Am 11. Dezember 2017 wurde der neue Unicef Bericht „Kinder in einer digitalen Welt“ vorgestellt. Der Bericht offenbart eine weltweite digitale „Informations-Armut“, die vor allem die trifft, die auch von materieller Armut betroffen sind.
Kindern und Jugendlichen, die keinen Zugang zum Internet haben, wird die Chance auf eine gleichberechtigte Teilhabe am digitalen Leben verwehrt. Sie können dadurch nur schwer an Informationen gelangen und digitale Bildungsangebote nutzen. Gleichzeitig werden die Kinder, die das Internet nutzen, nicht im ausreichendem Maße sensibilisiert und geschützt.
Da sich immer mehr Kinder im Internet aufhalten und zu den am besten vernetzten Gruppen gehören, fordert Unicef eine neue digitale Politik, in der vor allem Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt stehen. Gerade Kindern aus strukturschwachen oder armen Regionen könnte das Internet Bildungschancen, Informationen über gesellschaftliche Probleme und Möglichkeiten zum Erarbeiten von Lösungen für diese Probleme bieten.
Zwischen arm und reich steht der Zugang zum Internet
Die 15- bis 24-Jährigen sind dem Bericht zufolge die am besten vernetzte Altersgruppe. Dennoch haben weltweit etwa 346 Millionen Jugendliche in dieser Altersgruppe keinen Zugang zum Internet. Am gravierendsten ist das Problem in Afrika und Asien, wo nur einer von zehn Jugendlichen das Internet nutzen kann. Das Problem der „Informations-Armut“ fällt mit der materiellen Armut zusammen, so dass in sehr armen Ländern wie Bangladesch und Zimbabwe weniger als einer aus zwanzig der unter 15- Jährigen das Internet nutzt.
An dieser Stelle schaffen es weder Provider noch Staaten eine angemessene Infrastruktur für Familien und Gesellschaften aus ärmeren Regionen zu schaffen. Das ist besonders bitter vor dem Hintergrund, dass weltweit immer mehr junge Menschen das Internet nutzen, so dass 2017 schon jeder dritte Internetnutzer unter 18 Jahren ist. Ein Teil der weltweiten Jugendlichen wächst als „digital natives“ auf, viele junge Menschen aus armen Regionen der Welt bleiben außen vor. Dadurch fehlen ihnen wichtige Kenntnisse für den Arbeitsmarkt oder schon die Möglichkeit, im Internet nach Jobs zu suchen. Zudem sind 53 Prozent der Inhalte im Internet auf Englisch, also in einer Sprache, die viele Heranwachsende dort nicht beherrschen. Und selbst wenn diese Hindernisse überwunden sind, so steht immer noch das Problem im Raum, dass die Realität der Menschen, die am meisten vom Internet profitieren könnten, in diesem nicht abgebildet wird. So wird ein Kind aus Zimbabwe wahrscheinlich mehr Interesse an der Herausbildung von Fähigkeiten haben, die den Kreislauf der Armut durchbrechen könnten, als an Schminktipps, die aber weit häufiger und einfacher zu finden sind.
Dieser Trend beschränkt sich aber nicht nur auf arme Regionen, auch in westlichen Industrienationen nimmt der Unterschied an Zugangsmöglichkeiten für arme und wohlhabende Familien zu. Immerhin haben die Kinder in westlichen Ländern aber oft die Möglichkeit, über andere Quellen wie öffentliche Bibliotheken an Informationen zu gelangen. So entsteht ein Teufelskreis, der die Kluft zwischen armen und reichen Familien innerhalb einer Gesellschaft sowie zwischen den Gesellschaften immer weiter auseinandertreibt.
Deswegen fordert Unicef die Regierungen weltweit auf, allen Kindern und Jugendlichen Zugang zum Internet zu ermöglichen sowie für qualitativ hochwertigen Inhalt zu sorgen.
Ungewollte Werbung, Kriminelle, Gewalt, Sex. Der Schutz der Jugend hinkt hinterher
Noch nie war es so einfach für Kriminelle wie heute, potentielle Opfer im Internet ausfindig zu machen und diese zu kontaktieren. Kinder und Jugendliche bilden, durch eine noch nicht gefestigte Persönlichkeit und eine unausgeprägte Gefahrenabschätzung, oftmals das Ziel vieler Krimineller im Internet. Hinzu kommt oft eine gering entwickelte digitale Kompetenz, da sich die Kinder den Umgang mit dem Internet selbst beigebracht haben und nicht zwischen vertrauenswürdigen und nicht-vertrauenswürdigen Inhalten unterscheiden können.
Durch die unbeaufsichtigte Nutzung des Internetzes mit dem Smartphone, hat sich zudem eine „Kinderzimmer-Kultur“ herausgebildet. Die unreflektierte und unbeaufsichtigte Nutzung des Internet durch die Heranwachsenden lässt sie oftmals unvorbereitet auf die Gefahren im Internet treffen. Während Erwachsene beispielsweise einem im Internet geplanten Treffen mit einer fremden Person skeptisch gegenüberstehen, sehen Kinder darin die Möglichkeit, neue Freunde zu treffen und machen sich der Gefahren nicht bewusst. Der Unicef-Bericht richtet sein Appell an dieser Stelle vor allem an die Konzerne, die sich stärker für den Schutz von Kindern und kindergerechte Inhalte einsetzen sollen. Die gefährdetste Gruppe der Kinder sind laut Studie die, die auch abseits der digitalen Welt eine instabile Persönlichkeit haben. Diese sollten besonders geschützt und geschult werden, da es hier beim Verlust der Privatsphäre zu Cybermobbing mit schweren Folgen kommen kann.
33 Prozent der Kinder fühlen sich im Netz durch ungewollten sexuellen Content gestört. 23 Prozent fühlen sich durch ungewollten gewaltvollen Content gestört. Auch hier muss nachgebessert werden, damit Kinder sich frei entfalten und in einem dafür vorgegebenen Rahmen die Möglichkeiten des Internets entdecken können.
Der Unicef Bericht geht auch auf das Problem der Kinderpornografie ein. 92 Prozent dieser Inhalte stammen aus nur fünf Ländern: Niederlande, Russland, USA, Frankreich und Kanada. Durch digitale Währungen und andere Tools gelingt es Kriminellen, kinderpornografischen Inhalte im Netz zu halten. Hier müssen Staat und Provider sowie Dienstanbieter unbedingt nachrüsten und passendes Personal ausbilden.
Die Lösungen von Morgen sind die Kinder von Heute
Für junge Menschen ist der geschützte Zugang zum Internet und der Erwerb digitaler Kompetenzen auch beruflich von entscheidender Bedeutung.
Fast alle nationalen und internationalen Unternehmen setzen heute digitale Kenntnisse voraus. Das Internet bieten zudem die Auseinandersetzung mit spezifischen Problemen und deren Lösungen. Außerdem können Jugendliche und Kinder im Internet Gleichaltrige finden, die mit vergleichbaren Lebensumständen oder Problemen zu kämpfen haben und zusammen an einer Lösung dafür arbeiten.
Dabei ist es dem Unicef-Bericht zufolge nicht entscheidend, wieviel Zeit ein Kind im Internet verbringt, sondern wie es diese Zeit nutzt. Egal ob off- oder online: Das, was Kinder sehen, prägt ihre Weltsicht. Daher ist es wichtig, den Kindern online auch das Positive in der Welt zu vermitteln. Dazu gehört auch der individuelle Erwerb von Fähigkeiten in Bereichen, für die sich die Kinder und Jugendlichen intrinsisch interessieren. Dass gerade die Gruppe der Kinder so gut vernetzt ist, zeigt wie groß das Interesse an der Vernetzung und dem Austausch ist. Zudem sieht ein Großteil der Kinder die eigene Nutzung des Internets als positiv an. Sollte es gelingen, die restlichen 29% der noch nicht vernetzten Kinder mit den schon vernetzten zusammen zu bringen, könnte daraus eine ganz neue Perspektive für alle Beteiligten auf die Welt entstehen.
Titelbild: © UNICEF/UN0143506/Prinsloo