Was hat sich bei der Bürgerbeteiligungs-Plattform Adhocracy bisher getan? Wie wurde das Tool von den Nutzern angenommen? Wo geht die Reise hin? politik-digital.de fragte nach.
(10. Sitzung der Internet-Enquete)
Auf ihrer zehnten Sitzung am 11. April hat die Enquete-Kommission des Bundestages für Internet und digitale Gesellschaft als ersten Teil eines Zwischenberichts über ihre bisherige Arbeit Texte aus der Projektgruppe „Datenschutz und Persönlichkeitsrechte“ verabschiedet.
Eine offizielle Zwischenbilanz zur Nutzung der Open Source-Software Adhocracy gibt es jedoch noch nicht. Kein Wunder: Die Beta-Version des Beteiligungstools ist erst seit Februar im Einsatz. Einen kurzen Statusbericht wagen wir hier dennoch.
Laut Daniel Reichert vom Liquid Democracy e.V., dem Entwickler der Adhocracy-Software, konnte diese bisher nur in der Schlussphase der bereits bestehenden Projektgruppen der Internet-Enquete einbezogen werden. Eine Involvierung der Nutzer war bisher also kaum möglich. In Kürze werden weitere Projektgruppen – über die bestehenden hinaus – online gehen, um den 18. Sachverständigen in die Erarbeitung der Handlungsempfehlungen der Internet-Enquete einzubeziehen – mithilfe des Adhocracy-Tools. Dieses wird dann von Anfang an zum Einsatz kommen. Zum Ablauf der Adhocracy-Beteiligung wurde ein Wiki erstellt.
Die Beteiligungszahlen in einzelnen Projektgruppen (wie "Demokratie und Staat") seien bereits sehr gut, bei technischen Themen wie Netzneutralität oder Datenschutz aber erwartungsgemäß geringer, so Reichert. Laut dem Enquete-Mitglied Manuel Höferlin (FDP), Vorsitzender der Projektgruppe "Datenschutz und Persönlichkeitsrechte", haben sich bisher rund 1.000 Nutzerinnen und Nutzer auf der Plattform angemeldet: „Der Start mit Adhocracy verlief nicht so erfolgreich, wie wir uns dies vorgestellt hatten. Zum Teil wurde im konventionellen Forum der Website mehr und aktiver diskutiert.“ Damit die Beteiligungsplattform in Zukunft mehr Menschen erreicht und auch entsprechend genutzt wird, hat die Projektgruppe "Datenschutz" beschlossen, auf Adhocracy a) Handlungsempfehlungen offen einzusammeln und b) Handlungsempfehlungen aus der Projektgruppe zur Diskussion zu stellen. Das betrifft zum Beispiel die Themen „Selbstdatenschutz und Medienkompetenz“ sowie „Datenschutz für Kinder und Jugendliche“.
Höferlin betreibt gemeinsam mit anderen Enquete-Mitgliedern das Portal Open Enquete, auf dem Informationsmaterial zusammengestellt wurde, das die richtige Nutzung von Adhocracy beschreibt. Dort erklären Daniel Reichert und Friedrich Lindenberg vom Liquid Democracy e.V. zudem in einem Video, welche Voraussetzungen Nutzer mitbringen müssen, um bei Adhocracy aktiv zu werden.
Thomas Jarzombek (CDU), Vorsitzender der Projektgruppe "Medienkompetenz", meint, dass die von den Nutzern eingebrachten Vorschläge mit großem Interesse verfolgt und teilweise auch übernommen werden. Für ihn ist Adhocracy weniger ein Mittel, um die Basis einzubinden oder plebiszitäre Elemente einzuführen, als vielmehr ein Beteiligungstool für eine digitale Elite. „Entsprechend hochwertige Beiträge finden sich, die sehr interessant zu lesen sind. Repräsentativ ist dies jedoch aufgrund der wenigen Beteiligten nicht“, so Jarzombek. Wo die Reise hingehe, sei offen. Ein Gewinn sei Adhocracy in jedem Fall. Die Enquete profitiere von den Ideen und Positionen der Netzgemeinde. Wie groß ganz konkret der Einfluss auf die Politik sei, hänge aber einerseits von der Qualität der Argumente, andererseits auch von der Menge der Teilnehmer ab. „Zumindest bei letzterem Aspekt ist noch eine gewisse Entwicklungsphantasie vorhanden.“
In den bisher existierenden Projektgruppen (PG) wurden bis dato insgesamt 90 themenbezogene Vorschläge von den Teilnehmern eingebracht, die allerdings sehr ungleichmäßig verteilt sind. So weist die PG "Netzneutralität" lediglich vier Vorschläge auf, während in der PG "Demokratie und Staat" 48 Vorschläge eingebracht wurden: so z. B. der viel kommentierte Vorschlag von Friedrich Lindenberg zur Förderung von Transparenz durch Open Data.
„Die Anzahl der Adhocracy-Nutzer bleibt derzeit wohl hinter den Erwartungen zurück“, meint Jarzombek. Und für Höferlin steht fest, dass die Software weiter vereinfacht werden müsse. Noch sei die Bedienung nicht selbsterklärend, was die momentan kleine Anzahl von zur Abstimmung gestellten Anträgen zeige. Der Auftrag an die Enquete, die Öffentlichkeit in besonderem Maße miteinzubeziehen, sei ein noch nicht abgeschlossener Prozess. Die Internet-Enquete sei Avantgarde, was die Formen von elektronischer Abstimmung und Partizipation betrifft. „Aber ich bin mir sicher, dass die Arbeit an dieser Beteiligungsform unsere Demokratie in Zukunft sehr bereichern könnte“, wagt Höferlin einen Ausblick.
“Die Internet-Enquete sei Avantgarde” Ha, Ha, ha. Gelungen.
Die Internet-Enquete ist ein bürokratischer Moloch, der dazu dient, das Thema kaputt zu reden. Das ist ungefähr so, als wenn die öffentliche Verwaltung sagt: Wir machen gerne E-Government, aber nur mit Signaturen, wegen der Sicherheit, Du weisst schon. Also ist Ruhe, nichts passiert. Die erste Enquete unter Tauss hat schon nichts bewirkt. Die zweite hat auch keine Fans.
Das Tool taugt nichts. Ich gehöre auch zu den 1.000 First Movern. Aber ich gehe da nicht mehr hin, das das Werkzeug unbrauchbar, unübersichtlich, nicht diskussionsfreudig ist. Man erreicht mehr Leser, wenn man in Tageszeitungen kommentiert, die in Deutschland fast alle (bis auf die Rheinische Post) zensiert werden.
Vertane Chance.