beide Parteien voneinander lernen, wie der jeweils andere arbeitet.
Am Beispiel von Kaveh Ghoreishi wird deutlich, dass Pressefreiheit im 21. Jahrhundert immer noch gefährdet ist und weiterhin dafür gekämpft werden muss. Die von den ROG herausgegebenen Weltkarte zur Pressefreiheit 2011 macht dies ersichtlich. Daneben sollte die Liste der größten „Feinde der Pressefreiheit“ betrachtet werden, die anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit von den ROG veröffentlicht wurde. Hierzu gehören 38 Staats- und Regierungschefs, Monarchen, paramilitärische Gruppen, kriminelle Netzwerke und extremistische Organisationen, denen es mittels ihrer Macht möglich ist, die Medien zu zensieren: mithilfe von Festnahmen, Übergriffen, Beschlagnahmungen von Zeitungen und Sperrungen von Internetseiten.
Mit dem Internet entsteht nicht nur eine neue Form zur Veröffentlichung politischer Inhalte, sondern ebenso eine neue Form der Zensur, die bekämpft werden muss. Das Thema greift in diesen Tagen die in Washington stattfindende Konferenz „Medien im 21. Jahrhundert: Neue Grenzen, neue Barrieren“ (21st Century Media: New Frontiers, New Barriers) anlässlich des Tages der Pressefreiheit auf. Diskutiert werden die zunehmende Bedeutung des Internet, die Entstehung neuer Medien und der wachsende Einfluss sozialer Netzwerke in den vergangenen Jahren.
* Möglich war das Gespräch dank der Übersetzung von Farin Fakhari vom Flüchtlingshilfe Iran e.V. 2010.