Die Überwachung von Angela Merkels Handy erscheint nach den neuesten Enthüllungen geradezu kleinlich, wie ein mit bitterer Leidenschaft geführter Streit zwischen Kindern, der nach fünf Minuten vergessen ist. Denn die NSA überwacht nach einem Artikel in der Washington Post nicht nur das Handy der deutschen Kanzlerin, sondern die Verbindungsdaten aller Mobiltelefone der Welt, die noch auf die überlasteten Server des Geheimdienstes passen. Dagegen scheint die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland geradezu ein bescheidenes Unterfangen zu sein. Internationale Abkommen, wie die EU-Datenschutzverordnung oder gar transatlantische Abkommen, rücken derweil weiter in die Ferne.

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Wer verreist schon mit Terroristen?

Eine neue Welle der Erkenntnis schwappt über die NSA-geplagte Öffentlichkeit. Die NSA speichere verdachtsunabhängig Telefonnummern, Ortsangaben, Geräte- und SIM-IDs von hunderten Millionen Mobiltelefonen weltweit, melden unter anderem süddeutsche.de und Spiegel-Online. Sie beziehen sich auf einen Bericht der Washington Post, nachdem die NSA diese Daten in Zusammenhang mit Terrorverdächtigen verwerte, aber auch archiviere. Die Identifizierung und die Erstellung von Bewegungsprofilen von theoretisch jedem Handynutzer weltweit sind damit möglich. Auf netzpolitik.org erklärt Anna Biselli die technischen Grundlagen dafür und weist auf die Verwendung solcher Daten auch durch deutsche Behörden hin.

Die Mühlen der Diplomatie

Ebenso auf netzpolitik.org bespricht Jan-Peter Kleinhans den Ergebnisbericht der ad hoc EU-US Arbeitsgruppe zum Datenschutz. Deren Ziel war die Aufklärung über die rechtlichen Rahmenbedingungen der US-Überwachung und ihrer Auswirkung auf EU-Bürger. Zwar sieht Kleinhans diese Ziele nicht als erreicht, aber er begrüßt den Bericht. Er zeige vor allem, dass die USA die meisten Presseberichte bestätigt habe, dass jegliche gesetzliche Einschränkung der Überwachung nur für US-Bürger gelte und „dass es noch ein langer Weg zur internationalen Verständigung bezüglich Telekommunikationsüberwachung ist“. Für Markus Beckedahl stehen die Geheimdienst dabei im Weg. Sie seien ein Anachronismus – struktureller Rechtsbruch würde begangen und damit die Demokratien untergraben.

Dieses Kätzchen müsste ohne VDS sterben

Mit „gezielter Täuschung“ würden Sicherheitspolitiker den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung propagieren und so das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ad absurdum führen, schreibt Richard Gutjahr auf seinem Blog. Gegen die Argumente von Gabriel, Friedrich und Co präsentiert er selbst erstellte Tabellen mit Daten zur Telekommunikationsüberwachung in Deutschland. So würden Kinderpornographie und Terrorismus nur für einen Bruchteil der Abfragen durch Behörden als Anlässe dienen. Zudem verweist er noch auf die „oft unterschätzten“ Bestandsdaten, auf die 250 Sicherheitsbehörden Zugriff hätten und auf die im Jahr 2012 rund 36 Millionen mal zugegriffen worden sei. Auch Anwaltsverbände sehen die Vorratsdatenspeicherung als problematisch an, solange der Zugriff von ausländischen Geheimdiensten nicht ausgeschlossen werden könne und die Finanzierung nicht geklärt sei.

Bremsen die Streber?

Das Europäische Parlament hat sich im Oktober auf eine EU-Datenschutzverordnung geeinigt. Nun beraten die Justiz- und Innenminister im Europäischen Rat darüber. Auch hier ist die Kritik an den deutschen Innenpolitikern groß. So würden sie den Beschluss der Verordnung behindern. Christiane Schulzki-Haddouti hat mit dem Sprecher des Bundesinnenministeriums, Philipp Spauschus, gesprochen und ihn über den Stand der Dinge befragt.

Den Wackelpudding an die Wand nageln

Kein gutes Wort an der digitalen Agenda im großen Koalitionsvertrag lässt Gunnar Sohn im The European. Einerseits würde ein „Biotop“ von Sicherheitspolitikern und -beratern „mit einer paranoid anmutenden, hermetischen Gedankenwelt“ gehegt, andererseits seien die Zusagen zum Breitbandausbau nicht verbindlich oder ausreichend genug. Ausführlich zitiert der Autor den „Technologie-Experten“ Roman Friedrich von Booz & Co und kommt zu dem Schluss, dass die große Koalition sowohl Wohlstand als auch Wachstum verspiele.

Verschlüsselung statt Regularien

Auf faz.net reagiert Niels Fallenback auf ein Interview mit dem Chaos-Computer-Club Vorsitzenden Frank Rieger und dem Telekom-Chef René Obermann. Mit letzterem würde er „keine Woche in einer gemeinsamen Wohnung aushalten“, schreibt der Autor. Statt Regularien wie Schengen-Routing oder DE-Mail, wie Obermann sie propagiert, fordert Fallenbeck als „einzig wirksame Alternative“ die Verschlüsselung aller Übertragungswege durch quelloffene Techniken. Obwohl sie die Möglichkeiten dazu hätte, habe die Telekom daran offenbar kein Interesse.
 
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