Anlässlich des heutigen „SOPA BLACKOUT“-Tages gehen viele Webseiten vorübergehend offline, um ihren Protest gegen den „Stop Online Piracy Act“ publik zu machen. Der Gesetzentwurf zur Netzwerküberwachung wurde von der US-Regierung derweil vorerst vertagt. Zu Realisierungschancen und möglichen Folgen einer Umsetzung befragte politik-digital.de den IT-Rechtler Tobias Keber.

 

Die US-amerikanische Regierung hat sich mit ihrem Gesetzentwurf „Stop Online Piracy Act“ (SOPA) zum Ziel gesetzt, Urheberrechtsverstöße im Internet aufzuspüren und zukünftig zu verhindern. Dies betrifft insbesondere das illegale Angebot von Filmen, Spielen, Büchern und Musikaufnahmen, aber auch rechtswidrigen Medikamentenhandel im Netz. Um dem entgegenzuwirken, soll jeglicher Zugang zu den als rechtswidrig gemeldeten Webseiten und deren Vertrieb von urheberrechtlich geschütztem Material blockiert werden. Suchmaschinen dürften diese Webseiten nicht mehr anzeigen, Finanzdienstleister wie Kredikartenunternehmen müssten Konten und Zahlungen an die Betreiber einfrieren. Viele der Netzaktivisten und Seitenbetreiber wie die der US-Wikipedia, die heute mit dem sogenannten „Blackout“ ihrer Internetseite gegen SOPA protestieren, sehen in dem Gesetzentwurf nicht nur eine Einschränkung ihrer Freiheit, sondern auch die Möglichkeit zur Zensur. Laut der US-Abgeordneten Zoe Lofgren würde SOPA „das Ende des Internet, wie wir es kennen” bedeuten.

Das Weiße Haus hat sich offiziell gegen SOPA ausgesprochen, während die Regelung von einer Mehrheit im Senat befürwortet wird. Am Ende wird der Kampf wohl entschieden werden zwischen Hollywood und den Internet-Unternehmern.

Unterdessen hat das Thema auch Europa erreicht. So gibt es in Spanien bereits einen dem US-amerikanischen Modell sehr ähnlichen Gesetzentwurf. In Deutschland lassen Maßnahmen wie die Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes zu Kinderpornographie Ende 2011, sowie das Telemediengesetz von 2007 eher gegenteilige Tendenzen zum Thema Netzwerküberwachung erkennen, so dass der Vorschlag größtenteils auf Ablehnung trifft.

Ob sich SOPA in den USA durchsetzen wird und welche Folgen die Umsetzung des Gesetzentwurfes weltweit hätte, beantwortet der auf IT-Recht spezialisierte Anwalt Dr. Tobias Keber in einem Kurzinterview mit politik-digital.de.

Während sich das Weiße Haus kritisch zum Gesetzesvorhaben SOPA geäußert hat, gibt es im Kongress viele Befürworter. Wie wahrscheinlich ist die Verabschiedung?

Ich möchte hier nicht im Kaffeesatz lesen. Ich würde mich allerdings auch nicht wundern, wenn vor dem Hintergrund der massiven öffentlichen Kritik, die wir am heutigen netztechnischen „Black Wednesday“ erleben, der Entwurf noch einmal überarbeitet wird. Dass öffentlicher Protest Wirkung zeigt, hat die Diskussion um ACTA und hierzulande um das Zugangserschwerungsgesetz gezeigt, das man nun in seiner ursprünglichen Form „zurückgenommen“ hat. Der Stop Online Piracy Act (SOPA), der im Repräsentantenhaus diskutiert wird und der Protect IP Act (PIPA), der im Senat vorliegt, müssten mit der in den USA traditionell sehr weit verstandenen Meinungsfreiheit (Freedom of Speech, First Amendment) vereinbar sein. Dass Maßnahmen im Kontext der Regulierung des Internet sich an diesem strengen Maßstab orientieren müssen, hat der U.S. Supreme Court schon 1997 entschieden. Gänzlich unbegrenzt ist die Meinungsfreiheit freilich auch in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht. Beschränkungen (etwa obszöne Inhalte) sind aber die absolute Ausnahme.

Welche Folgen hätte SOPA in Deutschland, den USA und weltweit? Wer wäre konkret wie betroffen?

Setzt sich der Entwurf des SOPA durch, in dem als inländischer Domänennamen letztlich auch alle .com-, .net- und .org-Domains gelten, hat SOPA einen extraterritorialen Effekt. Dann können Anbieter von dem Rechtsakt betroffen sein, die (von der Registrierung einer .com-Adresse einmal abgesehen), ansonsten keinerlei Bezug zu den Vereinigten Staaten haben. Das ist völkerrechtlich hochproblematisch. Aufgrund des SOPA eventuell mögliche Eingriffe in die technische Infrastruktur des Internet könnten auch rein tatsächlich schädliche Auswirkungen haben, die über die USA hinausgehen. Darauf hat übrigens auch das Europäische Parlament hingewiesen. In einem Dokument zum Gipfeltreffen EU – USA im November 2011 wird unterstrichen, „dass die Integrität des weltweiten Internets und die Kommunikationsfreiheit geschützt werden müsse, indem von einseitigen Maßnahmen zum Entzug von IP-Adressen oder Domänennamen abgesehen wird“. In diesem Zusammenhang stellt sich dann gewissermaßen die Frage, wem das Internet gehört. Wenn man dies mit „allen“ beantwortet, oder etwas pathetischer vom gemeinsamen Erbe der Menschheit spricht, sind weitreichende Eingriffe, so sie denn die Funktionsfähigkeit des Internets wirklich nachhaltig gefährden, unzulässig.