In Deutschland stehen sich Studenten in der Schlange vor der Mensa oder der Bibliothek die Beine in den Bauch – in Slowenien ist das alles längst digital geregelt. Der kleine Staat zwischen Alpen und Mittelmeer zeigt sich innovativ und einfallsreich. Das erleichtert nicht nur den Alltag der vielen Studenten.

Auch wenn Slowenien in Sachen Breitbandausbau, digitale Kompetenz und Internetnutzung im europäischen Vergleich nochetwas hinterherhinkt – wenn es darum geht, sich den Alltag durch Digitalisierung zu erleichtern, kann sich so mancher EU-Staat eine Scheibe von dem kleinen osteuropäischen Land abschneiden. Vor allem das studentische Leben in Slowenien ist geprägt von digitalen Neuerungen. Busfahren, Mittagessen oder einen Platz in der Bibliothek reservieren – das alles funktioniert hier nur noch digital.

Mit schweren Pulten aus Marmor, holzvertäfelten Wänden und Büchern bis unter die mit Kronleuchtern verzierte Decke macht die slowenische Nationalbibliothek im Herzen der Hauptstadt Ljubljana einen ehrwürdigen, aber auch antiquierten und etwas angestaubten Eindruck. Doch der Schein trügt. Denn während in deutschen Universitätsbibliotheken oft regelrechte Kämpfe um die verfügbaren Sitzplätze ausgefochten werden, hat man das Problem der reservierten, aber nicht aktiv benutzten Plätze in Sloweniens bedeutendster Bibliothek ganz einfach gelöst: Ein digitales Reservierungs- und Platzvergabesystem ist der Schlüssel zum Erfolg.

Freie Bibliotheksplätze dank digitaler Karte

Voraussetzung ist eine persönliche elektronische Karte, mit der man sich vor jedem Bibliotheksbesuch am Empfang anmelden muss. Auf einem Display werden dort die mit Nummern versehenen Sitzplätze im Lesesaal angezeigt. Bereits belegte Plätze leuchten rot, die freien grün. So kann sich der ambitionierte Bibliotheknutzer selbst aussuchen, auf welchem der freien Plätze er sich seinem Studium widmen möchte. Der gewünschte Platz wird auf seiner Karte als reserviert vermerkt, nur so kann er die Tür zum Lesesaal der Bibliothek überhaupt erst öffnen. Damit wird ein Problem umgangen, von dem die meisten deutschen Studenten ein Lied singen können: Kommilitonen blockieren mit Bücherstapeln und Notizblöcken freie Plätze für ihre Freunde, die dann erst nach Stunden in der Bibliothek auftauchen – oder auch gar nicht.

Ein weiterer Zankapfel in vielen Bibliotheken: Wie lange darf man seinen Sitzplatz während einer Pause verlassen? In Ljubljana lautet die Antwort schlicht und einfach: eine Stunde, keine Minute länger. Um ausgedehnte Pausen und das unnötige Blockieren von Plätzen zu verhindern, erfordert das digitale System vor dem Verlassen des Leseraums das erneute Scannen der Karte – der Status ist auf Pause gesetzt. Erst danach kann man die Tür öffnen und die Bibliothek verlassen. Dann heißt es schnell sein: Wer sich nicht innerhalb von 60 Minuten mit seiner Karte am Platz zurückmeldet, kommt nicht mehr zurück in den Lesesaal, und der Platz wird automatisch wieder freigegeben. Diese Regeln sind zwar äußerst strikt, aber das digitale Bibliotheksystem scheint seinen Zweck zu erfüllen: Warteschlangen sind aufgrund der optimierten Platznutzung selbst während der Prüfungsphase äußerst selten. Und durch das exakte Anzeigen der freien Plätze erspart man sich auch die Ablenkung durch Studenten, die auf der Suche nach einem freien Platz durch die gesamte Bibliothek streunen.

Restaurant statt Mensa: Bezahlen mit dem Handy

Auch um die mehr als 100.000 Studenten in Slowenien unkompliziert und ganz ohne große Mensen satt zu bekommen, setzt man auf Digitalisierung. Statt fadem Kantinenessen steht tagtäglich ein Drei-Gänge-Menü auf dem Speiseplan – ganz nach Belieben in einem von über 150 Restaurants in Ljubljana, Maribor und anderen größeren Städten. „Študentski Boni” lauten die magischen zwei Worte, die in aller Munde sind. Denn in nahezu jedem Restaurant wird für Studenten ein spezielles Menü bestehend aus Suppe oder Salat, einem beliebigen Hauptgericht und einem Dessert zusammengestellt. Jedes Studentenmenü subventioniert die slowenische Regierung mit 2,63€ – die Studenten zahlen nur noch den Restbetrag. Vom gehobeneren Essen beim Mexikaner für 3,50 Euro über den Döner für 87 Cent bis hin zum Sandwich ganz ohne Zuzahlung ist alles drin.

Um dem organisatorischen Aufwand dieses dezentralen, weder orts- noch zeitgebundenen Essenssystems Herr zu werden, setzt man bei der Abrechnung der Študentski Boni auf Mobiltelefone. Jeden Monat bekommen die Studenten Mahlzeiten auf ihre SIM-Karte gutgeschrieben, die sie einsetzen können, wann und wo sie möchten. Einziger Haken: Das mobile Bezahlsystem funktioniert nur bis 20 Uhr. Wenige Minuten zuvor stürmen deshalb regelmäßig Studentengruppen die Restaurants in der Innenstadt und werfen hektisch ihre Mobiltelefone auf den Tisch – nicht gerade zur Freude der Kellner, die dem Študentski Boni oftmals nicht positiv gesinnt sind, bedeutet die Abrechnung über einen Anruf mit dem Mobiltelefon doch einen Mehraufwand für sie. So nervenaufreibend das Bezahlsystem mit einem zusätzlichen Scanner für die Gastronomen auch sein mag, es lockt doch scharenweise Gäste in ihre Restaurants. Und das relativ unbürokratische System ermöglicht es den Studenten zu essen, was sie wollen, wann sie wollen und wo sie wollen – allerdings nur alle vier Stunden, denn nach jedem Abbuchen wird der Account kurzfristig blockiert. Die tägliche schwerwiegende Entscheidung, mit den Freunden beim Mongolen, Bosnier oder doch lieber in der Pizzeria zu dinieren, ist in Slowenien definitiv ein Luxusproblem.

Bargeldlos quer durch die Stadt

Die Digitalisierung hat in Slowenien auch vor dem öffentlichen Nahverkehr nicht Halt gemacht. Ein Ticket am Fahrscheinautomaten zu lösen ist ebensowenig möglich wie dem Fahrer bares Geld in die Hand zu drücken, eine Busfahrt will geplant sein. Nur wer im Besitz einer „Urbana Card” ist, einer elektronischen Guthabenkarte, kann die innerstädtischen Busse in Sloweniens Hauptstadt benutzen. Ausnahmen gibt es nicht. Bei jedem Einsteigen wird die Karte dann einfach an einen im Bus installierten Scanner gehalten, der fällige Betrag wird abgebucht. Auch Parkgebühren für die öffentlichen Parkplätze in der Innenstadt können bequem von der Urbana Card abgezogen werden. Schneller und unkomplizierter geht‘s nicht – wenn man die Karte erst einmal hat. Um an eine der begehrten Monatskarten für Schüler und Studenten zu kommen, müssen diese nämlich ihre Ausdauer unter Beweis stellen: Zumindest zu Beginn eines jeden Semesters reicht die Schlange vor dem Büro des örtlichen Verkehrsverbands schon früh morgens bis weit auf die Straße hinaus. Prepaid-Karten kann man für zwei Euro auch unkompliziert an jedem Trafika-Kiosk kaufen. Und wer aus irgendwelchen Gründen einmal keine Verkaufsstelle für die Urbana Card in Reichweite findet, der kann beruhigt sein: Großstädte gibt es in Slowenien nicht, Laufen ist immer eine Option.

Oder man radelt mit dem kostenlosen City Bike durch die Stadt. Wenn auch im europäischen Raum keine Innovation mehr, ist das bei Studenten und Anwohnern gleichermaßen beliebte Fahrrad in Ljubljana an jeder Straßenecke verfügbar. Aus den Fahrradständern können die Räder – wer hätte es gedacht – mit einer elektronischen Karte entliehen werden. Genau eine Stunde Zeit hat der Nutzer dann, bis er das Fahrrad an irgendeiner anderen Radstation wieder zurücklassen muss. Wer den Fahrrad-Service nutzen möchte, kann sich online für drei Euro im Jahr registrieren.

Keine überfüllte Mensa, kein Warten auf einen Platz in der Bibliothek und kein Kramen nach Kleingeld im Bus: Slowenien zeigt, wie man mit kleinen digitalen Neuerungen bequem und bargeldlos durch den Alltag kommen kann. Noch besteht hier Nachholbedarf bei der allgemeinen Digitalisierungsstrategie, mittlerweile kann aber zum Beispiel die Steuererklärung online gemacht werden. Und zumindest in einem weiteren Punkt ist Slowenien Deutschland bereits einen großen Schritt voraus: An jedem öffentlichen Platz und in jedem noch so kleinen Café gibt es selbstverständlich kostenloses und freies WLAN.

Bild: Franziska Türk

CC-Lizenz-630x1101

Privacy Preference Center