Netzpolitik und digitale Bürgerrechte – ein Nischenthema für Nerds und Netzaffine oder die größte Herausforderung unserer gegenwärtigen Gesellschaft? Irgendwie stimmt ja beides. Während sich die Zivilgesellschaft zu Themen rund um das Internet immer besser organisiert, fehlt der wachsenden Anzahl an Akteuren in vielen Fällen die breite, leider auch finanzielle, Unterstützung. Doch worüber finanzieren die Organisationen sich stattdessen, wie akquirieren sie Spenden und worin unterscheiden sie sich in Finanzierung und Struktur? Ein Überblick über die Netzaktiven und Aktiven im Netz.
Mit seiner „Rede zur Lage der Nation“ auf der diesjährigen re:publica ging es Sascha Lobo auch darum, eine Diskussion über Internet-Aktivismus und dessen chronische Unterfinanzierung anzustoßen. Knackpunkt ist dabei häufig die mangelnde Bereitschaft der Sympathisanten, sich auch tatkräftig oder mittels Spenden zu engagieren. Um den ewigen Status als „Hobby-Lobby“ zu überwinden, müssten die Netzorganisationen ihre Finanzierung jedoch umso mehr auf ein festeres Fundament stellen – unabhängig und jenseits von Zeitdruck und ökonomischen Zwängen.
Wo also liegt das Problem? Sind die Menschen tatsächlich nicht bereit, netzpolitisches Engagement zu unterstützen? Fehlt es an öffentlichkeitswirksamen Narrativen, handfesten Bedrohungen oder dem Bewusstsein für die Bedeutung netzpolitischer Themen? Oder mangelt es an Professionalität in der Öffentlichkeitsarbeit und Spendenakquise der Organisationen und Vereine?
Unter dem Motto „Was kostet die Demokratie?“ wollen wir herausfinden, wie es denn nun konkret um die Spendenbereitschaft der Netzinteressierten bestellt ist und welchen Anteil Spenden in den Einnahmen der führenden Netzorganisationen haben. Wir versuchen einen besseren Einblick in die Finanzierung spendengestützter Netzorganisationen zu gewähren und die Mittelverwendung verstärkt zu thematisieren. Mit diesem Beitrag wollen wir die Debatte über Defizite, Möglichkeiten und Professionalisierungsbedarf der Organisationen, zu der wir auch unsere zählen, fortsetzen.
Wie ist das bei uns?
Aus eigener Erfahrung mit unserer Arbeit für politik-digital e.V. können wir sagen, dass Spenden mit unter 5.000 Euro im Jahr gegenüber 350.000 Euro Gesamteinnahmen nur minimal zu unserer Finanzierung beitragen. Stattdessen sind wir in unserer Arbeit auf alternative Finanzierungsmodelle angewiesen. So generieren wir einen Großteil der Einnahmen durch Dienstleistungen in den Bereichen Redaktion und Live-Kommunikation. Damit finanzieren wir u.a. die Redaktion und den Betrieb von politik-digital.de als verlagsunabhängige und parteienübergreifende Informations-, Kommunikations- und Partizipationsplattform zum Thema Politik und Internet.
Auftraggeber der Dienstleistungen sind beispielsweise die Bundeszentrale für politische Bildung (Online-Dossier zur Europawahl), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (http://www.ganztagsschulen.org/), die Stiftung Warentest oder der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD). Mit der Digitalen Bürgersprechstunde (DBS) wird außerdem eines unserer Projekte in Teilen von Google Deutschland mit unterstützt.
Fundraising betreibt der Verein nur in geringem Maße. Zwar wird für die DBS gezielt um Zuschüsse und Spenden geworben, darüber hinaus beschränkt sich die Akquise allerdings auf wenig prominente Spendenaufrufe auf unserer Seite.
Wir fragten bei insgesamt 12* Vereinen, Organisationen und Initiativen im Bereich der Netzpolitik und des Netz-Aktivismus nach, um Einblicke in den Status Quo der Spendenbereitschaft zusammenzutragen und Lobos Klage mit den notwendigen Fakten zu unterlegen. In sieben Fragen baten wir sie um Auskunft darüber, wie hoch ihre Spendeneinnahmen (auch gegenüber alternativen Einnahmequellen) sind, woher diese größtenteils stammen und auf welche Weise bzw. wie aufwendig sie um Spenden werben. Antworten erhielten wir von acht der angeschriebenen Organisationen. In einem Fall konnten wir die Informationen teilweise selbst recherchieren.
Netzpolitik: Ein heterogenes Feld
Nach einem ersten Blick auf die Antworten wird zunächst eines deutlich: So unterschiedlich die von uns adressierten Akteure in Struktur, Aktivitäten und Inhalten sind, so vielfältig sind auch ihre Finanzierungsmodelle. Während sich einige Vereine vorrangig über ihre Mitgliederbeiträge und somit relativ solide finanzieren können, sind andere Organisationen sehr viel mehr von Spenden abhängig. Andere wiederum finanzieren sich teilweise über Dienstleistungen oder konkrete Kampagnenzuschüsse. Außerdem muss unterschieden werden zwischen Organisationen, die vor allem von Großspendern wie Stiftungen oder gar Unternehmen getragen werden, und jenen, die vor allem Einzelpersonen ansprechen. Im Folgenden haben wir versucht entlang dieser Differenzierungen das Feld der im Netz aktiven und netzpolitischen Organisationen zu skizzieren und ihren Praktiken der Spendenakquise gegenüberzustellen.
[expand title=”Digitalcourage“]
Jenseits der Berliner Hauptstadtblase verrichten beispielsweise die Netzaktivisten von Digitalcourage e.V. (vormals FOEBUD) seit 1987 ihre Arbeit in Bielefeld. In ihrem Engagement für „Bürgerrechte, Datenschutz und eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter“ richten sie sich mit verschiedenen Aktionen, Projekten und Initiativen an die Öffentlichkeit.
Hier machten im Geschäftsjahr 2012 (Transparenzbericht) die erwirtschafteten Einnahmen etwa 20 Prozent der Gesamteinnahmen von ca. 315.000 Euro aus, Mitgliedsbeiträge etwa 11 Prozent, Einzelspenden ca. 30 Prozent sowie Großspenden und Zuschüsse 41 Prozent. Eine besondere Rolle nehmen bei Digitalcourage gezielte Bezuschussungen im Rahmen der Big Brother Awards ein. Die Abhängigkeit von Spenden und Zuschüssen kann damit insgesamt als hoch angesehen werden.
Der Verein ist allerdings darum bemüht, sein finanzielles Fundament vor allem über Kleinspenden zu stützen, die für einen breiteren Rückhalt in der Gesellschaft stehen. Dazu ist es laut eigener Aussage insbesondere wichtig, auch jenseits der netzaffinen Community Geldgeber zu gewinnen. Dennoch setzen die Bielefelder vor allem auf klassische Spendenaufrufe in ihrem Newsletter, in ihren Druckmaterialien und auf ihrer Homepage. Darüber hinaus werden Stiftungen und weitere korporative Geldgeber gezielt und projektbezogen angeschrieben. Gegen externes Fundraising hat man sich hier jedoch bewusst entschieden und integriert die Akquise stattdessen in die alltäglichen Bürotätigkeiten, um Wissen und Ressourcen innerhalb des Vereins zu belassen. Darüber hinaus wurde ein Fundraisingberater hinzugezogen, um das Team in diesem Bereich weiter zu schulen.
Abhängigkeit von Spenden und Zuschüssen: hoch
Mitgliederbeiträge: mittel
Anteil der Großspender: mittel
Anteil von Unternehmensspenden: gering
Akquise-Bemühung: mittel
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[expand title=”Internet Gesellschaft Collaboratory“]
Eine völlig andere Finanzstruktur findet sich beim Internet & Gesellschaft Collaboratory e.V., das aber auch andere Ziele verfolgt. Als „ offene Experten- und Interventionsplattform“ will das CoLab vor allem dazu dienen, interdisziplinär und praxisbezogen neue Diskussionen und Projekte in der digitalen Gesellschaft anzustoßen. Der junge Verein (Gründungsjahr 2012) zehrt noch von einer Anschubfinanzierung des Initiators Google Deutschland und war auch im vergangenen Jahr weiterhin stark auf die Spenden des Konzerns angewiesen (56,7 Prozent der Gesamteinnahmen). Die restliche Finanzierung errechnet sich durch einen Jahresübertrag, nicht-monetäre Zuwendungen und zu 11,3 Prozente über projektbezogene Kostenbeteiligungen (u.a. Bertelsmann Stiftung, Wikimedia). Kleinspender stehen hingegen bislang noch kaum auf der Geberliste des Vereins (unter 5 Prozent). Darüber hinaus profitiert das CoLab projektbezogen auch von der engen Zusammenarbeit und dem Austausch mit anderen Organisationen.
Entsprechend seiner Finanzierungsstruktur adressiert das Collaboratory vornehmlich Unternehmen und Stiftungen, die im selben Feld tätig sind, „d.h. mit dem Internet oder weitestgehend mit dem digitalen Wandel in Berührung stehen.“ Neben dem obligatorischen Spendenaufruf auf der Webseite und einem Eintrag bei boost-project.com, werden diese gezielt angeworben, häufig auch im Rahmen konkreter Projektfinanzierung (Sponsoring). Insgesamt verwendet der Verein 40-50 Prozent seiner Personalausgaben auf Fundraising.
Abhängigkeit von Spenden und Zuschüssen: hoch
Mitgliederbeiträge: gering
Anteil der Großspender: hoch
Anteil von Unternehmensspenden: hoch
Akquise-Bemühung: hoch
[/expand]
[expand title=”Digitale Gesellschaft“]
Die Digitale Gesellschaft gründete sich 2010 und wurde auf der re:publica 2011 der Netz-Öffentlichkeit vorgestellt. Seitdem hat der eingetragene Verein einen stabilen Stamm an Fördermitgliedern aufgebaut, der sein finanzielles Rückgrat bildet. Durch konstante monatliche Mitgliedsbeiträge von mindestens 5 Euro und durchschnittlich 5-10 Euro verschaffen die Fördermitgliedschaften den Netzaktivisten eine gewisse Planungssicherheit. Darüber hinaus spielen traditionelle Kleinspenden eine große Rolle. Insgesamt kam die Organisation im Jahr 2011 somit auf eine Spendensumme von knapp 13.500 Euro, wie dem aktuellen Transparenzbericht zu entnehmen ist. Die zweite große Säule der Finanzierung bilden Großspenden von Stiftungen. Seit Mai 2013 beispielsweise empfängt der Verein eine Förderung der Stiftungsgruppe Open Society Foundations, die im vergangenen Jahr jede Spendeneinnahme des Vereins mit einem Euro bezuschusst hat. Auch konnte die Bridge-Stiftung zwischen 2012 und 2013 dafür gewonnen werden, die Kampagne der Digitalen Gesellschaft zur Netzneutralität mit 9.500 Euro zu unterstützen.
Bereits auf ihrer Startseite wirbt die Digitale Gesellschaft sehr prominent um Fördermitglieder. „Arbeit für digitale Bürgerrechte kostet Zeit und Geld“, heißt es dort. Angesichts der geringen Anzahl hauptberuflicher und voller Arbeitsstellen betreibt der Verein kein aufwendiges oder professionelles Fundraising, sondern bindet den Spendenappell stattdessen auf der Webseite und in Publikationen ein. Außerdem bemüht man sich stetig, bestehende Förderungen zu erhalten bzw. zu verlängern, und um neue Förderpartnerschaften projektbezogen zu werben.
Abhängigkeit von Spenden und Zuschüssen: hoch
Mitgliederbeiträge: mittel
Anteil der Großspender: hoch
Anteil von Unternehmensspenden: gering
Akquise-Bemühung: hoch
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[expand title=”netzpolitik.org“]
netzpolitik.org versteht sich selbst als „Plattform für digitale Bürgerrechte“ und besteht in seiner derzeitigen Form seit dem Jahr 2004. Mit seiner journalistischen Arbeit bewegt sich der Verein an der Schnittstelle von Internet, Gesellschaft und Politik. Dabei finanziert er sich nach eigener Aussage über mehrere Quellen: zum einen über Werbung, Gastbeiträge in anderen Medien und Einnahmen aus externen Vorträgen der Autoren, zum anderen über die Community, also spendenbasiert. Allerdings reichen die Einnahmen über die zuerst genannten klassischen Finanzierungsmodelle nicht aus. Dementsprechend sind die Netzpolitik-Experten zusätzlich auf Spenden angewiesen, um sich unabhängig und angemessen mit ihren Themen auseinandersetzen zu können.
2013 startete man aufgrund des systematisch unausgeglichenen Haushaltes eine Spendenkampagne und -Debatte innerhalb der eigenen Community und legte im Zuge dessen auch die eigene Finanzierung offen. Ziel sollte es unter anderem sein, die Leser davon zu überzeugen, so genannte Freiwilligen-Abonnements abzuschließen. Ein erstes positives Fazit zog netzpolitik.org-Gründer Markus Beckedahl zu Beginn dieses Jahres: Seit dem Appell verfügt der Verein über relativ kontinuierliche Spendenzuflüsse von etwa 5.500 Euro monatlich und konnte dadurch sogar eine zusätzliche Halbtagsstelle finanzieren. Entsprechend ist und bleibt netzpolitik.org sehr stark auf die Spendenbereitschaft seiner Nutzer angewiesen.
Abhängigkeit von Spenden und Zuschüssen: hoch
Mitgliederbeiträge: hoch
Anteil der Großspender: mittel
Anteil von Unternehmensspenden: gering
Akquise-Bemühung: mittel
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[expand title=”abgeordnetenwatch.de“]
Ein etwas anderes Ziel verfolgt Abgeordnetenwatch.de. Die Organisation will einen „direkten Draht von Bürgerinnen und Bürgern zu den Abgeordneten und Kandidierenden“ herstellen. Auch darüber hinaus setzt sich die Organisation für öffentlichen Dialog, Transparenz und die Verbindlichkeit von Politik ein.
Das organisationale Konzept sticht in gewisser Weise aus dem Feld der politischen Netzorganisationen heraus. Abgeordnetenwatch.de versteht sich als Sozialunternehmen und verfügt über eine bei Sozialunternehmen immer beliebtere Hybridstruktur, sprich eine Doppelstruktur aus Verein und GmbH: Die GmbH übernimmt als technischer Dienstleister Aufträge für den Verein und stellt sie diesem in Rechnung. Im Jahr 2013 betrug der Wert dieser Dienstleistungen 73.471 Euro. Weitere Einnahmequellen der GmbH sind Medienpartner und Dienstleistungen für Partnerprojekte im Ausland sowie Gebühren für erweiterte Profile, die Kandidaten im Vorfeld von Wahlen angeboten werden. Die Basisprofile der gewählten Abgeordneten sind jedoch ausschließlich spendenfinanziert. Die GmbH erreichte auf diese Weise im Jahr 2013 Gesamteinnahmen in Höhe von 236.107 EUR. 24 Prozent davon machten Einnahmen aus Profilerweiterungen für Kandidaten aus.
Der Verein finanziert sich über Förderbeiträge, Kleinspenden, Stiftungszuwendungen und Kooperationen und erreichte im Jahr 2013 Einnahmen in Höhe von 368.393 EUR. Während die Zuwendungen von Stiftungen in den vergangenen Jahren leicht schwankten (und zuletzt sanken), ist die Zahl der Kleinspender stetig gestiegen und erreichte zuletzt einen Wert von 265.383 Euro (72 Prozent der Vereinseinnahmen).
Seit 2013 existiert eine Stelle für Fundraising (neben sechs weiteren Festangestellten, den zwei Geschäftsführern und einer Vielzahl freier Mitarbeiter). Darüber hinaus bittet der Verein über den Newsletter und den Spenden-Button auf der Startseite um Zuwendungen. Zumindest 5 Prozent seiner Einnahmen konnte der Verein durch Kooperationszuschüsse zu Einzelprojekten decken.
Abhängigkeit von Spenden und Zuschüssen: hoch
Mitgliederbeiträge: hoch
Anteil der Großspender: mittel
Anteil von Unternehmensspenden: gering
Akquise-Bemühung: hoch
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[expand title=”Liquid Democracy“]
An der Schnittstelle von Politik und BürgerInnen angesichts einer veränderten Kommunikationsinfrastruktur arbeitet auch der Verein Liquid Democracy e.V. Der Verein bemüht sich durch die Bereitstellung von Software und Knowhow darum, demokratische Partizipation und Teilhabe zu befördern.
Die Einnahmen und Ausgaben des Vereins sind entsprechend der Organisationsphilosophie sehr transparent und online zugänglich. Die Finanzierung teilt sich auch hier in unterschiedliche Geschäftsbereiche auf: in den ideellen Bereich, den Zweckbetrieb sowie den steuerrechtlichen Geschäftsbereich. Die freie Software Adhocracy konnte in den vergangenen Jahren konstant einen Mehrwert erzeugen (2011: ca. 1.000 Euro und 2012/2013 bereits über 5.000 Euro). Auch die Einnahmen aus Beratungsleistungen und Software- Anpassungen konnten entsprechende Gewinne generieren (etwa 6.000 Euro für 2013).
Interessant ist insbesondere der ideelle Bereich: Zuwendungen im Rahmen des EU-Projekts „Policy Compass“ (158.656,10 Euro) und “Aktiv mitentscheiden (10.200,32Euro) beliefen sich 2013 auf zusammen rund 169.500 Euro. An Spenden hat der Verein im selben Zeitraum etwa 4.000 Euro eingenommen. Mitgliederbeiträge beliefen sich auf ca. 2.400 Euro. Im Vorjahr waren die Spendeneinnahmen mit 8.000 Euro wesentlich höher und die Mitgliederbeiträge nur geringfügig geringer. Auch von 2011 auf 2012 war das Spendenaufkommen stark gesunken (um 14.000 Euro), während die Mitgliedsbeiträge zumindest etwas zunahmen (um ca. 550 Euro). Bis auf das Jahr 2013 verzeichnete der ideelle Bereich zumeist ein Defizit.
Laut eigner Aussage sind die Spender bei Liquid Democracy vor allem Einzelpersonen, die lediglich über den Spendenaufruf auf der Homepage dazu motiviert werden. Darüber hinaus unternimmt der Verein keine Bemühungen und investiert entsprechend auch nicht in professionelles Fundraising. Die Abhängigkeit von Spenden muss im Vergleich zum gut laufenden Zweck- und Geschäftsbetrieb dementsprechend als sehr gering eingeschätzt werden.
Abhängigkeit von Spenden und Zuschüssen: gering
Mitgliederbeiträge: gering
Anteil der Großspender: hoch
Anteil von Unternehmensspenden: gering
Akquise-Bemühung: gering
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[expand title=”Transparency International Deutschland“]
Schon etwas länger im Geschäft sind die Transparenzverfechter von Transparency International Deutschland . Seitz 1993 engagiert sich der gemeinnützige Verein gegen Korruption und Missbrauch. Dazu will die Organisation nach eigener Aussage „Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zur Schaffung von Transparenz zusammenbringen“.
Der Verein kann auf einen breiten und stetig wachsenden Mitgliederstamm setzen, wodurch Einnahmen zwischen 78.240 Euro (2011) und 87.040 Euro (2013) entstanden. Noch stärker fallen Mitgliedsbeiträge korporativer Mitglieder ins Gewicht, und zwar mit 110.900 Euro (2013). Die Spendeneinnahmen lagen im selben Zeitraum mit zwischen 40.331 Euro (2013) und maximal 72.895 Euro (2012) darunter und nahmen damit einen Anteil von lediglich 10-20 Prozent der Gesamteinnahmen ein. Davon sind wiederum 20-30 Prozent Kleinspender. Obgleich die Spenden nicht den maßgeblichen Teil der Finanzierung bei TI Deutschland ausmachen, stellen sie doch einen elementaren Bestandteil der Finanzstruktur dar.
Die Spendenakquise richtet sich hier vor allem an Privatleute, aber es werden auch Unternehmen erreicht. In Fundraising wird allerdings nicht gezielt und direkt investiert, stattdessen wird über die Website sowie über ein alljährliches Mailing zu Weihnachten und über Spendenaufrufe in den Publikationen, im Newsletter und der Mitgliederzeitschrift um Spenden geworben.
Abhängigkeit von Spenden und Zuschüssen: mittel
Mitgliederbeiträge: hoch
Anteil der Großspender: hoch
Anteil von Unternehmensspenden: mittel
Akquise-Bemühung: mittel bis hoch
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[expand title=”Wikimedia Deutschland“]
Ein ähnlich etablierter Akteur ist Wikimedia Deutschland. Der gemeinnützige Verein hat sich der Förderung freien Wissens verschrieben, arbeitet eng mit der Wikimedia Foundation zusammen und unterstützt vielzählige Projekte in diesem Bereich. Das wohl bekannteste ist die Online Enzyklopädie Wikipedia. Wikimedia finanziert sich fast ausschließlich über Spenden (2012: 91,43 Prozent, 2013: 85,53 Prozent), zu einem geringen Teil auch durch Mitgliederbeiträge (2012: 4,3 Prozent, 2013: 8,52 Prozent) und im Schnitt nur zu etwa 5 Prozent über andere Erlöse. Im Fall von Wikimedia Deutschland sprechen wir tatsächlich von jährlichen Spendeneinnahmen im Millionenbereich.
Die Spenden stammen zum allergrößten Teil von „Klein- und Kleinstspendern“. Nach eigener Aussage belief sich die durchschnittliche Spende im Zuge der letzten Kampagne auf eine Höhe von 22 Euro. Nur selten erreichen die Organisation Spenden im vierstelligen Bereich. Eine Ausnahme bilden einzelne Projekte wie Wikidata, für die auch größere Zuschüsse von Stiftungen erlangt werden konnten. Andere Projekte werden über Drittmittel finanziert, beispielsweise die OER-Konferenz (Open Educational Resources) , für die zudem verschiedene Sponsoren gewonnen werden konnten.
Da die Kleinspenderschaft eine so große Rolle spielt, steckt der Verein viele Ressourcen in das Fundraising. Ein Blick in das Mitarbeiterregister zeigt, dass hierfür 2,7 Vollzeitstellen, unterstützt von vier Werkstudenten, angestellt sind. Wikimedia setzt auf gezielte Kampagnen, um Kleinspenden seiner Nutzer einzuwerben.
Abhängigkeit von Spenden und Zuschüssen: hoch
Mitgliederbeiträge: gering
Anteil der Großspender: gering
Anteil von Unternehmensspenden: gering
Akquise-Bemühung: hoch
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[expand title=”Open Knowledge Foundation“]
Keine Antworten, aber dafür einen ausführlichen Tätigkeitsbericht in Netz konnte zur Open Knowledge Foundation zur Rate gezogen werden. Die Daten-Aktivisten verfügen über eine prozentual geringe Mitgliederförderung (5.000 Euro), die nur 1,5 Prozent der Gesamteinnahmen 2013 ausmachte. Spenden fielen mit ca. 29.000 Euro zumindest zu 8,4 Prozent ins Gewicht. Den größten Anteil nehmen Zuschüsse zu gezielten Projekten wie eCloud oder BIGData ein, die insgesamt 250.000 Euro (72,1 Prozent) einbrachten. Dem stehen anderweitige geschäftliche Einnahmen von circa 62.500 Euro (18 Prozent) gegenüber. 2012 hingegen waren die Gesamteinnahmen noch wesentlich geringer (etwa 130.000 Euro) Das ähnlich hohe Spendenaufkommen (29.000 Euro) trug in diesem Jahr zu immerhin über 20 Prozent dazu bei. Die OKFN funktioniert also, wie viele der aufgeführten Organisationen auch, durch eine Mischfinanzierung. Dabei wird versucht die Fixkosten möglichst zu minimieren und projektgebunden zu arbeiten.
Spendenakquise betreibt die Open Knowledge Foundation über ihre Seite und betterplace.org. Gleichzeitig wird sehr stark projektbezogen um Beteiligungen geworben. Für Fundraising existiert zudem eine halbe Stelle und es wird im Tätigkeitsbericht 2012 als Zielsetzung im Rahmen diverser Projekte erwähnt
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Unterm Strich
Wie eingangs angedeutet, weisen die Befunde auf eine Vielfalt an Organisations- und Finanzstrukturen hin. Dennoch haben wir im Folgenden versucht, ein wenig Ordnung in das netzpolitische und -aktive Feld zu bekommen. Zentral werden hierfür die bisherigen Kategorien sein: Spendenabhängigkeit, Spendenherkunft und Spendenakquise.
Um dem Leser einen Überblick über die Organisationen zu verschaffen und die Ergebnisse der Recherche auch visuell aufbereiten zu können, haben wir versucht, die untersuchten Akteure (beschränkt auf ihre Vereinstätigkeiten) entlang bestimmter Kategorien grob einzuteilen.*
*Den Kategorien: Abhängigkeit von Spenden und Zuschüssen; Höhe der Mitgliederbeiträge; Anteil der Großspender; Anteil von Unternehmensspenden sowie Grad der Akquise-Bemühung wurde wurden die Werte gering, mittel oder hoch zugeordnet.
Die Abhängigkeit von Spenden ist für die untersuchten Akteure allgemein sehr hoch. Viele Organisationen sind nahezu vollständig auf Spenden und Zuschüsse angewiesen, beispielsweise das Co:llaboratory, Wikimedia oder die Open Knowledge Foundation. Mit geringen Einnahmen können zumindest netzpolitik.org (über Werbung und Gastreden bzw. -Beiträge) oder Digitalcourage (Online-Shop) zu ihrem Einnahmen beitragen.
Speziell ist die Situation von Liquid Democracy und Abgeordnetenwatch, die ihre Vereinsstruktur jeweils um eine geschäftstätige GmbH erweitert haben. Diese Doppelstruktur macht sie jedoch nicht gänzlich unabhängig von Spenden. So finanziert sich die GmbH Parlamentenwatch z.B. vor allem über die Dienstleistungen gegenüber dem Verein. Bei Liquid Democracy hingegen erzeugt die GmbH durch externe Dienstleistungen erhebliche Zusatzeinnahmen.
Eine weitere zentrale Möglichkeit, neben selbst generierten Einnahmen und sporadischen Spenden Einnahmen zu erhalten, sind Mitgliedschaften. Hier muss mit Blick auf die untersuchten Akteure allerdings unterschieden werden. Transparency International Deutschland kann beispielsweise auf einen klassischen Mitgliederstamm zurückgreifen, während andere Vereine wie die Digitale Gesellschaft oder netzpolitik.org eher durch Fördermitglieder im Sinne konstanter Spender unterstützt werden. Hier wäre zu überlegen, wie kleinere Vereine ihre Vereinsstrukturen weiter professionalisieren können im Hinblick auf Attraktivität und Akquise entsprechender Mitgliedschaften.
Gesondert davon zu sehen sind Großspenden von Stiftungen, die im netzpolitischen und -aktiven Bereich eine wichtige Rolle spielen. Während sich die durchschnittliche Spende bei vielen Vereinen deutlich unter 20 Euro bewegt (Wikimedia, Digitale Gesellschaft, Liquid Democracy), kann durch entsprechende Langzeitförderungen und Projektunterstützung größere Planungssicherheit hergestellt werden. Besonders angewiesen darauf scheinen jüngere Organisationen wie die Digitale Gesellschaft oder das Co:llaboratory. Aber auch etablierte Akteure wie Transparency International greifen auf entsprechende Zuschüsse zurück. Dabei wird in vielen Fällen auch gezielt um Projektbeteiligungen geworben (Big Brother Awards von Digitalcourage, EU Policy Compass von Liquid Democracy, BIG Data von Open Knowledge Foundation, Digitale Bürgersprechtsunde von politik-digital und andere).
Gewichtige Spenden von Unternehmen finden sich hingegen kaum auf der netzpolitischen Landkarte. Nennenswerte Spenden seitens der Wirtschaft bestätigten uns lediglich das von Google anschubfinanzierte Co:llaboratory und Transparency International. Abgeordnetenwatch erhielt zumindest Zuwendungen von unternehmensnahen Institutionen wie der Robert Bosch-Stiftung oder der Vodafon-Stiftung.
So vielfältig die Wege der Mittelbeschaffung, so unterschiedlich auch die ihrer Akquise: Bei dem an Kleinspender gerichteten Fundraising setzen die meisten Organisationen auf Hausarbeit. Vereine wie die Digitale Gesellschaft, Liquid Democracy, Digitalcourage oder netzpolitik.org verfügen jedoch nicht über einzelne Stellen, die sich konkret mit Strategien auseinandersetzen, sondern verteilen entsprechende Arbeiten über die bestehenden Stellen und Mitarbeiter. Überraschend ist, dass auch Transparency International nach eigener Aussage keine Arbeitsstelle im Bereich Fundraising hat.
Über personelle Ressourcen für Fundraising verfügen hingegen die Open Knowledge Foundation (0,5 Stelle), Abgeordnetenwatch (1 Stelle) und Wikimedia. Letztere Organisation sticht jedoch deutlich heraus, da sie eine ganze Abteilung damit betraut. Auch das CoLab ließ uns wissen, dass zwischen 40 und 50 Prozent der personellen Ressourcen in die Mittelbeschaffung eingehen.
Hier bleibt jedoch zu bedenken, dass viele Organisationen, ob das CoLab, die Digitale Gesellschaft oder Abgeordnetenwatch, auch Arbeitszeit in die Stiftungsförderung und Anwerbung von Projektpartnern investieren.
Fazit
Die Stiftungen müssen‘s richten: Zusammenfassend lassen sich nur wenige verallgemeinerbare Aussagen treffen. Auffällig ist mit Sicherheit, wie bedeutsam Stiftungen sind, insbesondere in Bereichen, in denen die breite Unterstützung aus der Bevölkerung fehlt. Das betrifft in erster Linie neuere und netzpolitische Organisationen. Etablierte Akteure wie Transparency oder Wikimedia hingegen, die einen durchaus anders gelagerten Fokus haben, stehen dem gegenüber. Auch zeigt sich, dass gerade Tätigkeitsfelder, die jenseits des klassischen Aktivismus oder der netzpolitischen Öffentlichkeitsarbeit liegen, imstande sind, durch ihre Expertise und ihr Know-how Einnahmen zu generieren.
Wenige Spenden, wenig Akquise: Der auf der re:publica 14 von Sascha Lobo gescholtene Vogel hatte mit Sicherheit keine Lobby, bis die Umweltverbände auf ihn aufmerksam machten. Netzpolitik und Transparenz haben diese auch nur zum Teil. Gerade erstere steht unter dem Verdacht, für die breite Bevölkerung vollkommen unbedeutend zu sein. Entsprechend gering sind die Bemühungen der Organisationen, auch jenseits der eigenen Klientel um Unterstützung zu werben. Fundraising, so scheint es, entwickelt sich erst mit einem erhöhten Spendenaufkommen.
Konkrete Angebote schaffen: Eine konkrete und im besten Falle auch regionale Vogelart zu retten, ist mit Sicherheit attraktiver, als sich mit 10 Euro für „den Artenschutz“ im Allgemeinen zu engagieren. Auch beim Aktivismus im und für das Internet sind einzelne Projekte und Kampagnen eine gute Möglichkeit, Zuschüsse und Förderungen zu generieren. Vor allem oben genannte Stiftungen, aber auch Unternehmen scheinen durchaus mehr dazu bereit, Gelder bereitzustellen, wenn klare Ziele verfolgt werden und In- und Output transparent gemacht werden. Dementsprechend sollte darüber nachgedacht werden, weniger abstrakt die „Freiheit des Netzes“ zu bewerben, als um Unterstützung für konkrete Kampagnen oder Projekte zu werben.
Siehe dazu auch den Kommentar „Köpfe voll – Kasse leer von Steffen Wenzel
Abschließend will ich an dieser Stelle noch einmal allen Mitarbeitern und Vertretern der hier vorgestellten Organisationen vielmals dafür danken, dass sie trotz geringer Zeitreserven bereit waren, die notwendigen Informationen bereitzustellen und auf unsere Fragen zu antworten.
Bild: pixabay/bohed (CC0 1.0)
[…] und Organisationen gespendet. Aber in dem vergleichsweise geringen Spendenvolumen, das auch unsere Recherche ergeben hat, drückt sich etwas anderes aus: unsere Unfähigkeit, die Bedrohung und die […]