Bei der ersten Open Aid Conference in Berlin trafen gestern Open Data-Experten auf Entwicklungshelfer. Die zentrale Frage dabei: Wie können technische Lösungen und neue Datenstandards der Entwicklungszusammenarbeit zu mehr Transparenz und Effektivität verhelfen? Ein Thema, das in Deutschland bisher wenig Beachtung findet.
Entwicklungsarbeit ist eine komplexe Geschichte: In den Geberländern bringen staatliche, kirchliche und gemeinnützige Einrichtungen jedes Jahr große Summen an Hilfsgeldern auf, die in den Entwicklungsländern wiederum in eine Vielzahl unterschiedlicher Projekte fließen. Wer dabei wo und wie viel investiert und ob die Hilfe wirklich ankommt, ist oft schwer zu bestimmen. Was fehlt, sind Transparenz und ein einheitlicher Standard zur Veröffentlichung der Daten. Einen solchen Standard hat in diesem Jahr die International Aid Transparency Initiative (IATI) festgelegt und wirbt derzeit unter Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Entwicklungsdiensten um Anwendung.
Obgleich Deutschland zu den 22 Partnerländern der IATI gehört,
ist noch unklar, bis wann das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) den Standard umsetzen wird. Nach
Einschätzung von Claudia Schwegmann, die sich mit der Organisation OpenAid aktiv für die IATI einsetzt, hat das Thema unter Minister Dirk
Niebel derzeit keine Priorität. Auch innerhalb der deutschen
Entwicklungsorganisationen sieht Schwegmann noch viel Skepsis gegenüber
dem neuen Standard. Um die Diskussion in Deutschland anzuregen, fand
gestern die erste Open Aid Conference in Berlin statt, bei der rund 120
Besucher aus Nichtregierungsorganisationen, Verwaltung und der Open
Data-Bewegung zusammenkamen. Organisiert wurde die Konferenz von der
Heinrich Böll Stifutung, der Open Knowledge Foundation, OpenAid und
Transparency International.
Dort sprach unter anderem Ronald Siebes, der im niederländischen Außenministerium die Implementierung des Standards mitverantwortet hat. Möglich geworden sei dies in den Niederlanden vor allem durch Impulse aus der Politik, berichtet Siebes. So hätten sich zwei Parteien für die IATI eingesetzt – allerdings aus ganz unterschiedlicher Motivation heraus: Während die einen eine Erhöhung der Entwicklungszahlungen fordern, streben andere eine Kürzung an. Siebes selbst sieht großes Potenzial in der Offenlegung der Finanzströme: Man müsse den Entscheidungsträgern und der Bevölkerung aufzeigen, was mit dem Geld passiert. So wäre nun beispielsweise für jeden einsehbar, wieviel Geld die Niederlande an Mosambik zahlen und wofür das Geld dort verwendet wird. Diese Transparenz könne langfristig auch das angeschlagene Image der Entwicklungsarbeit verbessern und Vertrauen schaffen. Wichtig sei ein einheitlicher Standard aber auch im internationalen Kontext. Denn die Festlegung der Art und Weise, wie Informationen über Entwicklungsprojekte (wer, was, wo, von wann bis wann und wie viel?) dargestellt werden, würde die Koordination immens erleichtern. "Ein gemeinsamer Standard ermöglicht einfach, dass man darüber reden kann", sagt Siebes – und bezieht sich damit auch auf die Maschinenlesbarkeit der Daten.
Mitreden wollte auch die Weltbank – und hat als einer der zentralen Akteure und Datensammler in der Entwicklungsarbeit bisher mehr als die Hälfte der 266 Datensätze der IATI beigeseteuert. Ähnlich ergiebig ist auch das Open Finance Portal der Weltbank, das im Juli dieses Jahres an den Start ging. Dort sind neben detaillierten Informationen zu den einzelnen Entwicklungsprojekten auch Höhe und Zinsstände der von der Weltbank vergebenen Kredite einsehbar. Für Prasanna Lal Das, der an der Umsetzung des Projekts maßgeblich beteiligt war, ist die Offenlegung der Daten jedoch nur der erste Schritt. Langfristiges Ziel sei es, auf Grundlage der Daten einen Dialog aufzubauen und mit den Menschen über die Sozialen Medien und ein Feedback-Portal in Kontakt zu kommen. Inwieweit solche Rückmeldungen in die Politik der Weltbank einfließen soll, erklärte Lal Das bei der Vorstellung des Portals auf der Open Aid Conference jedoch nicht. Helfen könnte es aber bei der Bekämpfung von Korruption und Verschwendung der Entwicklungsgelder in den Empfängerländern. Klar ist, dass sich das Angebot vor allem an Menschen aus den Empfängerländern richtet, die nach Aussage Lal Das’ auch den Großteil der Nutzer ausmachen. Um dem hohen Anteil mobiler Endgeräte in den Entwicklungsländern gerecht zu werden und mehr Partizipation zu ermöglichen, ist das Portal inzwischen auch als mobile Applikation abrufbar.
Auch für Beris Gwynne, Direktorin des Genfer Büros des Kinderhilfswerks Worldvision, ist Transparenz der Schlüssel zur effektiven Entwicklungshilfe. Open Data könne dazu zwar einen großen Beitrag leisten, reiche aber nicht aus, so die Australierin in ihrer Ansprache auf der Open Aid Conference. Transparenz fordere auch eine gewisse Haltung und Offenheit unter allen Beteiligten. Bei einer Organisation wie Worldvision, die mit über 40.000 Mitarbeitern in fast 100 Ländern aktiv ist, gehe es auch darum, intern Transparenz herzustellen und entsprechende Strukturen zu schaffen: So hat Worldvision unter anderem einen Whistleblower-Mechanismus eingeführt und sich zur Einhaltung bestimmter Verhaltenskodizes verpflichtet. Trotz allem sei ein finales Ergebnis nicht möglich: "Transparenz ist kein Ziel, sondern ein ständiger Prozess".
Die Reden der drei Referenten finden sich als Videomitschnitt im Vieokanal der Open Knowledge Foundation.
Ein interessantes Projekt das tatsächlich mehr Transparenz in der Entwicklungshilfe erreichen könnte.Mehr Vertrauen in die Hilfe bei Gebern und der Bevölkerung -der die Hilfe angeblich nutzen soll- ist dringend nötig. Das entscheidende Problem bleibt aber: die politischen Eliten.In großen Teilen Afrikas spiegeln sich die Krankheitssymptome der Gesellschaft wider:Öffentliches Geld wird zu Privatvermögen, keine gerechten Steuersysteme, Justiz als Machtmittel, um die in den Verfassungen festgeschriebenen Rechte der Volksvertretungen schert sich kaum eine Regierung. Die Parlamente haben eine subalterne Rolle im Regierungssystem. Gesetzesvorlagen werden willig registriert, die Exekutive muss keine Rechenschaft ablegen.Die Selbsthilfe wird zur hohlen Phrase, wenn es keine Regierung gibt, die sich um das Wohlergehen seiner eigenen Bevölkerun kümmert.Da können wir noch so viele Finanzströme kontrollieren, Datenstandards schaffen, es wird nichts ändern. Es bleibt Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, dass sich Entwicklung von außen nicht steuern lässt.
Volker Seitz , Autor “Afrika wird armregiert”