The King of Spain Felipe VI, (C) and Catalan President Artur Mas (L) listen to explanations in the Orange stand during the opening of MWC 2015. Mobile World Congress 2015 by  Jordi Boixareu, CC BY-NC-ND 2.0Das politische Klima in Spanien ist gereizt: Ohnmacht im Parlament, Korruptionsvorwürfe gegen die Politik, Unabhängigkeitsbestrebungen der Katalanen und  eine Generation von jungen Spaniern, die keine Arbeit mehr im eigenen Land findet. Der Höhepunkt der Wirtschaftskrise liegt bereits sechs Jahre zurück, die Folgen sind aber immer noch spürbar, auch in der schleppenden Digitalisierung spanischer Unternehmen.

„España 4.0“: Digitalisierung  trotz Krise

Wie geht es weiter mit einem Land, das sich nicht so recht von seiner wirtschaftlichen und politischen Flaute erholen zu scheint? Spaniens Regierung und führende Unternehmen haben große Ambitionen mit dem Krisenland: „España 4.0“, eine neue Digitalstrategie, die im Rahmen der europäischen Digitalen Agenda im Jahr 2013 vorgestellt wurde. Bis 2025 sollen etwa 120 Milliarden Euro mit der digitalen Transformation verdient und Kosten bis zu 20% gesenkt worden sein. In Zukunft sollen tausende neue Arbeitsplätze entstehen, diese Zukunftsberufe nennen sich unter anderem  „social manager“ oder „intelligence manager“.

Digitalisierung wird gerne missverstanden und auf rein technische Innovationen reduziert. Allerdings umschließt die digitale Transformation die gesamte Unternehmensstruktur und betrifft somit sämtliche Bereiche eines Betriebs – von der Administration bis zu verbesserten Produktionstechniken. Die in diesem Jahr veröffentlichte Studie von Siemens und Roland Berg ist die erste seiner Art, die sich mit der digitalen Transformation Spaniens in den verschiedenen Wirtschaftssektoren befasst.

Finanzielle und strukturelle Defizite

Die Ergebnisse der Studie legen ein erhebliches Verbesserungspotenzial des Landes offen. Zwar machen fast alle Unternehmen von digitalen Medien wie E-Mail und eigener Website Gebrauch, nur ein geringer Teil verfügt jedoch über Kompetenzen, die über diese digitalen Grundstandards hinausreichen.  Diese digitale Kluft zwischen dem, was technisch bereits möglich ist, und dem, was angewandt wird, ist besonders groß in den Bereichen Gesundheit und Technik (75%) und Energie (51%). Ein Viertel der Unternehmen haben weiterhin keinen Zuständigen für Digitales. Weniger als ein von drei Betrieben hat überhaupt eine Digitalstrategie. Wie kommt das?

Die Studie trifft auf einen Paradox: obwohl Spanien an Platz 14 der Weltrangliste der Länder steht, die den größten Anteil ihres BIPs in Digitalisierung investiert, schafft es das Land nur auf Platz 45 in der digitalen Entwicklung. Mangelt es also an den Mitteln oder an der richtigen Strategie? Die Antwort ist: an beidem. Die Kombination aus fehlenden Ressourcen und mangelnden Investitionen, vor allem in Forschung und Entwicklung (F&E), führt zu einer chronischen Unterfinanzierung des digitalen Wandels in der Wirtschaft.  Laut Eurostat investierte Spanien so nur 1,2% seines GDP in F&E, verglichen mit 3% in Deutschland und 2% in den USA. Ein weiteres Manko entsteht durch die Schwächen in den Bildungsmöglichkeiten. Obwohl die Zukunftsrichtung der Wirtschaft digital ist, gibt es kaum digitale Fachkräfte. Die rasant steigende Nachfrage nach IT-Experten und Social Media Managern übersteigt das Angebot an Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten. Momentan besitzen nur etwa die Hälfte aller Spanier grundlegende Kenntnisse im Umgang mit neuen Medien.

Auf dem Weg in eine digitale Zukunft

Es entsteht ein Teufelskreis: weniger Innovation führt zu weniger Investitionen führt zu weniger Geld für Bildung führt zu weniger Innovation. Mit dem digitalen Wandel, der immer mehr qualifizierte Arbeitskräfte fordern und geringqualifizierte aussortieren wird, ist die Nachfrage nach Fachkräften höher denn je. Eine digitale Zukunft braucht digitale Talente. Viele junge Spanier verlassen bereits ihr Land, um ihre Zukunftsmöglichkeiten im Ausland zu verbessern. Und doch: Spanien befindet sich auf einem Weg, der optimistisch stimmt. Laut Digital Economy and Society Index (DESI) hat Spanien im letzten Jahr innerhalb der EU am meisten Potenzial im Digitalen entwickelt: es gibt immer mehr Studienabschlüsse in digitalen und technischen Studiengängen und bei der Nutzung elektronischer Services wie „eInvoice“ in der öffentlichen Verwaltung steht Spanien sogar auf Platz 5 im EU-Vergleich.

Entscheidend ist, wie die neue Regierung die Pläne der „Digitalen Agenda 2013“ umsetzten wird. Nur wenn sich mehr Menschen den neuen Technologien zuwenden und mehr Geld in digitale Bildung fließt, wird Spanien den Sprung in eine digitalisierte Zukunft schaffen.

Titelbild: Mobile World Congress 2015  via flickr von Jordi Boixareu,
licenced CC BY-NC-ND

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