Thorsten Schäfer-Gümbels Wahlkampf um das Amt des Ministerpräsidenten in Hessen zeigt neue Wege auf. Statt einseitiger Information setzt er auf den offenen und direkten Dialog mit seinen Wählern. Der Erfolg seiner Videobotschaften auf YouTube oder seines Mikro-Bloggings bei Twitter scheint ihm recht zu geben. politik-digital.de vergleicht den SPD-Internetwahlkampf mit den anderen Parteien in Hessen.
Die hessische CDU von Roland Koch befindet sich in einer geradezu komfortablen Situation, blickt man auf die vergangene Wahl. Die Umfragewerte sind wieder nach oben gegangen und eine Koalition mit der FDP scheint sich auf eine sichere Mehrheit einstellen zu können. Sicher ist aber, dass in hessischen Wahlkämpfen gar nichts sicher ist. Selbst die gescheiterte SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti hatte den Wahlausgang im vergangenen Jahr noch spannend gestalten können – obwohl in den ersten Umfragen alles für Roland Koch sprach.
CDU-Camper und distanzierter Koch
Den Wahlkampf im Netz hat die CDU beinahe vollständig auf ein für sie schon regelrecht innovatives Konzept ausgelagert. Im Webcamp09 bloggen Mitglieder der Jungen Union zum Wahlkampf von Roland Koch und setzen dabei stark auf Videos. Der Chat mit Roland Koch wird gleich per Video abgehalten, damit man nicht noch umständlich tippen muss. Bei seinen Wahlkampfauftritten und auf der Hessentour im schwarzen Wahlkampfbus ist immer ein Team des Webcamp anwesend und kommuniziert die Botschaften per Foto, Video, Blog oder neuerdings sogar per Mikro-Blog bei Twitter. Hier wird gar dokumentiert, wie Roland Koch abends noch mit dem Wahlkampfbus bei einem Schnellimbiss vorfährt und sich Burger und Pommes bestellt.
Einen wichtigen Unterschied zur Kampagne von Schäfer-Gümbel kann man aber bereits festhalten: Roland Koch wirkt häufig sehr distanziert. Man bekommt das Gefühl, dass der Internetwahlkampf nur für ihn und nicht von ihm gestaltet wird. Bei allen Videobotschaften oder –chats ist er nur Gast des ihm fremden Internetteams. Schäfer-Gümbel dagegen zieht die Präsenz an sich, er wird nicht interviewt, sondern spricht selbst. Man merkt, dass er selbst ein Interesse an einem glaubwürdigen Internetwahlkampf hat.
Man kann darüber streiten, ob die CDU ihrer Wählerklientel einen Gefallen getan hat, indem sie den Internetwahlkampf so zur Jugend abgeschoben hat. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, auch die Webseite des Landesverbands stärker einzubinden. Hier findet sich nämlich außer Pressemitteilungen und Veranstaltungstipps nicht viel.
Die starke Verwendung von Pressemitteilungen zieht sich durch alle Internetseiten von Parteien oder Kandidaten. Der Nutzer der Internetseiten will aber vielleicht keinen viel zu langen Text lesen, der auch gar nicht für ihn geschrieben wurde. Er merkt vermutlich sehr schnell, wann er angesprochen ist und wann nicht.
Grüne Textwüste mit Auflockerungen
Auch auf der neue Wahlkampfseite der Grünen unter jetztabergruen.de finden sich zahlreiche Pressemitteilungen. Aber noch über diesen platziert gibt es unter der Überschrift „Kurz und knackig“ ganz kompakte und konkrete Einführungen in das Wahlprogramm. Wo andere Parteien dazu tendieren, einfach das gesamte Parteiprogramm als 100-seitiges PDF-Dokument zu verlinken, machen die Grünen hier einen ersten Schritt auf den Wähler zu. Besser wäre es allerdings, wenn man die Texte dazu mit Bildern und Visualisierungen auflockern würde – bisher findet man eine eher ermüdende Textwüste.
In der Seitenleiste gibt es ja durchaus schon kleine Aufmacherbildchen, die auf weitere Internetseiten oder Themen verweisen. So eine Platzierung von visuellen Reizen müssten die Grünen auf die eigentlichen Inhalte ausweiten.
Ebbe bei der FDP
All die positiven Ansätze, die mittlerweile bei den meisten Parteien mehr oder weniger verbreitet sind, scheinen bei der FDP nicht angekommen zu sein. Seit wenigen Tagen haben die Hessenliberalen eine neue Startseite, die zu den wichtigsten Inhalten der Kampagne und darüber hinaus zum FDP- Portal und zur Wahlkampfseite verweist. Nach dieser ansehnlich gestalteten Seite ist aber wieder Ebbe. Nicht nur, dass man auf der Homepage der gemeinsamen Internetseite von Fraktion und Landesverband bis ganz unten scrollen muss, um überhaupt etwas zur Landtagswahl zu finden. Das Portal selbst bietet dann mit Presseberichten, Pressemeldungen und Terminen wieder den tristen Eindruck, den heute sicherlich kein Wähler auf einer Wahlkampf-Seite finden möchte. Wo bleiben die Themen? Wo die Bürgernähe?
Auch auf dem Internetauftritt des liberalen Spitzenkandidaten Jörg-Uwe Hahn gehört Nutzerfreundlichkeit nicht zu den großen Tugenden. Es gibt zwar eine Themenseite zur Landtagswahl. Doch um die ohnehin nur aus Terminen und Pressemitteilungen bestehende Seite zu erreichen, muss man den Umweg über drei nicht gerade nahe liegende Klicks gehen.
Linkspartei wird persönlich
Gegen soviel Internetverweigerung wirkt der Auftritt der Linskpartei in Hessen geradezu erfrischend. Die Neuigkeiten aus dem „Wahlkampf aktuell“ sind teilweise auch persönlich Berichte vom Wahlkampf im Winter bei Temperaturen von minus 20 Grad. Beim Vermitteln der linken Inhalte zeigt man mit einem Kurzwahlprogramm und den ansprechenden Themenplakaten erste Ansätze.
Hürden für die Wähler
Es ist verwunderlich, welch hohe Hürden die meisten Parteien ihren interessierten Wählern in den Weg legen. Offensichtlich ist, dass der Internetwahlkampf der hessischen Parteien weder richtig durchdacht ist, noch mit hohem Engagement geführt wird. Bereits der niederschwellige Zugang zu für den Wähler relevanten Informationen wird nicht erfüllt. Da wundert man sich auch nur noch über die Abwesenheit von Dialogansätzen, wie sie sonst nur bei Thorsten Schäfer-Gümbel zu sehen sind. Überspitzt formuliert: Wer schon seine Internetbesucher nicht als Interessenten ernst nimmt, der wird sich auch kaum mit ihnen über die Zukunft des Landes unterhalten wollen.
Thorsten Schäfer-Gümbel nutzt für den Dialog mit seinen Wählern auch die sozialen Netzwerke Twitter, Facebook und Co., in denen auch die Kandidaten der Grünen vertreten sind.
Christian Jung und Malte Krohn. Die Autoren studieren Politik- und Sozialwissenschaften an der Universität Gießen und untersuchen den Internetwahlkampf bei der Hessenwahl 2009 auf ihrem Blog www.homopoliticus.de
Lieber Christian, lieber Malte,
der Artikel zum Thema “Internetwahlkampf” liest sich sehr spannend, allerdings entsteht der Eindruck, dass die ein oder andere Aussage nicht ganz zutrifft: Der Internetwahlkampf der CDU Hessen wird keineswegs nur für Roland Koch gestaltet, sondern in großen Teilen mit ihm zusammen. Er ist nicht nur Interview-Gast des webcamp-Teams, sondern richtet sich in Dialogen direkt an die Wählerinnen und Wähler in Hessen. Damit wirkt er nicht distanzierend, sondern baut einen persönlichen Kontakt zum Bürger auf.
Mit besten Grüßen vom webcamp09-Team
Christian