Im Superwahljahr 2009 will auch der Holtzbrinck-Verlag ein Stück vom Kuchen und spricht mit den deutschen Parteien über ein großes Wahlprojekt. 13 Millionen User sind da ein starkes Verhandlungsargument.

Der Holtzbrinck-Verlag hat das Thema Wahl für sich entdeckt. „Wir planen ein großes Projekt mit den deutschen Parteien zum Wahljahr 2009“, erzählt Dirk Hensen, Leiter Unternehmenskommunikation bei studiVZ, politik-digital.de am Telefon. Details seien allerdings noch streng geheim.

Betrachtet man die Konstellation Holtzbrink – Parteien, erscheinen zwei Szenarien denkbar: Entweder bietet der Verlag seine Netzwerke den Parteien zu Wahlkampfzwecken an; oder aber alle Akteure starten im Verbund eine Kampagne zur Wählermobilisierung.

eWahlkampf gleich eMarketing

Die Vorteile von digitalen Netzwerken und Plattformen mit großer User-Reichweite liegen für Politiker und Parteien im Wahlkampf auf der Hand: Politische Inhalte und Mobilisierungsaufrufe lassen sich mit relativ geringem Aufwand an ein großes Zielpublikum verschicken. Die User-Gruppen sind sehr leicht zu kategorisieren nach Alter, Wohnort oder auch Vorlieben.

Nicht zuletzt ist interaktives eCampaigning in und stellt einen Imagegewinn für alle Akteure dar. Unter diesen Gesichtspunkten sind die Bedürfnisse von Wahlwerbern denen von Produktwerbern sehr ähnlich und lassen sich mit den üblichen eMarketing-Instrumenten, die Holtzbrinck anbieten könnte, gut bedienen.

Jung und weiblich

Zum anderen würde sich eine Kooperation von Holtzbrink mit den deutschen Parteien auch zur Mobilisierung von jungen Wählern eignen. Laut einer Studie der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung sind über 70 Prozent der studiVZ-User unter 30 Jahre alt, beim Ableger schuelerVZ verhält es sich ähnlich. Auf beiden Plattformen tummeln sich im Durchschnitt mehr Frauen als Männer.

Ein Blick in die Wahlanalysen der letzten Bundestagswahlen macht deutlich: Die geringste Wahlbeteiligung gab es in der Altersgruppe bis 30 Jahre. Innerhalb dieser Gruppe gehen mehr Männer an die Wahlurnen als Frauen. Nimmt man diese Zahlen zur Grundlage, bietet sich eine gezielte Kampagne zur Wählermobilisierung geradezu an.

Ein peinliches Versehen

Wie das Kooperationsprojekt nun letztendlich aussehen wird, darüber schweigt sich Holtzbrinck noch aus. Nur so viel will Dirk Hensen verraten: „Das Projekt wird auf unseren originären Plattformen eingebunden sein und nicht separat gelauncht.“

Auch soll die Idee, auf die Parteien zuzugehen, nichts damit zu tun haben, dass die SPD-Gruppe auf studiVZ schon zum zweiten Mal abgeschaltet wurde. Dies hatte bei den Sozialdemokraten für große Missstimmung gesorgt. „Das war ein peinliches Versehen von unserer Seite“, so Hensen, versichert aber, dass dies keinen parteipolitischen Hintergrund habe.

An Holtzbrinck kommt keiner vorbei

Trotz allem Ärger ist der Holtzbrinck-Verlag als Partner im Wahljahr für alle Parteien – auch die SPD – sehr interessant. Als Betreiber von studiVZ, schuelerVZ und meinVZ hält der Verlag mit 13 Millionen Usern ein starkes Argument in der Hand und ist als reichweitenstärkstes soziale Netzwerk in Deutschland eine Größe, an der kein Online-Wahlkampfmanager vorbei kommen wird.

Interessant wird sein, wie der Holtzbrinck-Verlag das Kooperationsprojekt – wie auch immer es aussehen wird – mit seinem eigenen Verhaltenskodex in Einklang bringen wird. Denn dort steht u.a. geschrieben, dass „ keine kommerzielle oder politische Werbung von Nutzern veröffentlicht werden“ darf.