Heute stellen wir im Rahmen unserer Blog-Reihe das erste preisgekrönte Videoblog für Streitkultur in Deutschland vor: „T2E:Talk to the Enemy“. Hier können junge Menschen über Themen debattieren, die SIE bewegen und über die SIE am besten Bescheid wissen. politik-digital.de hat nachgefragt.
Vor zwei Wochen haben wir damit begonnen, im Rahmen einer Reihe mehrere Blogs und ihre Autoren vorzustellen. Damit wollen wir auf Blogger aufmerksam machen, die ihre Gedanken, politischen Ansichten und Interessen auf sehr persönliche oder besonders kreative Art und Weise äußern. In den vergangenen Wochen haben wir bereits den „Sprengsatz“ von Michael Spreng und „ein fremdwoerterbuch“ von Kübra Gümüsay vorgestellt. Porträtiert werden die Entstehung der Blogs und die Absichten ihrer Autoren, und wir reden mit den Bloggern über ihre Erfolge, Finanzierungsmöglichkeiten und die Zukunftsaussichten ihrer Weblogs. Besonders originelle, humorvolle oder kritische Beiträge werden angesprochen. Dabei geht es uns nicht nur darum, interessante Blogs darzustellen, sondern auch um die Menschen hinter den Texten, und darum, zu zeigen, was sie bewegt.
Das Blog „TALK TO THE ENEMY“, kurz T2E ist ein Unikat in der deutschen Blog-Landschaft. Es gibt jungen, interessierten Menschen die Chance, sich auf hohem Niveau zu streiten über Themen, die sie persönlich bewegen oder zu denen sie eigene Erfahrungen gemacht haben. Einzigartig ist es aber vor allem deshalb, weil es seine Blogger mit Kamera und Laptop ausstattet und diese ihre Gedanken, Meinungen und Gefühle auf diese Weise lebensnah und glaubwürdig festhalten können. Politiker oder Lobbyisten kommen hier nicht zu Wort. politik-digital.de sprach mit Katrin Eigendorf, ZDF-Fernsehreporterin, Moderatorin und Mitbegründerin von T2E.
Die Idee des Videoblogs ist ein gemeinsames Projekt der ZDF-Frau Katrin Eigendorf und der Videojournalistin Sabine Streich. Die beiden Frauen fragten sich, was man „im Fernsehen mit all den technischen Möglichkeiten in der Berichterstattung anders machen kann“, so Eigendorf gegenüber politik-digital.de. Die Antwort war bald gefunden. Das Rezept zur innovativen Idee: Führe Menschen zusammen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die sich im realen Leben nicht begegnen würden, wie Israelis und Deutsche. Lass sie sich gegenseitig ihr Land zeigen, indem du ihnen Kameras zur Verfügung stellst und ihnen den richtigen Umgang mit der Kamera beibringst. Warte ein wenig ab, bis beide Seiten auf kritische Themen stoßen, über die es sich zu streiten lohnt, zum Beispiel die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland oder Israels Rolle im Nahen Osten. Das Konzept war geboren. „Wir wollten jungen Menschen, die sich im realen Leben nicht begegnen, eine Plattform bieten, auf der sie sich qualifiziert über ein Thema aus verschiedenen Perspektiven streiten können“. Das ZDF stand dem Projekt anfänglich eher skeptisch gegenüber, erst später nahm es die Reportage über das Blog mit ins Programm, berichtet Katrin Eigendorf. Streich und Eigendorf hatten dann jedoch die Idee, sich beim Scoop-Preis der Axel Springer Akademie zu bewerben. „Wir wollten wissen, ist das eigentlich innovativ, ist das gut? Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir auch nur unter ferner liefen gewinnen würden“. Aber siehe da, die Jury war überzeugt von dem crossmedialen Projekt. „Crossmedial insofern, als es auf Internet und Fernsehen zielt und wir zusätzlich ein Blog auf welt.de haben“.
Ziel des Blogs ist es „etwas zu liefern, was Mainstream-Medien nicht liefern. Nämlich ganz nah an den Menschen zu sein und sie über ein Thema reden und streiten zu lassen, das sie wirklich etwas angeht“, so Eigendorf im Interview. Mit „Talk to the Enemy“ wollten sie sich vor allem von den TV-Talkshows abgrenzen. Dass sie mit ihren Themen kein Massenpublikum, sondern „nur“ an den Debatten interessierte Menschen erreichen würden, war den beiden Initiatorinnen von vornherein klar. Von der Axel Springer Akademie erhielten sie ein Startbudget von 500.000 Euro, mit denen sie die Plattform gestalten und die Blogger mit Knowhow und Equipment ausstatten konnten. Die Akademie stellte auch viel Knowhow zur Verfügung, „ohne die Axel Springer Akademie hätte es T2E nie gegeben“.
Die großen Pluspunkte der Seite sind die gute Vernetzung der Blogger untereinander und die Möglichkeiten für Beobachter der Diskussion, Beiträge zu kommentieren, Blogger zu bewerten und sich aktiv in die Diskussion einzuklinken. Bislang hat „Talk to the Enemy“ zwei Schwerpunktthemen: „Arm und Reich“ und „Christen und Muslime“. Bei „Arm und Reich“ reichten die Fragen von „Kann man von 346 Euro leben?“ bis hin zu „Leben wir in einer Klassengesellschaft?“. Jeweils fünf junge Menschen berichteten auf Seiten der “Armen“, fünf für die “Reichen“. In insgesamt elf Runden wurden 50 Videos gedreht und mehr als 400 Kommentare von Beobachtern der Seite verfasst. Für den zweiten Schwerpunkt erhielten Eigendorf und Streich zwar viele Bewerbungen, „vor allem von jungen Muslimen“, wie Katrin Eigendorf berichtet. Aber viele Menschen haben auch Angst vor der Veröffentlichung im Netz, „und dann auch noch per Video“. Sobald die Teilnehmer angenommen sind, erhalten sie zwei bis drei Tage lang Unterricht im Umgang mit der Kamera und lernen, wie man Filme schneidet. Dann kann der Dreh beginnen.
Unter den Bloggern wird fleißig, niveauvoll und kreativ, zum Beispiel in Form von Raps, debattiert. Dennoch fehlt Eigendorf manchmal die Schärfe in den Kommentaren. „Anfänglich hatten wir Sorge davor, was dort geschrieben werden würde. Aber es war eigentlich nichts dabei, was hätte moderiert werden müssen. Wir hatten tatsächlich nur Kommentare, die sehr, sehr qualifiziert waren, teilweise schon viel zu qualifiziert“, so Eigendorf. Nur einmal wurde eine Mahnung ausgesprochen und das gegen eine der Video-Bloggerinnen. Hetzer oder Menschen mit radikalen Absichten blieben der Seite von Anfang an fern. Eigendorf glaubt, dass Radikale, ganz egal aus welchem Lager, eher Angst vor all den qualifizierten, gut informierten Bloggern hätten.
Besonders viele und interessante Beiträge gab es zu den Themen „Frauenrechte“, „Ist der Islam eine unterdrückende Religion“, „Kopftuch“ und „Ist der Islam mit den Grundwerten der westlichen Welt vereinbar?“. „Ein Thema, das enormen Zündstoff hatte und das unseren Rahmen dann tatsächlich ein wenig gesprengt hat, war die Situation der Christen im Nahen Osten. Wir hatten einen Videoblogger aus dem Libanon, der bedroht wurde und deshalb aussteigen musste. Darauf hatten wir extrem viele Reaktionen“. Die Themenrunden wurden dokumentiert und am Ende im ZDF gezeigt.
Für die Zukunft hatten Eigendorf und Streich geplant, weitere kontroverse Themen diskutieren zu lassen. Da dies aber enorm aufwendig und kostspielig ist, haben sie sich dagegen entschieden. „Die Förderung der Akademie endet jetzt und deshalb müssen wir das Blog wirtschaftlich auf eigene Füße stellen und wollen es zu einer Webseite für interkulturellen Dialog weiterentwickeln“. Das Thema soll ausgedehnt werden auf Menschen jüdischen Glaubens und Andersgläubige. Die Gründerinnen gehen davon aus, dass in der aktuellen Situation nach den Attentaten in Norwegen das Thema Terrorismus, der mit Glauben in Verbindung gebracht werden kann, enormes Potential bietet. Zurzeit suchen die beiden Journalistinnen einen Sponsor für die Fortführung ihres Projekts.
Das Blog hat es verdient. Es ist eines der innovativsten, informativsten und zukunftsweisendsten Portale in der deutschen Blogger-Szene.
Das Porträt von Michael Sprengs "Sprengsatz" innerhalb unserer Blog-Reihe finden Sie hier
Das Porträt von Kübra Gümüsays "ein fremdwoerterbuch" finden Sie hier