Unter dem Motto „Digitale (Un)Kultur und Demokratie“ veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung gestern ihren 3. Demokratiekongress. Mit Jeff Jarvis und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich als Redner standen sich zwei Personen gegenüber, die unterschiedlicher nicht hätten sein können.
Um ihrem Veranstaltungsthema treu zu bleiben, passte die Konrad-Adenauer-Stiftung auch ihre Technik den Ansprüchen ihres Demokratiekongresses 2011 in Berlin an. So wurde die politische Grundsatzrede „Politische Bildung im Zeitalter der Digitalisierung“ des Bundesinnenministers zu Beginn des Kongresses per Livestream von der Adenauer-Stiftung übertragen und gleichzeitig von tagesspiegel.de gebloggt. Zudem kommentierte Jeff Jarvis, Professor an der Graduate School of Journalism der City University of New York, Friedrichs Beitrag auf Twitter. Die Leser von tagesspiegel.de und die anwesenden Kongressteilnehmer hatten die Möglichkeit, ihre Fragen direkt an die Redner zu richten.
Im Gegensatz zum relativ innovativen Format der Veranstaltung gab sich Innenminister Friedrich in Bezug auf die Chancen und Möglichkeiten des Internet skeptisch. Im Mittelpunkt seiner Rede standen stärker Themen wie Gefahren, Hierarchisierung und fehlende Gestaltungsfreiheit. Zwar schätze er E-Petitionen als Beteiligungsmöglichkeit, Skype als Mittel der Kommunikation mit Familienmitgliedern im Ausland und Google+, um sich Meinungen außerhalb seines Ortsverbandes einzuholen – einen vorantreibenden Input zum Thema Internet gab er jedoch nicht. Stattdessen vertrat er die These, dass die Digitalisierung die Sehnsucht nach Rückbindung in die analoge Welt erhöhe. Diese Rückbindung zu ermöglichen, solle auch Aufgabe der politischen Bildung sein. Im Vergleich zu seinem Vorgänger Thomas de Maizière, der sich mit seinen 14 Thesen zur Netzpolitik eine Reputation in der Netzgemeinde verschafft hatte, waren die Statements des Innenministers für eine politische Grundsatzrede zu hausbacken und allgemein gehalten. Der CSU-Politiker erhielt nicht nur reichlich Kritik in den Medien, sondern auch aus dem eigenen politischen Lager. Lars Klingbeil (SPD), Mitglied der Internet-Enquete des Deutschen Bundestages, sagte gegenüber politik-digital.de, dass die Rede des Ministers die Verzagtheit zeige, mit der auf Regierungsseite über Netzpolitik gesprochen wird. „Was fehlt ist ein Gestaltungsanspruch, der die Chancen der Digitalisierung für Bildung, Wirtschaft und für die offene und demokratische Gesellschaft insgesamt in den Mittelpunkt stellt. Progressive netzpolitische Ideen und wegweisende Gestaltungsvorschläge habe ich von ihm noch nicht vernommen“, so Klingbeil.
Als Generationenproblem lässt sich das aber nicht entschuldigen, blickt man auf Jeff Jarvis. Dieser konnte die Trennung von digitaler und analoger Welt, die der CSU-Politiker durchführte, nicht nachvollziehen und stellte fest, dass das Analoge digital werde. Seinem Auftritt am Nachmittag haben vor allem netzpolitisch aktive Kongressteilnehmer entgegengefiebert. Wie in seinem kürzlich veröffentlichten Buch „Public Parts“ stellte er auch in seiner Rede heraus, wie wichtig freie Kommunikation im Internet sei und dass das Teilen von Wissen und Erfahrungen mehr Chancen biete als der Rückzug in die Privatsphäre. Eine gelebte Öffentlichkeit im Internet verbessere Beziehungen, sei gut für Transparenz und gegenseitiges Vertrauen, verhindere Schubladendenken und befördere die Zusammenarbeit in Wirtschaft und Politik. Was Jarvis beunruhigt, ist nicht die Sorge um den Verlust unserer privaten Daten, sondern die Sorge um die Freiheit des Internet. Er weist darauf hin, dass das Zeitalter der Digitalisierung erst in der Anfangsphase ist. Das, was noch kommen wird, sei fernab aller unserer Vorstellungskraft.
Eine Illustration von Mathias Weitbrecht vom Kongressablauf
Der zweite Teil des Demokratiekongresses spielte sich in drei kleineren Gesprächsforen ab. Zusammen mit Experten konnten die Teilnehmer über die Auswirkungen der Digitalisierung auf Politik, politische Bildung und die Medien diskutieren. Dr. Melanie Piepenschneider, Leiterin Politische Bildung der Konrad-Adenauer-Stiftung, zeigte sich in ihrem Schlusswort von deren Ergebnissen angetan und wertete den Demokratiekongress 2011 als großen Erfolg.
Hinweis:
politik-digital.de wird in den nächsten Tagen Jeff Jarvis im Porträt vorstellen.