Eines der bekanntesten und erfolgreichsten politischen Blogs ist der "Sprengsatz" des Journalisten und Medienberaters Michael H. Spreng. In einer Blog-Reihe stellt politik-digital.de heute das "Leit-Blog" für viele deutsche Polit-Blogger vor.
In den kommenden Wochen stellen wir auf unserer Website im Rahmen einer Reihe mehrere Blogs und ihre Autoren vor. Damit wollen wir auf Blogger aufmerksam machen, die ihre Gedanken, politischen Ansichten und Interessen auf sehr persönlicher oder besonders kreative Art und Weise äußern. Dazu zählen "ein fremdwoerterbuch" einer jungen muslimischen Journalistin, das für den Grimme Online Award nominiert wurde, der "Störungsmelder", ein Blog, das kritisch über Neonazis berichtet und mittlerweile auch auf Zeit Online veröffentlicht wird. Aber auch etablierte Blogs und Blogger, die von Beginn an äußerst erfolgreich waren, wie der "Sprengsatz" von Michael Spreng werden vorgestellt. Porträtiert werden die Entstehung der Blogs und die Absichten ihrer Autoren, und wir reden mit den Bloggern über ihre Erfolge, Finanzierungsmöglichkeiten und die Zukunftsaussichten ihrer Weblogs. Besonders originelle, humorvolle oder kritische Beiträge werden angesprochen. Dabei geht es uns nicht nur darum, interessante Blogs für unsere Leser zu porträtieren, sondern auch um die Menschen hinter den Texten, und darum, zu zeigen, was sie bewegt.
Seit 2008 führt der ehemalige Chefredakteur der "Bild am Sonntag" Michael Spreng eines der einflussreichsten politischen Blogs Deutschlands. Laut eigenen Angaben und für jedermann offensichtlich ist das Blog „puristisch“ aufgebaut und kommt ganz „ohne Schnickschnack“ aus. Es zielt auf eine Leserschaft mit einem gewissen Vorwissen ab, die Lust hat, zu lesen, und „politisch hochinteressiert“ ist. Es ist Sprengs „verlängerte journalistische Werkbank“, wie er im Interview mit politik-digital.de erläutert, ein digitaler Ort, an dem der von Alt-Kanzler Kohl gefürchtete Journalist sein eigener Chefredakteur sein kann.
Die Themenfelder haben fast immer einen politischen Schwerpunkt, wobei der Autor versucht, „gleichermaßen gerecht oder ungerecht gegenüber jeder Partei zu sein“.
Der ehemalige Wahlkampfmanager von Edmund Stoiber und Jürgen Rüttgers äußert aber immer seine eigene, oft sehr kritische Meinung, wenn es um die eigene Berufssparte, Leo Kirch oder verpatzte Integrationspolitik geht. Seine persönlichen Erfahrungen mit den Medien und als Berater prominenter Politiker bringt er dabei erfolgreich mit ein.
Neben dem jeweils aktuellen Artikel finden die Leser auf der Startseite des "Sprengsatz" die Rubriken "Mein Kommentar der Woche" und "Anekdote der Woche". Dem Blogger geht es nicht darum, die neuesten politischen Nachrichten differenziert darzustellen. Vielmehr interessiert es ihn, in seinen Artikeln und Kommentaren „zum Beispiel die Tarnsprache der Politiker zu entschlüsseln, die Inszenierungen zu entlarven“.
In der Anekdoten–Sparte legt der 63-jährige Spreng persönliche Erfahrungen offen, die er über die Jahre gesammelt hat. Das reicht von humorvollen Anspielungen auf einen alten Kollegen bei der Bildzeitung bis hin zu Erlebnissen, die den Journalisten schon in frühen Jahren geprägt haben, wie die Ermordung des FDP-Politikers Heinz-Herbert Karry Anfang der 1980er Jahre. Teils diskret, teils sehr direkt beschreibt Spreng, welches Verhalten er für Journalisten angemessen hält und welches nicht. Parteizugehörigkeit gehört für ihn definitiv nicht dazu. Manche Anekdoten lassen einen schmunzeln, wenn Spreng in einem nostalgischen Ton über die ersten Jahre seiner journalistischen Laufbahn berichtet. Die meisten Beiträge sind äußerst unterhaltsam und aufklärend, zum Beispiel, wenn es um seine ehemaligen Kollegen von der Bildzeitung und deren Methoden geht, die immer wieder Thema sind. „Die Bildzeitung kann mich nicht leiden und ich sie nicht“, bestätigt Spreng.
Besonders große Resonanz fanden Sprengs Artikel über Thilo Sarrazin und dessen umstrittenen Thesen. „Aber das größte Echo in diesem Jahr, und ich glaube auch das größte Echo überhaupt, waren meine Beiträge ‘Die Jäger müssen sich stellen’ und ‘Schwarm-Intelligenz und Schwarm-Feigheit’". In diesen Beiträgen schrieb Spreng kritisch über die Plagiatsaffären von Karl-Theodor zu Guttenberg und einigen FDP-Politikern und fordert die anonymen Plagiatsjäger auf, ihre Identität aufzudecken.
Die Zielgruppe des "Sprengsatz" reicht von gewöhnlichen politik-interessierten Lesern über Hauptstadtjournalisten bis hin zu Mitarbeitern in Ministerien, so Spreng. Im Vergleich zu seiner früheren Karriere sieht sich der Blogger eher als ein „politischer Kleindarsteller“, trotzdem ist er erfreut darüber, dass 160.000 bis 200.000 Menschen monatlich den "Sprengsatz" besuchen: „Das ist für eine One-Man-Show nicht schlecht“. Verbesserungspotenzial sieht er laut eigenen Angaben nicht. Spreng hat genau das Publikum erreicht, das er erreichen wollte, und deckt die angestrebten Themenbereiche ab. „Ich schreibe auch nicht über Themen, in denen ich mich nicht für kompetent halte“. Das Blog ist Sprengs Hobby. Deshalb stellt er auch seine ganz persönliche, meist versierte und häufig provozierende Meinung zu politischen Themen dar. Dieses "Hobby", in das er bereits um die 8.000 Euro, unter anderem für technische Betreuung, investierte, leistet er sich gern. Von Finanzierungssystemen wie flattr hält der Blogger nicht viel: „‚Da kommen so lächerliche Beträge zusammen und außerdem ist mir das ein bisschen peinlich“.
Solange es ihm Spaß macht, wird Michael Spreng sein Webtagebuch weiterführen. Wollen wir hoffen, das dies noch lange der Fall ist.